Protagonisten beim Kirchentag in Gernsheim (von links): Stella Berker, Florian Förster, Lotte Reeh., Marcel Merbach

Vier Tage lang den Glauben feiern: Nach zwei Jahren Corona-Pause werden beim Jugendkirchentag der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau über 4.000 junge Menschen erwartet. Hier erzählen vier von ihnen, was sie daran reizt.

Videobeitrag

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Jugendkirchentag in Gernsheim

hessenschau vom 16.06.2022
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Es geht ums Feiern in der Gemeinschaft,um neue Kontakte, den Austausch über aktuelle Themen und natürlich um den Glauben. Beim Jugendkirchentag der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Gernsheim (Kreis Groß-Gerau) stellen sich unter dem Motto "Heute. Zusammen. Für Morgen!" Fragen zu sozialer Gerechtigkeit, nachhaltigem Leben und Identität. Teil des Jugendkirchentages sind außerdem Konzerte und Partys.

Zu dem Glaubensfestival vom 16. bis 19. Juni werden mehr als 4.000 junge Menschen erwartet. Was verbindet sie? Wie erleben sie die Kirche, die angesichts sinkender Mitgliedszahlen auch in einer Krise steckt? Was bedeutet für sie der Glaube an Gott? Wir haben vier Mitglieder der EKHN gefragt.

"In der Kirche bekomme ich viel Feedback und Wertschätzung"

Stella Berker, Studentin, 24 Jahre alt, aus Rödermark (Kreis Offenbach), aktiv in der Evangelischen Kirche Rödermark-Oberroden und im Dekanat Dreieich-Rodgau

Stella Berker sitzt auf einer Mauer an einem Hafen

"Die Gemeinde ist für mich ein Ort, den ich in meiner Konfirmationszeit kennen gelernt habe und danach vor allem im Ehrenamt. Die Kirche ist für mich so auch ein Stück Zuhause geworden, weil ich dort wahnsinnig tolle Menschen kennen gelernt habe.

Außerdem ist die Kirche für mich ein Ort, an dem ich mich selbst und meine Hobbys und meine Interessen total gut entdeckt habe und ausüben kann. Dort kann ich mich einbringen und bekomme ganz viel Feedback und Wertschätzung zurück. Und ich konnte dort zu mir selbst finden und habe schließlich dort auch mein Berufsziel, die Gemeindepädagogik entwickelt. Ich will gerne anderen jungen Menschen das weitergeben, was ich dort erleben konnte.

Zitat
„In meinem Glauben habe ich Sicherheit gefunden, dass ich als queerer Mensch angenommen werde und dass ich wertvoll bin.“ Stella Berker Stella Berker
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Über mein Ehrenamt in der Kirche habe ich auch noch mal eine ganz andere Beziehung zu meinem Glauben und zu Gott finden können. Ich bin in der Gemeinde-Jugendvertretung und spiele in verschiedenen Jugend-Bands. Im Glauben finde ich ganz viel Halt und ganz viele Dinge, die mir Haltung geben in meinem Leben.

Für mich ist einer der wichtigsten Glaubensinhalte, dass alle Menschen gleich wertvoll sind. Und dass wir uns gegenseitig wertschätzen und unterstützen - gerade weil wir in einer Gemeinschaft leben. Das hat mir schon ganz viel Sicherheit gegeben, weil ich selbst queer bin und auch sehr offen geoutet bin. In meinem Glauben habe ich Sicherheit gefunden. Auch wenn viele das so vielleicht nicht erwarten würden. Aber dort weiß ich, dass ich angenommen bin, dass ich wertvoll bin und dass ich so auch anderen Menschen begegne.

Für mich bedeutet an Gott zu glauben, dass ich nicht alleine bin in allen meinen Lebenslagen und allen meinen Emotionen. Und dass ich immer mit jemandem quatschen kann, der mein Herz ganz genau kennt und genau weiß, was mich bewegt."

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EKHN

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat insgesamt 1.446.971 Mitglieder (Stand: Januar 2022). 33 Prozent der Mitglieder befinden sich im Altersspektrum von 0 bis 35 Jahren.
Im Jahr 2020 gab es 18.411 Kirchenaustritte. Rund 51 Prozent dieser Menschen waren unter 35 Jahre alt.
Zudem wurden im Jahr 2020 im Gebiet der EKHN 5.131 Menschen getauft und 19.467 Menschen bestattet.

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"Mein Glaube hat mir während Corona und seit dem Ukraine-Krieg geholfen"

Marcel Merbach, Student, 20 Jahre alt, aus Büttelborn (Groß-Gerau), aktiv in der Evangelische Kirche Büttelborn und in der Jugendvertretung des Dekanats Groß-Gerau/Rüsselsheim

Marcel Merbach sitzt in einem Biergarten am Tisch

"Kirche bedeutet für mich erst mal weniger direkt der Glaube, sondern mehr die Gemeinschaft, die ich dort erlebe. Beispielsweise durch die Theatergruppe der Kirchengemeinde Büttelborn, wo ich spiele. Dort habe ich viele Freunde kennen gelernt. Da stehen für mich der Glaube eher im Hintergrund und der Spaß am Theaterspielen im Vordergrund. Trotzdem ist dadurch die Bindung an die Kirchengemeinde sehr stark.

Durch meine Konfirmation hat sich dann der Glaube bei mir eingeprägt. Er hat mir auch während Corona oder jetzt seit dem Ukraine-Krieg sehr geholfen. Für die Menschen in der Ukraine haben wir angefangen, Friedensgebete zu halten. Das hat mir Kraft gegeben, in die Kirche zu gehen und dort mit ein paar Leuten daran zu denken und dafür zu beten, dass der Krieg aufhört.

Trotzdem geht es mir hauptsächlich um die Gemeinschaft in der Kirche. Ich bin regelmäßig im Gottesdienst. Ansonsten würde ich aber sagen, dass man es mir nicht ansieht, dass ich gläubig bin. Man merkt es nicht, wenn ich nicht gerade in der Kirche bin.

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„Ich unterscheide mich nicht von jemandem, der nicht in der Kirche ist. Andere sind ehrenamtlich im Sportverein aktiv. So hat jeder seine Hobbys.“ Marcel Merbach Marcel Merbach
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Ich würde auch nicht sagen, dass ich meinen Glauben so bewusst lebe. Seit der Grundschule oder seitdem ich weiß, dass es Gott gibt, ist es für mich normal, so zu leben, wie ich lebe. Ich gehe in den Gottesdienst, aber ansonsten lebe ich einfach nach meinen Werten und auch nach den zehn Geboten. Es ist nicht so, dass es mir aktiv auffallen würde, dass ich Dinge nur deshalb mache, weil ich an Gott glaube.

Ich würde auch nicht sagen, dass ich mich von jemandem unterscheide, der nicht in der Kirche ist. Ich bin ehrenamtlich in der Kirchengemeinde sehr aktiv. Jemand anderes ist dafür ehrenamtlich im Sportverein aktiv. Da hat jeder seine Hobbys."

"Damit, was in Gottesdiensten erzählt wird, kann ich mich oft nicht identifizieren"

Lotte Reeh, Schülerin, 17 Jahre alt, aus Biedenkopf, aktiv in der Evangelischen Jugend Biedenkopf-Gladenbach

Lotte Reeh steht vor einem Baum

"Mit der Kirche im klassischen Sinne assoziiere ich ehrlicherweise eher etwas Langweiliges, weil ich persönlich wirklich keine Kirchgängerin bin. Mit den Dingen, die in einem Gottesdienst erzählt werden, kann ich mich zum Teil einfach nicht identifizieren. Dort werden Aussagen oftmals direkt aus der Bibel genommen, dann aber nicht aufs Heutige übertragen. Das empfinde ich teilweise als sehr steif.

Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass ich die evangelische Jugend gefunden habe, weil ich da meinen Glauben wirklich ausleben kann. In der evangelischen Jugend werden die Dinge, die in der Bibel gesagt werden, auch auf die heutige Gesellschaft übertragen.

Das finde ich wichtig, denn im Gegensatz zu früher gibt es heutzutage weitere Normen und weitere Werte - sei es das Thema Homosexualität, seien es die Rechte von Frauen. Das finde ich superwichtig, denn die Bibel ist sehr alt. Und die Gesellschaft früher, als die Bibel verfasst wurde, war anders. Gesellschaft entwickelt sich.

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„Ich bin der Meinung, dass sich der christliche Glaube und die Wissenschaft gut miteinander vereinbaren lassen - etwa in Bezug auf die Evolution.“ Lotte Reeh Lotte Reeh
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Der Glaube an sich bedeutet mir viel. Der Glaube ist für mich etwas, woran man sich festhalten kann. Der einem auch den Zugang zu einer Gemeinschaft gibt. Wenn man an das Gleiche glaubt und am Gleichen festhält, dann hat man damit eine ganz große Gemeinsamkeit in seinem Leben, die sehr verbindet.

Ich glaube auch, dass es einen Gott gibt, der uns und alles um uns herum erschaffen hat und der will, dass es uns gibt. Trotzdem glaube ich auch, dass es bei vielen Jugendlichen heutzutage so ist, dass in diesem Zusammenhang immer mehr mit der Wissenschaft argumentiert wird. Ich bin aber der Meinung, dass sich der christliche Glaube und die Wissenschaft gut miteinander vereinbaren lassen.

Letztlich ist die evangelische Jugend für mich auch ein großer Teil meiner Freizeitgestaltung. Ich spiele dort in einer Band und habe mindestens einmal die Woche einen Termin, wo ich zum Beispiel etwas für Jugendgottesdienste vorbereite. Für mich ist das so ein bisschen wie mein Fels in der Brandung. Wenn es zum Beispiel in der Schule stressig ist, dann kann ich dort hinkommen und fühle mich direkt wohl. Das ist einfach schön."

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Rund 4.000 Teilnehmer beim Jugendkirchentag in Gernsheim erwartet

Protagonisten beim Kirchentag in Gernsheim (von links): Stella Berker, Florian Förster, Lotte Reeh., Marcel Merbach
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"Überall, wo Menschen zusammenkommen, ist für mich Kirche"

Florian Förster, Erzieher, 22 Jahre alt, aus Ginsheim-Gustavsburg (Groß-Gerau), aktiv in der Evangelischen Kirche Ginsheim und in der Jugendvertretung des Dekanats Groß-Gerau/Rüsselsheim

Florian Förster sitzt auf einem Stein

"Für mich heißt Kirche eigentlich Gemeinschaft. Dass man mit anderen Jugendlichen zusammenkommt und sich austauscht. Und dass man beispielsweise auch über die Sinnfrage seines Lebens reden kann.

Somit ist die Kirche für mich natürlich viel mehr als nur der Gottesdienst in der Kirche. Der Gottesdienst ist ein Instrument der Kirche. Aber es gibt natürlich viel mehr: die Jugendarbeit, die Arbeit mit älteren Menschen. Also eigentlich überall, wo Menschen zusammenkommen, ist für mich Kirche.

Was für mich Glaube bedeutet, ist irgendwie schwer zu formulieren. Ich würde sagen, dass es für mich schon irgendwie etwas Fantastisches ist. Der Glaube ist auch in allen Lebenslagen mit dabei, er ist sozusagen eine innere Grundhaltung für mich. Mir gibt der Glaube Halt und Sicherheit und auch Hoffnung. Es ist aber nicht wirklich objektiv zu verstehen, für mich ist das etwas sehr Subjektives.

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„Jeder sucht doch für sich den Sinn seines Lebens. Dafür muss sie oder er aber nicht in der Kirche sein.“ Florian Förster Florian Förster
Zitat Ende

Es ist jetzt aber auch nicht so, dass ich beim Essen oder vor dem Schlafen immer beten würde. Solche Rituale brauche ich für meinen Glauben nicht. Ich würde auch nicht sagen, dass es einen grundlegenden Unterschied zwischen Menschen gibt, die in der Kirche sind und denen, die nicht in der Kirche sind. Nur weil jemand nicht in der Kirche ist, ist er ja nicht grundlegend anders. Ich glaube, dass jeder irgendwie seinen Sinn des Lebens sucht. Dafür muss man nicht unbedingt in der Kirche sein.

Für mich ist es natürlich auch irgendwie ein Hobby, mich in der Kirche zu engagieren. Andere gehen vielleicht in den Sportverein. Für mich ist es die Kirche. Dort habe ich meine Freunde und meine Aktivitäten. Für mich ist das auch ein Ausgleich zur Arbeit und damit mein Ruhepol. Wenn ich einen anstrengenden Tag hatte, kann ich dort runterkommen."

Protokolle: Sophia Luft

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