Eine Gruppe von Menschen läuft an dem Gerüst vorbei, an dem bis vor kurzem die umstrittene künstlerische Arbeit hing. Im Hintergund der Friedrichsplatz und das Fridericianum. (Vogelperpsektive)

Die documenta 15 kommt nicht aus den Schlagzeilen. Der bisherige Vorsitzende des documenta-Forums ist zurückgetreten. Er hatte den Abbau des umstrittenen Kunstwerks von Taring Padi kritisiert. Derweil entschuldigte sich das Kuratorenteam Ruangrupa erstmals öffentlich.

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Streit um documenta geht weiter

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Das Kuratorenkollektiv Ruangrupa hat sich für die antisemitischen Motive auf dem Werk "People's Justice" entschuldigt. "Wir haben alle darin versagt, in dem Werk diese klassischen antisemitischen Figuren zu entdecken", schreibt das Kollektiv am Donnerstag in einem Statement auf der Website der documenta 15. "Es ist unser Fehler. Wir entschuldigen uns für die Enttäuschung, die Schande, Frustration, Verrat und Schock, die wir bei den Betrachtern verursacht haben."

Ein solches Statement der aus Indonesien stammenden Kuratoren der Weltkunstschau war seit Tagen erwartet worden. Das Kollektiv schreibt weiter, es würde "jetzt vollkommen verstehen", dass die Bilder nahtlos an die schlimmste Zeit der deutschen Geschichte anschließen, in der Juden in einem bis dahin unvorstellbaren Ausmaß verfolgt und ermordet wurden.

"Es ist ein Schock nicht nur, aber spezifisch für die jüdische Gemeinde in Kassel und in ganz Deutschland, die wir als unsere Verbündeten betrachten und die bis heute unter dem Trauma der Vergangenheit leben, Diskriminierung, Vorurteile und Marginalisierung erfahren." Die Kuratoren wünschen sich, den begonnenen Dialog fortzusetzen und über die Geschichte des Antisemitismus zu lernen.

Weitere Negativschlagzeilen

Zuvor hatte hatte die Weltkunstschau weitere Negativschlagzeilen gemacht. Das documenta-Forum distanzierte sich nach einem Interview von seinem bisherigen Vorsitzenden. Jörg Sperling trat daraufhin mit sofortiger Wirkung zurück. Er hatte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa kritisiert, dass das als antisemitisch empfundene Kunstwerk von Taring Padi auf der Kasseler Kunstausstellung "auf politischen Druck hin" abgehängt wurde. "Eine freie Welt muss das ertragen", sagte Sperling.

Das documenta-Forum teilte mit, es bedauere Sperlings Äußerungen ausdrücklich. Sie entsprächen ausschließlich der "persönlichen, nicht autorisierten Meinung von Jörg Sperling". Das Interview sei mit den übrigen Vorstandsmitgliedern nicht abgestimmt gewesen; die anderen Mitglieder des Vorstandes hielten "Bilddarstellungen in der Manier des 'Stürmer' für absolut inakzeptabel".

"Das schärft die Positionen"

Jörg Sperling bestätigte seinen vom Forum kommunizierten Rücktritt. Er stehe zu seinen Aussagen, sagte er am Donnerstag. Er habe persönlich auch viele positive Rückmeldungen bekommen. Über sein Ausscheiden sei er "nicht unglücklich", ebenso wenig wie über die dadurch ausgelöste Debatte: "Das schärft die Positionen."

Das documenta-Forum wurde 1972 von Arnold Bode als Förderverein der documenta gegründet. Es unterstützt nach eigenen Angaben die documenta-Idee und alle mit der documenta verbundenen Institutionen und Objekte.

Bund will wieder mehr Einfluss

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) hat derweil Konsequenzen für die Struktur der Kunstausstellung gefordert. Im Kern will der Bund mehr Einfluss auf die documenta. In einem fünf Punkte umfassenden Plan geht es um Aufarbeitung und Konsequenzen.

"Die Verantwortlichkeiten zwischen vor allem der Geschäftsführung sowie den Kuratorinnen und Kuratoren sowie auch dem Aufsichtsratsvorsitzenden und den Gremien müssen klar geklärt und es müssen daraus Konsequenzen gezogen werden", heißt es. Konkrete Rücktrittsforderungen werden nicht gestellt.

Der Rückzug des Bundes aus dem Aufsichtsrat 2018 bei gleichzeitigem Festhalten an der Bundesförderung wird als "schwerer Fehler" bezeichnet. Das soll sich wieder ändern. "Eine finanzielle Förderung des Bundes soll deshalb zukünftig mit einer unmittelbaren Einbindung in die Strukturen der documenta zwingend verbunden werden."

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Kunstministerin Dorn (Grüne) über documenta: "Entschuldigung war wichtiger Schritt"

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Jüdische Gemeinde beklagt Auswirkungen

Die Jüdische Gemeinde Kassel derweil auf konkrete Auswirkungen der Debatte aufmerksam gemacht. Auf dem Kasseler Friedrichsplatz würden nun anti-israelische Parolen gebrüllt und Schüler anderer Religionen blieben den Veranstaltungen in einem jüdischen Zentrum fern, teilte die Gemeinde gemeinsam mit dem Sara-Nussbaum-Zentrum für Jüdisches Leben in Kassel am Donnerstag mit.

Die Gemeinde betonte, Antisemitismus sei "in keinem Sinn eine Befindlichkeit von Jüdinnen und Juden, sondern eine alltägliche Realität. Es geht nicht um 'negative Gefühle', sondern um unsere Sicherheit in Deutschland."

Ein Werk namens "People's Justice" des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi hatte wegen antisemitischer Bildsprache für eine Welle der Empörung gesorgt. Die Verantwortlichen der documenta hatten zunächst entschieden, das Werk mit schwarzen Stoffbahnen zu verhängen. Am Dienstagabend wurde es dann ganz abgebaut.

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