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Lkw-Fahrer harren auf Autobahn-Raststätte Gräfenhausen aus

Ein streikender Fahrer hängt eine georgische Nationalflagge an einem Lkw-Auflieger auf.

Seit zweieinhalb Wochen streiken inzwischen rund 150 Lkw-Fahrer aus Osteuropa und Zentralasien an einer Autobahn-Raststätte im südhessischen Gräfenhausen. Noch immer warten sie auf ihr Geld. Der Spediteur spricht von Erpressung.

Regen klatscht auf die Plane des Lastwagens, die Ladetüren sind zum Schutz gegen die Flut vom Himmel halb geschlossen. Wasser tropft von der georgischen Flagge, die Zura gerade wieder zurechtgerückt hat. Er ist einer der seit mehr als zwei Wochen streikenden Fahrer einer polnischen Speditionsfirma. Die Flagge ist für ihn und die anderen Streikenden ein Stück Erinnerung an die Heimat, an die Menschen, für die sie ein besseres Leben wollen und daher weit weg von zu Hause einen harten Job erledigen.

An der südhessischen Raststätte Gräfenhausen an der A5 stehen sie nun schon seit mehr als zwei Wochen. Die Stimmung unter den Truckern ist verhalten. Das liegt einerseits am trostlosen Wetter, andererseits am Stillstand im andauernden Streik.

Seit bald zwei Wochen gibt es keine direkten Gespräche mehr. Vorwürfe, das Gespräch werde verweigert, gibt es in beide Richtungen - sowohl das Speditionsunternehmen als auch die Fahrer weisen dem jeweils anderen die Verantwortung für die Stagnation zu.

Spedition: Fahrer erpressen "Lösegeld"

Eine Vertreterin der Spedition betonte, es handele sich bei der Aktion in Gräfenhausen nicht um einen Streik, da die Fahrer keine Arbeitnehmer seien, sondern Auftragnehmer, die die Zusammenarbeit bereits aufgekündigt hätten. Aus der Sicht des Unternehmens erpressten die Fahrer "Lösegeld" für die Lastwagen.

"Es geht auch nicht um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen", sagte Magdalena Turek, die Handelschefin einer der drei Firmen des Speditionsunternehmers. Denn die Fahrer kündigten die Zusammenarbeit auf, sobald sie Geld erhielten. "Wir können den angeblichen Mängeln bei der Lohnzahlung der Fahrer absolut nicht zustimmen."

Turek verwies darauf, dass das Unternehmen der Staatsanwaltschaft alle Nachweise über Abrechnungen übergeben habe. "Derzeit stimmen wir der Zahlung weiterer Schutzgelder für die Rückgabe der Autos nicht zu", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Alle Aktivitäten würden der Polizei gemeldet, das weitere Vorgehen der Spedition werde sich aus den Vorgaben der Gerichte und der Staatsanwaltschaft ergeben.

Kartenspiele gegen die Langeweile

In Gräfenhausen stehen die Fahrer unterdessen in Kleingruppen rauchend zusammen, andere spielen Karten. Vladimer Pilauris hockt auf einem Holzbalken und debattiert mit einem seiner Kollegen. Neben ihm liegen ein Glas eingelegte Paprika, ein paar Gurken, Kartoffeln und Zwiebeln - Überreste einer Lebensmittelspende von deutschen Gewerkschaftern vor einigen Tagen.

Streikende Fahrer sitzen in einem Lkw-Auflieger und spielen Karten.

Pilauris fuchtelt mit der Faust, als es um die letzten Entwicklungen in dem Arbeitskampf um nicht gezahlte Löhne geht. Dass der Unternehmer, der ihm seit fünf Monaten keinen Lohn gezahlt habe, nun Anzeige wegen Erpressung gegen alle streikenden Fahrer erstattet hat, empfindet er als Unverschämtheit. "Er muss uns nur bezahlen, und alles ist vorbei."

Dass nun juristisch gegen die Fahrer vorgegangen wird, glaubt er aber nicht. "Die Leute hier in Deutschland behandeln uns gut und fair. Ich vertraue den Behörden, dass sie sehen, wer hier im Recht ist."

"Ich weiß nicht, wie ich die Schulsachen bezahlen soll"

Im Lastwagen nebenan blickt Shukhrat Rarimov auf sein Handy, tauscht Informationen mit Kollegen aus. Wirklich Neues weiß keiner. Ein Kollege liegt weiter hinten auf einer provisorischen Pritsche und döst, ein anderer hockt regungslos auf einem Balken und starrt ins Leere. Die Erschöpfung und Frustration steht ihm ins Gesicht geschrieben.

Rarimov sagt, ihm sei seit zwei Monaten kein Lohn gezahlt worden, und je länger der Streik dauere, desto größer würden seine Sorgen. "Ich habe vier Kinder, das neue Schuljahr beginnt bald, und ich weiß nicht, wie ich ihre Schulsachen bezahlen soll."

Mit dem Job als Fernfahrer in Deutschland, von dem er sich ein besseres Leben erhofft hatte, hat er abgeschlossen. "Das ist doch kein Leben, monatelang im Auto leben zu müssen. Wenn ich mein Geld habe, bin ich weg. Auf jeden Fall suche ich mir eine andere Arbeit."

150 Fahrer im Streik

Durchhalten wollen sie auf jeden Fall, die mittlerweile rund 150 Fahrer, die vor allem aus der Kaukasusrepublik Georgien, aus Usbekistan, Tadschikistan und Kasachstan kommen. Manche wirken zur Zeit dennoch ein wenig mutlos, vergewissern sich bei Journalisten, die im Frühjahr bereits über den ersten Streik von etwa 60 Fahrern in Gräfenhausen berichtet hatten, wie es damals war: "Wie lange standen die in Gräfenhausen - und sie haben wirklich die gesamte Summe erhalten?"