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Hessen setzt islamischen Religionsunterricht in Kooperation mit Ditib fort - trotz Antisemitismus-Vorwürfen

Schulbücher im islamischen Religionsunterricht

Kritiker werfen Ditib vor, Hessens Schulen durch ihren Religionsunterricht mit Antisemitismus zu infiltrieren. Kultusminister Lorz wurde bereits aus den Reihen der eigenen Partei aufgefordert, die Kooperation zu beenden. Der Minister kommt nun aber zu einem anderen Urteil.

Hessen führt den islamischen Religionsunterricht in Kooperation mit dem türkischen Moscheeverband Ditib an öffentlichen Schulen bis auf Weiteres fort. Grundlage der Entscheidung seien die Ergebnisse einer erneuten Begutachtung durch drei unabhängige Wissenschaftler, teilte das Kultusministerium von Minister Alexander Lorz (CDU) am Donnerstag in Wiesbaden mit.

Demnach bestehe zwar "die abstrakte Gefahr", dass die Unabhängigkeit von Ditib Hessen von der Regierung der Republik Türkei "nicht hinreichend gewährleistet ist". Für eine politische Instrumentalisierung gebe es aber keine konkreten Hinweise.

Dies sei auch unter Berücksichtigung der aktuellen politischen Situation mit dem Nahostkonflikt bislang nicht der Fall, erläuterte das Ministerium unter Berufung auf das Gutachten. Daher könne die Kooperation nicht widerrufen werden.

Islamischer Religionsunterricht in einer Frankfurter Grundschule.

Junge Union forderte: "Ditib raus aus Hessens Schulen"

Kultusminister Lorz erklärte: "Gleichwohl wird die hessische Landesregierung stets wachsam sein und genau hinschauen, damit der unter staatlicher Aufsicht stehende Unterricht zu jedem Zeitpunkt unseren demokratischen Werten und Vorstellungen entspricht."

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Kritik an Ditib

Ditib ist die "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion" und eine Einrichtung des türkischen Staats. Nicht nur dessen autokratischer Präsident Recep Tayyip Erdogan empörte über Parteigrenzen hinweg deutsche Politiker, weil er die Hamas eine "Gruppe von Befreiern" und Israel einen "Kriegsverbrecher" nannte. Israel sei "wie ein rostiger Nagel, der im Herzen der islamischen Geographie steckt" - in dieses Bild kleidete Ali Erbas, der Chef der türkischen Religionsbehörde Diyanet und damit auch von Ditib in Deutschland, seine Vernichtungsfantasie.

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Der Minister hatte bereits im November Gegenwind aus den eigenen Reihen bekommen. An Hessens Schulen werde "unseren Kindern Judenhass gelehrt", hieß es damals in einer Pressemitteilung des Landesverbands der Jungen Union (JU). Den Minister und Parteifreund ermahnte die JU sogar, er dürfe "das Thema nicht verpassen".

"Ditib raus aus Hessens Schulen", heißt es in einer Schlagzeile der JU Hessen. Wenn ein antisemitischer Verband Islamunterricht durchführe, sei es kein Wunder, wenn es jungen Muslimen an Toleranz gegenüber anderen Religionen und besonders dem Judentum fehle.

Ditib klagte bereits erfolgreich - und darf weiter unterrichten

Bereits in der Vergangenheit - vor dem Aufflammen des Kriegs in Nahost - gab es Kritik an der Zusammenarbeit. Weil der Moscheeverband ihm in puncto Verfassungstreue nicht vertrauenswürdig erschien, setzte der Kultusminister die Kooperation zum Schuljahr 2020/2021 aus. Damals waren unter anderem Vorwürfe laut geworden, Ditib-Imame spitzelten Regimegegner in Deutschland aus.

Es ging auch um Kriegspropaganda und eine Nähe von Akteuren zu den rechten Grauen Wölfen: Der bis heute anhaltende Verdacht lautete, Erdogan könne über den Islamunterricht in Hessens Schulen hineinregieren. Ditib aber gewann vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel die Widerspruchsklage und ist seit dem vorigen Schuljahr beim Religionsunterricht wieder mit dabei.

In Hessen war der sogenannte bekenntnisorientierte islamische Religionsunterricht zusammen mit Ditib zum Schuljahr 2013/14 eingeführt worden. An rund 30 Schulen in Hessen, darunter vor allem Grundschulen, läuft er. Das betrifft rund 1.500 Kinder der Klassen 1 bis 6. Unumstritten war die Kooperation von Anfang an nicht. Doch die Kritik wuchs - und ist nach dem Angriff der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober heftiger als je zuvor.

AfD: "Rückschritt zum Schaden der Schüler"

Kritik an der Entscheidung des Kultusministeriums äußerte am Donnerstag die AfD. "Die Zusammenarbeit mit Ditib fortzusetzen ist ein Rückschritt zum Schaden der Schüler", sagte der bildungspolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion Heiko Scholz. Die AfD lehne einen bekenntnisorientierten Islamunterricht zwar grundsätzlich ab, Ditib als Partner dafür aber ganz besonders.

Der bildungspolitische Sprecher der FDP, Moritz Promny, teilte mit: "Die Entscheidung des Kultusministers mag angesichts der Entwicklung in der Türkei verwundern, ist jedoch aus juristischer und sachlicher Perspektive nachvollziehbar." Die künftige Landesregierung dürfe sich nun aber nicht zurücklehnen, sondern müsse das Handeln von Ditib nun genau beobachten. "Sobald die Werte unserer Gesellschaft infrage gestellt werden, muss die Kooperation beendet werden."

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