Eine Patientin sitzt auf einem Krankenhausbett, neben ihr ein Arzt in weißem Kittel.

Viele Menschen kämpfen mit den Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung. Die Bundesregierung will sie mit einer Initiative stärker unterstützen. Long-Covid-Betroffene in Hessen bewerten die Pläne unterschiedlich.

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Unterschiedliche Reaktionen auf Hilfen für Long-Covid-Betroffene

Eine Frau mit Brille und schwarzem Top steht vor einer Backsteinwand.
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Asthma, Erschöpfung, Schüttelfrost, Konzentrationsprobleme: Mit diesen Symptomen kämpft Nadine Scheu aus Gießen-Lützellinden seit drei Jahren. Immer wieder wird die alleinerziehende Mutter von Krankheitsschüben getroffen, denn sie leidet an Long Covid. Früher arbeitete Scheu als Notarfachangestellte – heute geht das wegen ihrer Erkrankung nicht mehr. Die Familie lebt von Bürger- und Kindergeld.

"Vorher war ich nie groß anfällig für irgendetwas, aber Corona hat mich komplett umgehauen", erzählt Scheu im hr-Gespräch. Unter den Folgen der Infektion leidet sie noch heute: Immer wieder hat sie Wortfindungsstörungen, oft wird sie schon nach geringer Anstrengung von einer bleiernen Müdigkeit überwältigt. Sie sei manchmal mit der Betreuung ihrer Kinder und der Hausarbeit überfordert, erzählt Scheu.

Als größte Belastung empfindet die 46-Jährige, dass viele Menschen Long Covid belächelten und nicht ernst nähmen. Nadine Scheu versucht momentan, eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen. Doch dabei stoße sie auf Widerstand und viel Bürokratie, berichtet sie. "Es gibt so wenige Anlaufstellen, wo wirklich jemand mit Ahnung sitzt."

Long Covid: Bundesregierung will Experten und Betroffene vernetzen

An dieser Stelle will nun die Bundesregierung mit einer neuen Initiative ansetzen. Wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Mittwoch in Berlin erklärte, sollen 41 Millionen Euro in die Erforschung von Long Covid investiert werden.

Zu der Initiative gehört auch eine neue Website, die das vorhandene Wissen zu Long Covid für Betroffene sowie Ärztinnen und Ärzte zusammenfassen soll. Im Herbst will Lauterbach außerdem zu seinem Runden Tisch einladen, bei dem sich verschiedene Beteiligte über ihre Erfahrungen mit Long und Post Covid austauschen sollen. Es gehe auch darum, Expertinnen, Experten und Betroffene zusammenzubringen. "Die Long-Covid-Kranken erwarten zu Recht, dass wir uns um sie kümmern", erklärte der Minister.

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"Long Covid" bezeichnet längerfristige, gesundheitliche Beeinträchtigungen nach einer Covid-19-Infektion, die über die akute Krankheitsphase von etwa vier Wochen hinaus gehen. Nach zwölf Wochen wird in der Literatur von "Post Covid" gesprochen. Der Einfachheit halber wird in diesem Text einheitlich von Long Covid gesprochen, da sich dieser Terminus im Sprachgebrauch auch bei länger dauernden Symptomen durchgesetzt hat.

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Wetzlarer Ärztin befürwortet Runden Tisch

Zu den Befürwortern der Pläne gehört Claudia Ellert. Die Fachärztin für Chirurgie aus Wetzlar leidet selbst seit zwei Jahren an Long Covid. Sie hält den geplanten Runden Tisch für besonders wichtig. "Für mich ist das die Lösung des Problems. Ohne Betroffene geht es nicht."

Eine Frau mit kurzen blonden Haaren und rosa T-Shirt steht in einem Park.

Aus medizinischer Sicht gehe es darum, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern, aus politischer Sicht um mehr Teilhabe. "Wir ziehen also an einem Strang", so Ellert.

Dass für die Pläne von Gesundheitsminister Lauterbach nach Kürzungen beim Bundeshaushalt nun nicht mehr 100 Millionen Euro, sondern nur noch 41 Millionen zur Verfügung stehen, stört Ellert nicht. "Es hilft nicht, wenn man Unmengen Geld ins System pumpt, das aber nicht bei den Betroffenen ankommt." Die angepeilten 41 Millionen Euro seien ein Start. "Das ist eine Summe, mit der man sicherlich etwas machen kann", so die Ärztin.

Betroffener kritisiert: "Warum nicht schon vor zwei Jahren?"

Unzufrieden dagegen ist André Fouraté aus Büdingen (Wetterau), der seit Anfang 2022 von Long Covid betroffen ist. Er hätte sich schon damals mehr Hilfe vom Staat gewünscht. "Man fragt sich, warum es die Maßnahmen nicht schon vor zwei Jahren gab – so wie in den USA zum Beispiel, wo sehr früh sehr viel Geld bereitgestellt worden ist." Diese Unterstützung fehle den Betroffenen nun und müsse aufgeholt werden.

Er vermisst außerdem eine Stärkung von Kompetenzzentren und Ambulanzen, die auf die Versorgung von Long-Covid-Patienten spezialisiert sind. "Die Charité (in Berlin, Anm. d. Red.) und Marburg sind die ersten, die genannt werden. Dann gibt es noch zwei, drei Stellen – und das war's dann."

Fouraté ärgert sich außerdem, dass aus seiner Sicht Bürokratie und Hindernisse für Long-Covid-Betroffene nicht abgebaut werden. Besonders betroffen seien diejenigen, die wegen ihrer Krankheit nicht mehr in Vollzeit oder gar nicht mehr arbeiten können. "In einem Land, das so stark an einem angeblichen Fachkräftemangel leidet, verstehe ich nicht, wie man Fachkräfte so alleine lässt."

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