A5-Raststätte Gräfenhausen Spediteur zeigt streikende Lkw-Fahrer an - wegen Erpressung

Der Streit zwischen den streikenden Lkw-Fahrern an der A5 bei Gräfenhausen und ihrem polnischen Spediteur eskaliert. Nun hat der Arbeitgeber Anzeige bei der Staatsanwaltschaft in Darmstadt erstattet. "Eine bodenlose Frechheit", findet der Deutsche Gewerkschaftsbund.

Streikende LKW-Fahrer bekleben die Außenplane eines Fahrzeuges "Mazur Debtor - No Money", um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.
Streikende Lkw-Fahrer bekleben die Außenplane eines Fahrzeuges "Mazur Debtor - No Money", um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Bild © picture-alliance/dpa
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Im Streik osteuropäischer Fernfahrer wegen offener Lohnforderungen hat der polnische Spediteur Anzeige erstattet. "Im Rahmen der Anzeige wird neben anderen Delikten auch der Vorwurf der Erpressung erhoben", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt.

"Ob und inwieweit die erhobenen Vorwürfe zutreffen und wie der Sachverhalt rechtlich zu bewerten sein wird, ist Gegenstand der Ermittlungen."

DGB: Opfer werden zu Tätern gemacht

Ein Firmensprecher sagte, der Unternehmer sei in der vergangenen Woche bei der Staatsanwaltschaft in Darmstadt gewesen. Gespräche mit den Fahrern, die seit rund zwei Wochen an der A5-Raststätte Gräfenhausen bei Weiterstadt (Darmstadt-Dieburg) streiken, habe es nicht gegeben.

Michael Rudolph, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Hessen-Thüringen, bezeichnete das Vorgehen des Unternehmers als "bodenlose Frechheit". Das sei der Versuch, Opfer zu Tätern zu machen. Der Spediteur solle den Fahrern endlich das ihnen zustehende Geld zahlen. Stattdessen versuche dieser nun, "die Fahrer in Gräfenhausen nun zu kriminalisieren, ihnen die Lkw und damit ihre Unterkunftsmöglichkeiten wegzunehmen und sie loszuwerden", erklärte Michael Rudolph.

Viele Fahrer würden in Abhängigkeitsverhältnisse gedrängt, kritisierte das Beratungsnetzwerk des DGB, Faire Mobilität. Man spreche seit Jahren mit Fahrern unterschiedlicher Herkunft, sagte Sprecherin Anna Weirich: "Die schlimmsten Ausbeutungsfälle beobachten wir bei Fahrern aus Drittstaaten, denn ihr Aufenthalt hängt am Arbeitsverhältnis."

Rund 150 Fahrer warten nach eigenen Angaben auf Lohn

Die mittlerweile rund 150 Fahrer, die vor allem aus Georgien, Usbekistan, Kasachstan und Tadschikistan kommen, geben an, seit bis zu fünf Monaten keinen Lohn erhalten zu haben. Sie wollen den Streik auf der Autobahnraststätte Gräfenhausen fortsetzen, bis der letzte von ihnen sein Geld erhalten hat. So kündigte jüngst einer der Streikenden an: "Wir bleiben. Der Streik dauert. Und wenn es bis zum Tod ist."

Seit Anfang vergangener Woche habe es keine Überweisungen mehr gegeben, sagte eine Sprecherin des Beratungsnetzwerks "faire Mobilität".

Bereits vor gut drei Monaten waren in Gräfenhausen rund 60 Fahrer derselben Spedition in den Streik getreten und konnten nach sechs Wochen ihre Forderungen durchsetzen. Ihr Arbeitskampf sorgte auch für stärkere Aufmerksamkeit für die Arbeitsbedingungen im internationalen Gütertransport.

Gepanzerter Wagen sorgt für juristisches Nachspiel

Bei der geplanten Zerschlagung des ersten Streiks hatte der Spediteur im wahrsten Sinne des Wortes schwere Geschütze aufgefahren. Er beauftragte den in Polen prominenten Detektiv Krzysztof Rutkowski. Dieser fuhr mit einer Privatmiliz und einem panzerähnlichen Fahrzeug auf dem Rastplatz vor, um die Fahrer unter Druck zu setzen.

Ein Großaufgebot der Polizei verhinderte damals eine gewalttätige Eskalation. Wie kürzlich bekannt wurde, ermittelt die Staatsanwaltschaft Darmstadt in diesem Zusammenhang gegen den Fahrzeugführer und den Veranlasser der Fahrt: Der gepanzerte Geländewagen der Marke AMZ TUR VI könnte nämlich unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen. Eine Genehmigung für die Einfuhr bestand offenkundig nicht.

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Sendung: hr-iNFO, 1.8.2023, 16 Uhr

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Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe