Eine große Fotografie von Venedig im Eingangsbereich der Städelausstellung "Italien vor Augen"

Der schiefe Turm von Pisa, Rom, die Seufzerbrücke in Venedig: Italien hat viele Sehnsuchtsorte. Wie sie dazu wurden, zeigt eine Foto-Ausstellung im Städel Museum Frankfurt mit Fotos aus einer Zeit, als es noch keine Bildpostkarten gab.

"Komm ein bisschen mit nach Italien, komm ein bisschen mit ans blaue Meer…" - das Banner für die neue Ausstellung im Städel Museum in Frankfurt liegt optisch "irgendwo zwischen Caterina Valente und Pizzakarton", wie Städel-Direktor Philipp Demandt sagt.

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Städel Frankfurt zeigt frühe Italien-Fotografien

Plakat Städel-Ausstellung "Italien vor Augen"
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Ganz so blau wie in dem Valente-Schlager von 1956 ist es dann in der Foto-Ausstellung "Italien vor Augen. Frühe Fotografien ewiger Sehnsuchtsorte" nicht. Kann es ja gar nicht, denn gezeigt werden Fotografien aus dem liebsten Reiseland der Deutschen, die lange vor der Erfindung des Farbfilmes entstanden sind, und zwar in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie stammen aus der Sammlung des Städels.

Motive mit hohem Wiedererkennungseffekt

Die Ausstellung ist ein offener Rundgang vorbei an vielen Italien-Highlights: Venedig, Rom, der schiefe Turm von Pisa, Pompeij, Mailand. Sofort stellt sich der Wiedererkennungseffekt ein: Genau so habe ich in meinem Italienurlaub auch gestanden, quasi das gleiche Bild habe ich auf meinem Handy.

"Genau das zeigt sich in der Ausstellung: Wie sehr gerade Fotografien das kulturelle Bildgedächtnis geprägt haben und dahingehend Italien als ewigen Sehnsuchtsort", sagt die Kuratorin der Ausstellung, Kristina Lemke.

Italien war nah und Goethe machte Lust darauf

Doch warum gerade Italien? Griechenland etwa ist doch auch schön, hat viel Kultur und Lebensfreude. "Italien lag in direkter Nachbarschaft", sagt Lemke. "Griechenland war natürlich wegen der antiken Rezeption sehr interessant, aber einfach sehr weit weg." Wenn man es um 1850 also bis über die Alpen geschafft hatte und in Italien angekommen war, war die Verzauberung groß genug.

Hinzu kam Johann Wolfgang von Goethes "Italienische Reise": sein Reisebericht, der um 1817 erschien und nicht nur den Bildungsaspekt, sondern auch das Vergnügen einer solchen Reise beschrieb und Lust machte auf dieses Land.

Aufwändige Fotos als Vorreiter der Bildpostkarte

Mit dem aufkeimenden Tourismus entstanden in Italien immer mehr Fotostudios, die die Sehenswürdigkeiten fotografieren ließen – in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch ein ungeheurer Aufwand mit stunden- oder tagelangen Belichtungszeiten. Profis zogen mit acht Kilo schweren Kameras durch das Land. "Spontan war an diesen Bildern gar nichts", sagt die Kuratorin der Ausstellung.

Venedig: Blick auf Markusbibliothek, Campanile und Dogenpalast, um 1875

Diese Fotos wurden als wertvolle und beliebte Souvenirs von den Reisenden gekauft oder im internationalen Versandhandel verschickt. Die Bilder verbreiteten sich in der Welt, die Motive wurden zu Sehnsuchtsorten, Forschungsobjekten oder Vorlagen für Maler. "Und sie sind auf jeden Fall die Vorläufer der Bildpostkarte, die es dann ab etwa 1900 gab."

Auch für die Kunstgeschichte, die sich damals als neue Disziplin etablierte, eröffnete die Fotografie ganz neue Möglichkeiten. Eine Bilderserie eines deutschen Auswanderers aus Frankfurt, Georg Sommer – der sich aus Liebe zum Land schon lange Giorgio nannte – vom Ausbruch des Vesuvs bei Neapel gilt als eine der ersten Fotoreportagen.

Instagram bringt Farbe in die Ausstellung

Viele Bauwerke wie der schiefe Turm von Pisa oder die Seufzerbrücke (Ponte dei Sospiri) in Venedig waren im 19. Jahrhundert noch gar nicht populär. Dann entdeckten die Fotografen sie als Motiv, das Bild wurde vielfach geschossen und in die Welt getragen. Heute sind sie millionenfach fotografierte Motive von Touristen aus aller Welt und fehlen in keiner Insta-Story von Italien-Reisenden.

Ein Besucher betrachtet ein Display in der Ausstellung "Italien vor Augen" im Staedel Frankfurt.

Den Beweis erbringt ein Monitor, der neben den historischen Aufnahmen in der Ausstellung hängt. Auf ihm ist in Echtzeit zu sehen, was auf Instagram unter #pontedeisospiri gepostet wird. Gleiches Motiv wie damals, nur in bunt mit immer neuen Selfie-Posen davor. "Daran sieht man sehr eindrücklich, wie sich solche Bildwelten festgesetzt und wie sie sich natürlich auch verändert haben", sagt die Kuratorin Kristina Lemke.

Und ja, so menschenleer wie auf den historischen Fotos ist es in Venedig an keinem Platz – schon lange nicht mehr.

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Was? Wann? Wo?

"Italien vor Augen. Frühe Fotografien ewiger Sehnsuchtsorte"
23. Februar bis 3. September
Ausstellungshalle der Graphischen Sammlung
Städel Museum Frankfurt

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