Mehrere Menschen streiken

Der Streik der Fernfahrer an der Autobahnraststätte Gräfenhausen zwischen Frankfurt und Darmstadt droht zu eskalieren. Die Streikenden haben die Lohnverhandlungen abgebrochen, nachdem ihr Auftraggeber ein Ultimatum verstreichen ließ. Einige drohen nun mit Hungerstreik.

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Streikende Lkw-Fahrer stellen Ultimatum

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Beim Streik osteuropäischer Lastwagenfahrer auf der Raststätte Gräfenhausen an der A5 bei Weiterstadt (Darmstadt-Dieburg) zeichnet sich keine Lösung ab.

Seit einem Monat streiken die mehr als 60 Fahrer, vorwiegend aus Georgien und Usbekistan, für ausstehende Lohnauszahlungen. Nun haben sie die Verhandlungen mit ihrem polnischen Auftraggeber abgebrochen. Einige Fahrer drohen mit einem Hungerstreik.

Das Speditionsunternehmen hatte zuvor ein Ultimatum der Lkw-Fahrer verstreichen lassen, ohne zu reagieren. Nach Angaben der Fahrer sind Löhne in Höhe von rund 98.000 Euro immer noch nicht gezahlt worden, dazu weitere Tagessätze. Vorher hatte das Unternehmen den Fahrern nach Einzelverhandlungen einen Teil des strittigen Geldes überwiesen.

Gewerkschafter: "Raststätte ist Tatort"

Ein niederländischer Gewerkschafter, der in den Verhandlungen eingebunden war, sprach am Freitag von Menschenhandel. Die Raststätte Gräfenhausen sei jetzt offiziell ein Tatort und die deutschen Behörden müssten nun handeln.

Ein mit Hungerstreik drohender Fahrer sagte dem hr: "Wenn wir unser Geld nicht kriegen, sterben wir zur Not auch auf dem Parkplatz. Wir fordern nur das, wofür wir gearbeitet haben." Ihm persönlich sei ein kompletter Monatslohn vorenthalten worden, dazu weitere 1.500 Euro.

Die Streikenden erhalten Unterstützung von Beratern des Beratungsnetzwerks "Faire Mobilität", deutschen und niederländischen Gewerkschaftern sowie von Anwohnern und anderen Fahrern, die Lebensmittel spenden.

Neue Vorwürfe gegen den Speditionsunternehmer

Nach Angaben der "Faire Mobilität"-Beraterin Anna Weirich gibt es auch neue Vorwürfe gegen den Speditionsunternehmer. In Belgien hätten die Behörden einen Lastwagen des Unternehmens konfisziert, hieß es.

Ein junger usbekischer Fahrer, der auf einem anderen Parkplatz gleich auf der anderen Seite der Autobahn ebenfalls die Arbeit niedergelegt habe, habe sich bedroht gefühlt. "Er hat die Polizei gerufen, als plötzlich nachts ein Minibus mit der Aufschrift des Unternehmens und vier Männern da stand", sagte Weirich.

Die Beamten hätten ihn zu seinen Kollegen in Gräfenhausen-West gelotst, wo die Sicherheit leichter zu gewährleisten sei: Seit der Unternehmenschef zusammen mit einem paramilitärisch wirkenden Sicherheitsunternehmen am Karfreitag versucht hatte, die Lastwagen wieder zu übernehmen, fährt die Polizei dort regelmäßig Streife. Gegen Firmenchef und Sicherheitsdienst laufen Ermittlungen.

Streik mit internationaler Tragweite

Der Fall hat mittlerweile weit über den Streik hinaus den Blick auf die Arbeitsbedingungen im internationalen Güterverkehr gelenkt. Die Gewerkschaft Verdi forderte am Freitag verbesserte Regelungen für den Gütertransport auf der Straße.

Es gehe um Durchgriffshaftung, Transparenzpflicht, konsequente Einführung von elektronischen Frachtbriefen sowie Ausweitung behördlicher Kontrollen, um Fahrerinnen und Fahrer vor Ausbeutung und unzumutbaren Lebensbedingungen zu schützen.

Fahrer aus Drittstaaten haben es besonders schwer

"Der Widerstand der Lkw-Fahrer in Gräfenhausen wirft auch ein Schlaglicht auf die Situation von zehntausenden Fahrerinnen und Fahrern in der Europäischen Union", sagte die stellvertretende Vorsitzende Andrea Kocsis.

Standards wie das Recht auf angemessene Bezahlung, Zugang zu sauberem Wasser, Sanitäranlagen und angemessenen Schlafplätzen würden permanent unterlaufen.

"Insbesondere bei Fahrerinnen und Fahrern aus Drittstaaten, deren Aufenthaltsrechte an ihre Arbeitsverträge gekoppelt sind, entstehen zusätzliche Abhängigkeiten von den Arbeitgebern. Hier findet Ausbeutung in besonderem Maße statt", sagte Kocsis.

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