Mitglieder der AfD Fraktion heben bei einer Abstimmung die Hände

Die AfD will im Landtag einen Corona-Untersuchungsausschuss durchsetzen. Unausgesprochen baute sie dabei auf die Stimme eines umstrittenen Abgeordneten mit Nazi-Kontakten. Aber diese Strategie könnte scheitern.

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AfD im Dilemma wegen Corona-Untersuchungsausschuss

hs
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Maskenpflicht, Lockdown, Impfung: Jahrelang hat sich die oppositionelle AfD-Fraktion im Landtag an der Corona-Politik von Bund und Land abgearbeitet. Die gewünschte Möglichkeit zur Abrechnung schien nahe, als sie bei der Hessen-Wahl vergangenen Oktober zweitstärkste Kraft wurde.

Am Mittwochvormittag wurde es konkreter: Im Mai wolle sie einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss mit der Aufarbeitung der Corona-Politik durchsetzen, kündigte die AfD-Fraktion an. Sogar ihre designierten Ausschussmitglieder nannte sie schon. Doch nur wenige Stunden später brach Hektik aus.

Da erfuhr die AfD: Beim Plan, die für die Einrichtung des Ausschusses nötigen Stimmen im Landtag zu erhalten, hat sie sich aus Unkenntnis der genauen Gesetzeslage offenkundig verkalkuliert.

Knapper als gedacht

Nach Lage der Dinge steckt die Fraktion nun in einem Dilemma. Eine Möglichkeit: scheitern. Eine andere: offenkundiger Wortbruch, sich in der Sache nicht mit dem wegen Nazi-Kontakten umstrittenen fraktionslosen Abgeordneten Sascha Herr abzusprechen.

Verheddert hat sich die AfD in einem Problem, das sie noch nicht hatte, als sie gleich nach ihrem Wahlerfolg den Untersuchungsausschuss erstmals ankündigte. Da schien die Fraktion als zweitstärkste des Parlaments die für einen U-Ausschuss benötigten 20 Prozent aller Mandate im Landtag leicht aus eigener Kraft zusammenzubekommen.

28 Mandate gewann die AfD bei der Hessen-Wahl, 27 der insgesamt 133 Stimmen im Landtag sind für die Einsetzung eines Untersuchungsaussschusses nötig. Aber inzwischen hat die AfD-Fraktion bloß noch 26 Mitglieder - eines zu wenig.

Pikante Abhängigkeit

Denn zwei Abgeordnete kamen der Fraktion seit der Landtagswahl abhanden. Dirk Gaw hat Partei und Fraktion im März verlassen, da ihm nach eigenen Angaben Radikalisierungstendenzen zu weit gingen. Er bestätigte am Mittwoch auf Nachfrage: Er will definitiv nicht für einen Corona-Ausschuss votieren, weil eine weniger parteipolitisch belastete Aufarbeitung nötig sei.

Zustimmung aus anderen Fraktionen für die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall bewertete AfD scheidet aus. Blieb alleine der umstrittene Abgeordnete Sascha Herr. Wie er bereits Mitte März dem hr sagte, ist er auch für den Corona-Ausschuss.

Herr beklagte in seinem Statement unter anderem, Ungeimpfte seien als "Alu-Hutträger" diffamiert worden, es gebe "viel aufzuarbeiten". Die Unterstützung für das AfD-Vorhaben sei er auch seinen Unterstützern "schuldig".

Die AfD-Fraktion im Landtag hebt die Hand zur Abstimmung. Sascha Herr ist hervorgehoben.

 

Das Pikante für die AfD: Sie konnte zwar mit Herrs Stimme als der einen rechnen, die ihr noch fehlt. Eine Zusammenarbeit mit ihm, so die offizielle Darstellung, soll es gleichwohl nicht geben. Denn Herr ist der Partei um Landes- und Fraktionschef Robert Lambrou peinlich geworden.

Den Mann aus Schmitten (Hochtaunus) war über die AfD-Landesliste in den im Januar konstituierten Landtag gekommen. Die Fraktion nahm ihn gar nicht erst auf, weil Nazi-Kontakte bekanntgeworden waren. Die Partei verließ er von sich aus.

"Es gab keine Absprachen"

"Es gab keine Absprachen mit Sascha Herr und wird es auch nicht geben" – mit dieser Formel begegnete ein AfD-Sprecher noch am Mittwochvormittag kritischen Nachfragen dazu. Man werde bei der Abstimmung im Mai eben sehen, wer dafür stimmt.

Was die AfD da noch nicht wusste: Es ist nicht so, dass Herr einfach im Mai im Landtag mit der AfD-Fraktion die Hand hebt, und der Corona-Ausschuss ist beschlossene Sache.

Schon vorher, wenn der Antrag in den Landtag eingebracht wird, braucht die AfD die namentlich gezeichnete Unterstützung von einem Fünftel aller Abgeordneten. So regelt das Hessische Untersuchungsausschussgesetz gleich in Paragraf 1 dieses Recht von parlamentarischen Minderheiten.

Auf Deutsch: Neben allen 26 Mitgliedern der AfD-Fraktion muss mindestens noch ein weiterer Landtagsabgeordnete den Antrag unterschreiben. Außer Herr wird die AfD kaum einen finden. Aber mit dem soll es ja keinerlei Absprachen in der Sache geben.

Bouffier für Kommission

Der hürdenreiche Anlauf der AfD in Richtung Untersuchungsaussschuss fällt in eine Zeit, in der Rufe nach einer Aufarbeitung der Coronapolitik parteiübergreifend lauter werden. Anders als die AfD plädieren Vertreter anderer Parteien für andere Wege.

Gerade hat sich Hessens Ex-Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) gegenüber dem hr dem Vorschlag angeschlossen, eine solche parlamentarische Kommission aus Politikern und Fachleuten einzuberufen. Sie solle analysieren, "was haben wir gut gemacht, was ist vielleicht nicht gut gelaufen, was können wir zukünftig besser machen".

Bouffier: "Kampfmittel" ungeeignet

Der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss erteilte Bouffier eine kategorische Absage, weil dies ein "politisches Kampfmittel" sei. Wenn es darum gehe, Schuldige zu suchen, "garantiere ich Ihnen, kommt nichts heraus", sagte der CDU-Politiker. Entscheidende Fehler beim Managen der Corona-Politik wies der Ex-Regierungschef zurück. Er war von 2010 bis Ende Mai 2022 Ministerpräsident - und damit auch in der Hochphase der Pandemie.

In der aktuellen Debatte über eine Aufarbeitung wird laut Bouffier zu häufig vergessen, dass seinerzeit vor allem im Vordergrund habe stehen müssen, die Infektionszahlen zu drücken, um Menschen medizinisch versorgen zu können und vor dem Corona-Tod zu bewahren. Zudem habe es in vielen Fragen keine wissenschaftlichen Gewissheiten gegeben. Hessen und ganz Deutschland seien vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen.

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