FFP2-Maske auf Tisch, daneben Ei mit AfD-Logo

Impfen, testen, Maske tragen: Nach dem Willen der AfD soll ein U-Ausschuss die Maßnahmen während der Corona-Zeit kritisch aufarbeiten. Wegen der geschrumpften Fraktion droht das Vorhaben zu scheitern. Braucht die AfD die Stimme eines Ex-Fraktions- und Parteimitglieds?

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Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen nicht in Sicht

AfD-Fraktionschef Lambrou (r.) und sein Parteikollege Keko Scholz am Donnerstag im Landtag
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"Das schärfste Schwert der Opposition" – wer sich mit parlamentarischen Untersuchungsausschüssen beschäftigt, kommt an dieser Formulierung nicht vorbei. Aus gutem Grund. Denn während man sonst in der Demokratie stets eine Mehrheit braucht, um etwas zu bewegen, geht ein U-Ausschuss auch ohne. Das soll Minderheiten schützen und die Rolle der Opposition stärken.

Genau dieses scharfe Schwert wollte die Alternative für Deutschland (AfD) in Hessen gerne schnell ziehen. Schon am Tag nach der Wahl kündigte der Co-Landesvorsitzende Andreas Lichert an, dass "seriös und vernünftig" aufgearbeitet werde, "was da alles schiefgelaufen ist". Eine Aufarbeitung der im Zuge der Corona-Pandemie ergriffenen Maßnahmen sei zwingend erforderlich.

AfD nach der Wahl: Projekt mit "hoher Priorität"

Den Zeitpunkt für einen entsprechenden Antrag im Landtag ließ Lichert offen, fügte aber hinzu: "Das wird mit Sicherheit ein Projekt sein, dass mit hoher Priorität angegangen wird." Doch eine Beschlussvorlage gibt es bis heute nicht.

In der vergangenen Legislaturperiode waren U-Ausschüsse für die AfD kein Thema, die Fraktion war schlicht zu klein und hatte keine Verbündeten. Nach 18,4 Prozent bei der Landtagswahl vorigen Herbst aber zog die sie als stärkste Oppositionsfraktion in den Landtag in Wiesbaden ein. Mit 28 Abgeordneten – und damit gerade genug, um aus eigener Kraft einen U-Ausschuss einzusetzen. Mindestens ein Fünftel der Mitglieder des Landtags müssen dem Antrag zustimmen, also 27 von insgesamt 133 Abgeordnete.

AfD-Fraktion im Landtag geschrumpft

Genau da liegt aber für die nun AfD das Problem. Denn die 28 Sitze, die der Partei zustehen, wurden im Landtag so nie besetzt. Zwei Tage nach der Wahl entschied die neue Fraktion, Sascha Herr nicht aufzunehmen. Wegen Kontakten zu Neonazis, lautete damals die Begründung. Herr ist seitdem fraktionsloses Mitglied des Landtags.

Und am 6. März kam der Fraktion ein weiteres Mitglied abhanden: Dirk Gaw verkündete seinen Austritt aus Partei und Fraktion. Im Umfeld der Correctiv-Recherchen rund um "Remigration"-Pläne und die darauffolgenden Proteste gegen die AfD wurde es dem Polizeibeamten zu viel. "Ich habe lange mit mir gehadert und durchgehalten. Aber ich habe einfach keine Kraft mehr", sagte er damals dem hr.

Der Einsetzung eines U-Ausschusses will Gaw nicht zustimmen. Er halte eine Aufarbeitung von politischen Fehlern während der Pandemie zwar für sinnvoll, um für die Zukunft zu lernen, sagte der Politiker. Er bezweifle aber, dass ein Untersuchungsausschuss das richtige Gremium dafür sei, "weil dort zu viele parteipolitische Spielchen zu befürchten sind".

Untersuchungsausschuss könnte trotzdem kommen

Nun also doch keine Corona-Aufarbeitung? Nicht unbedingt. Denn nirgends steht, dass die Stimmen für die Einsetzung aus der Fraktion kommen müssen, die den Ausschuss beantragt.

Und genau da kommt Sascha Herr ins Spiel. Denn der 44-Jährige hat nach wie vor Interesse an dem Thema – auch ohne Fraktion und Partei-Zugehörigkeit. Er schreibt auf hr-Anfrage: "Da gibt es viel aufzuarbeiten, es müssen Fakten geschaffen werden, abseits von Spekulationen, was eigentlich Aufgabe der Bundesregierung wäre. Da von dieser Seite aber nichts zu erwarten ist, begrüße ich das Vorhaben der AfD-Fraktion im Landtag und werde einem solchen Antrag zustimmen." Das sei er auch seinen Unterstützern schuldig.

Herr hofft nun, dass sich seine ehemaligen Kollegen "beide Seiten der Medaille anschauen". Die objektive Aufklärung der Vorfälle müsste dabei im Mittelpunkt stehen, so Herr weiter.

Setzt die AfD auf die Stimme eines Ex-Fraktionsmitglieds?

Aus der AfD-Fraktion heißt es, man bereite die Einsetzung weiter vor und plane den Antrag "für Sommer". Noch seien inhaltliche Fragen ungeklärt, genauso wie die Frage der Mehrheitsbeschaffung nach dem Austritt von Dirk Gaw, sagte ein Sprecher dem hr.

Der Ball liegt damit im Feld der AfD-Fraktion. Die muss nicht nur entscheiden, welche Fragen eigentlich konkret in einem Untersuchungsausschuss beantwortet werden sollen. Und ob sie zur Einrichtung des Ausschusses auf die Stimme von Sascha Herr setzen will.