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Geld, Tablets und Co.: Vermittlungsprämien für Azubis

"Azubis gesucht" steht auf einem Banner am Stand beim Forum Berufsstart Mitteldeutschland.

Egal ob in der Industrie, im Handel oder im Handwerk: Immer mehr Betriebe in Hessen können ihre Ausbildungsstellen nicht besetzen. In diesem Jahr ist das Problem besonders groß.

Seit dem 1. August läuft das neue Ausbildungsjahr, doch es sind immer noch nicht alle Stellen besetzt. Die Kluft zwischen offenen Stellen und passenden Bewerbern sei in diesem Jahr besonders groß, berichtet Astrid Heydecke, Teamleiterin der Berufsberatung bei der Arbeitsagentur Marburg.

"Wir haben mehr Ausbildungsstellen als in der Vergangenheit und gleichzeitig weniger Bewerber als in den vorangegangenen Jahren", sagt sie. Etwa ein Drittel mehr unbesetzte Stellen seien es diesmal.

Corona-Pandemie wirkt nach

Für das ganze Bundesland meldete die Regionaldirektion Hessen noch rund 10.270 Bewerberinnen und Bewerber ohne Ausbildungsvertrag. Derweil seien noch etwa 14.690 Ausbildungsplätze unbesetzt (Stand: Ende Juli). Allein in und um Marburg sind noch über 700 Stellen offen.

Heydecke und ihr Team vermuten verschiedene Ursachen für die besonders große Kluft, darunter vor allem die Corona-Pandemie: "Viele unserer Beratungs- und Vermittlungsangebote sind ausgefallen", erklärt Heydecke, "Praktika konnten nicht oder nur erschwert stattfinden."

Tendenz zum weiteren Schulbesuch

Zudem habe die Pandemie die Tendenz verstärkt, nach dem Mittleren Abschluss weiter zur Schule zu gehen oder nach dem Abitur zu studieren, berichtet Heydecke. Manche Schüler wiederholten Klassen, um fehlenden Schulstoff aufzuarbeiten.

"Bei einigen Jugendlichen ist es wohl so, dass sie sich nicht trauen, eine Ausbildung zu machen", sagt Heydecke. "Die haben ja mitbekommen, dass es in vielen Bereichen Kurzarbeit, Betriebsschließungen oder Entlassungen gab. Das hat sie nachhaltig verunsichert."

Viele Jugendliche "nicht mehr greifbar"

Bemerkenswert sei auch, dass auffallend viele Jugendliche nirgends mehr registriert, also komplett aus dem System gefallen seien: "Die sind nicht mehr greifbar, das berichten auch Jugendberater", sagt Heydecke. Deswegen mache die Agentur für Arbeit inzwischen auch Berufsberatungen zusammen mit Sportvereinen, um außerhalb der Schule "an die Jugendlichen heranzukommen".

Ein schon länger bekannter Faktor sei der demografische Wandel, ergänzt Brigitte Scheuerle, Leiterin des Bereichs Berufliche Bildung beim Hessischen Industrie- und Handelskammertag (HIHK). Jahr für Jahr gehen mehr ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Rente, als Jugendliche die Schulen verlassen. 2022 waren die Abschlussjahrgänge um acht bis zehn Prozent kleiner als 2021.

Lange und teure Wege zu Berufsschulen

Von einem weiteren wichtigen Aspekt berichtet Andreas Simon, kaufmännischer Leiter des Unternehmens ITG Induktionsanlagen in Hirschhorn (Bergstraße): Lange Wege zu den Berufsschulen schreckten Auszubildende ab, so dass Simon von acht Ausbildungsplätzen gerade einmal einen besetzt hat - obwohl es durchaus viele Interessenten für eine Ausbildung zum Mechatroniker gäbe.

Doch das Unternehmen liegt am äußersten Rand des Kreises Bergstraße, die Berufsschule im mehr als 50 Kilometer entfernten Bensheim. Das bedeutet für die Auszubildenden an Berufsschultagen Stress und hohe Kosten.

Lange konnten die Azubis des Unternehmens noch auf eine Berufsschule in Baden-Württemberg gehen, rund 20 Minuten entfernt. Dass das nicht mehr möglich ist, liegt ausgerechnet daran, dass es insgesamt inzwischen zu wenige Auszubildende gibt: In Hessen müssen die Klassen gefüllt werden, um die dortigen Berufsschulen erhalten zu können.

Besonders viele offene Stellen in Fulda

Trauriger Spitzenreiter bei der Diskrepanz zwischen offenen Stellen und Bewerbern ist der Raum Fulda. Hier kommt nach Angaben der Regionaldirektion Hessen statistisch gesehen ein Bewerber auf 3,6 Stellen. Das liege zum einen an der relativ hohen Ausbildungsquote der örtlichen, mittelständisch geprägten Betriebe, zum anderen ziehe es weiterhin viele junge Menschen eher ins Ballungsgebiet Rhein-Main, berichtet die örtliche Arbeitsagentur.

Besonders viele offene Stellen gebe es im kaufmännischen Bereich, "der einfach an sich schon sehr groß ist", wie Astrid Heydecke sagt. Auch im Pflegebereich seien viele Stellen unbesetzt, was am schlechten Image dieser Berufe liege.

"Direkter Kontakt das allerwichtigste"

Hessenweit arbeiten Agenturen und Unternehmen nun daran, möglichst viele offene Stellen doch noch zu besetzen. Die Arbeitsagenturen konnten ihre Informationsveranstaltungen an Schulen wieder aufnehmen, "was sehr gut lief", wie Heydecke betont. Aktuell organisieren sie zudem Last-Minute-Vermittlungsaktionen oder Bildungsmessen (etwa in Fulda am 9. und 10. September).

Für Brigitte Scheuerle vom HIHK ist derweil entscheidend, dass wieder Praktika möglich sind: "Der direkte Kontakt mit den jungen Menschen ist das allerwichtigste, um ihnen bei der Berufswahl zu helfen."

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