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"Die drei ??? Kids" für leseschwache Kinder: Logopädinnen schreiben Bücher um

zwei Frauen mit Büchern

Justus, Peter und Bob sind Kult. Auf der Suche nach attraktivem Lesestoff für Kinder mit Lesebeeinträchtigung kamen zwei hessische Logopädinnen auf eine Idee: Sie schrieben Bücher aus der Reihe "Die drei ??? Kids" einfach um. Inzwischen erscheinen ihre Versionen sogar ganz offiziell.

In Rocky Beach ist mal wieder was los. Eigentlich haben Peter, Bob und Justus Jonas gerade Ferien. Doch dann treffen sie den schrulligen Kapitän Larsson, der sich einen kleinen Privatzoo mit exotischen Tieren hält. Als plötzlich alle Tiere an rätselhaften Infektionen erkranken, werden die Jungs neugierig. Steckt dahinter ein düsteres Geheimnis?

Wohl kaum ein Kinderzimmer in den 1990ern, in denen keine Kassette mit Geschichten über die Abenteuer der drei Hobbydetektive rumlag. Bis heute hat die ursprünglich aus den USA stammende Kinder- und Jugendbuchreihe Kultstatus. Millionen Bücher und Hörspiele wurden in Deutschland verkauft, die Reihe wird inzwischen sogar hierzulande produziert.

Auch Christine Michel aus Gießen und Veronika Pfitzenreiter aus Schwalbach am Taunus (Main-Taunus) wissen: "Die drei ???" sind äußerst beliebt. Die Logopädinnen und Dyslexietherapeutinnen fördern seit Jahren Kinder mit Lesebeeinträchtigung.

Bücher ausgelegt

Allerdings stellten sie fest: Viele der Kinder würden gerne die Detektiv-Geschichten lesen, schaffen es aber oft nicht. Zu lange Sätze, zu viele komplizierte Wörter, zu viel Inhalt auf einer Seite - selbst in der Kids-Version, die sich gezielt an jüngere Kinder richtet, erklären sie. Deshalb schrieben sie Bücher aus der Reihe einfach um, damit auch leseschwache Kinder sie lesen können.

Pisa-Studie: Lesekompetenz sinkt seit Jahren

Was die Pisa-Studie erst kürzlich wieder offenbarte, erleben die Logopädinnen jeden Tag in der Praxis: Die Lesekompetenz von Kindern in Deutschland nimmt seit Jahren ab. Jedes vierte Kind gilt inzwischen als leseschwach. Im Vergleich zu 2018 hat der Anteil betroffener Kinder noch einmal um fünf Prozent zugenommen.

Das bedeutet zum Beispiel: Manchen Kindern fällt es noch am Ende der Grundschulzeit schwer, mehrsilbige Wörter zu lesen oder den Inhalt von Sätzen zu erfassen. Gezielte Förderung kann ihnen helfen, ihre Lesekompetenz zu verbessern. Doch dafür brauchen sie geeigneten Lesestoff.

"Haben Bücher gesucht, auf die die Kinder Lust haben"

Christine Michel erklärt: Es gebe zwar durchaus Bücher für leseschwache Kinder auf dem Markt – aber besonders für ältere Kinder sei die Auswahl überschaubar. "Viele Bücher richten sich inhaltlich eher an jüngere Kinder oder sie sind schon auf den ersten Blick so aufgemacht, dass sie sofort als Förderbuch erkennbar sind."

Sie hätten Bücher gesucht, auf die die Kinder "so richtig Lust haben und die sie gerne lesen wollen", so Pfitzenreiter. Die Logopädinnen kürzten und vereinfachten dafür Sätze, tauschten lange komplizierte Wörter gegen alltägliche kürzere aus, passten das Schriftbild an, entschlackten den Inhalt.

Bücher aufgeschlagen

Aus "haufenweise" wurde "viele". Der "Fotoapparat" wurde zur "Kamera". Schwierig zu lesende Buchstabenkombinationen, wie etwa das "sch", druckten sie dichter zusammen. Und bei wörtlicher Rede benannten sie genau, wer gerade spricht - damit die Kinder den Überblick behalten, auch wenn sie langsam lesen.

Aus Bastelarbeit wurden gedruckte Bücher

"Am Anfang war das eine ganz große Bastelarbeit", erinnert sich die Logopädin Michel. "Wir haben die Sätze ausgedruckt, ausgeschnitten und in die Originalbücher reingeklebt." Das Ergebnis sei zwar durchaus nutzbar gewesen. "Aber das bedeutet natürlich sehr viel Arbeit, sehr dicke Bücher und man hat dann ja am Ende auch nur ein Exemplar."

Die Logopädinnen fragten also beim Franckh-Kosmos-Verlag nach, ob sie nicht auch ganz offiziell Bücher aus der Reihe umschreiben und als Version für Kinder mit Lesebeeinträchtigung herausbringen dürften. Nach einigen Gesprächsrunden bekamen sie schließlich die Genehmigung. Inzwischen sind sechs Bücher aus der Reihe als sogenannte Edition Lesen Plus im Prolog Verlag erschienen, einem logopädischen Fachverlag.

Aufgeschlagenes Buch mit eingeklebten Sätzen

Orientiert am Lesbarkeitsindex LIX

Beim Umschreiben hätten sie sich am sogenannten LIX-Index orientiert, erklären die Logopädinnen. Der definiert, wie schwer ein Text zu lesen ist. Dabei werden die Anzahl der Wörter, der Sätze und die der langen Wörter mit mehr als sechs Buchstaben miteinander verrechnet.

Veronika Pfitzenreiter erklärt: "Die Bücher entsprechen jetzt in etwa einem LIX-Index der Lesestufe 2." Bei der Analyse der Originalbücher hätten sie zum Teil einen Schwierigkeitsgrad bis zu Lesestufe 8 festgestellt.

Es handelt sich daher nicht um klassische Erstlesebücher, bunte Silben-Lern-Bücher oder Bücher in "Leichter Sprache", die etwa für die Barrierefreiheit eingesetzt werden.

Auch geeignet für Schulklassen

Wichtig sei ihnen außerdem, dass sich die Bücher optisch möglichst wenig vom Original unterscheiden. Zudem sei der Inhalt in beiden Versionen auf jeder Seite weitgehend gleich – nur eben etwas anders formuliert und gedruckt.

Dadurch könnten zum Beispiel Schulklassen mit unterschiedlich lesestarken Kindern gemeinsam die Bücher lesen und sich über den Inhalt in der Klasse austauschen, ohne dass dabei groß auffällt, dass einige Kinder eine Förder-Variante nutzen.

Aber nicht nur in der Schule könnten die Bücher genutzt werden, erzählen die Logopädinnen. Immer wieder würden ihnen auch Eltern Nachrichten schicken mit Fotos, die zeigen, wie ihre Kinder im Urlaub "Die drei ???" lesen.

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