A5-Raststätte Gräfenhausen Lkw-Fahrer im Hungerstreik: "Das ist lebensbedrohlich"

Seit Dienstag sind rund 30 Lkw-Fahrer an der A5-Raststätte Gräfenhausen im Hungerstreik. Damit setzten die Fahrer ihr Leben aufs Spiel, betonte ein Ärzte-Team bei einem Check-Up. Aus medizinischer Sicht sollten sie sofort aufhören.

Zwei Fahrer harren im Hungerstreik an der Autobahn-Raststätte Gräfenhausen auf dem Auflieger eines Lkw aus.
Zwei Fahrer harren im Hungerstreik an der Autobahn-Raststätte Gräfenhausen auf dem Auflieger eines Lkw aus. Bild © picture-alliance/dpa
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Hungerstreik – Ärzte-Team vor Ort

Notfallmediziner beim Interview
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Sie sitzen oder liegen auf Matratzen, die auf den Ladeflächen ihrer Lastwagen ausgebreitet sind, neben ihnen stehen Pakete mit Flaschen. Mehr als Wasser nehmen rund 30 der insgesamt 80 dort ausharrenden Lkw-Fahrer an der A5-Raststätte Gräfenhausen bei Weiterstadt (Darmstadt-Dieburg) derzeit nicht zu sich.

Die Lkw-Fahrer sind den fünften Tag im Hungerstreik – weil sie seit mehr als zwei Monaten auf ihren ausstehenden Lohn warten, es bei den Verhandlungen keine Fortschritte gibt und auch ihre Familien unter dem fehlenden Geld litten, wie die Lkw-Fahrer zu Beginn ihres Hungerstreiks am Dienstag erklärten.

Ärzte-Team versorgt Fahrer mit Medikamenten

Am Samstagvormittag ließen sich einige von ihnen von einem ehrenamtlichen Ärzte-Team untersuchen, das wegen des Hungerstreiks zur A5-Raststätte gefahren war. "Manche haben niedrigen Blutdruck und wir haben auch diagnostiziert, dass es mehr Infekte gibt", sagte Notfallmediziner Gerhard Trabert. "Die Immunabwehr ist reduziert durch diesen Hungerstreik."

Trabert hatte den Protest der Fahrer mit dem Arztmobil vom Mainzer Verein "Armut und Gesundheit in Deutschland" bereits im Frühjahr medizinisch betreut. "Wir geben jetzt Antibiotika und verschiedene andere Medikamente. Das wird toleriert, das nehmen sie auch ein", sagte Trabert.

"Der Gesundheitsstatus ist schlechter"

Die Möglichkeiten, den Gesundheitszustand der hungernden Fahrer vor Ort zu erheben, seien jedoch eingeschränkt, betonte Trabert. Zum Beispiel könnten weder wichtige Werte im Blut noch die Elektrolyt-Zusammensetzung kontrolliert werden.

Er sehe jedoch beim Check-up deutlich: "Der Hungerstreik hat Auswirkungen, der Gesundheitsstatus ist schlechter. Aber wir haben jetzt zum Glück noch niemanden vorgefunden, wo wir gesagt hätten: Jetzt sofort ins Krankenhaus."

Ärzte raten zum Hungerstreik-Stopp

Als Mediziner habe er den Fahrern im Hungerstreik dazu geraten, damit aufzuhören, sagte Trabert. "In dieser Situation ist alles möglich: Es besteht die Gefahr einer Herzrhythmusstörung, von Nierenversagen, einer Dehydrierung und zu niedrigem Blutdruck und der Blutzuckerspiegel kann in den Keller rasen. Das sind alles lebensbedrohliche Situationen."

Die Situtation sei hochdramatisch. "Wir sind mit sehr vielen ambivalenten Gefühlen dabei", betonte Trabert vor Ort. "Es ist als Mediziner unheimlich schwierig mitanzusehen, dass Menschen sich bewusst in eine so gesundheitsgefährdende Situation begeben. Auf der anderen Seite kann man nachvollziehen, dass sie mit dem Rücken an der Wand stehen – und hier ist die Politik gefragt."

Das Ärzte-Team stehe während des Hungerstreiks in engem Kontakt mit den Gewerkschaftsvertretern. "Wenn wir gebraucht werden, kommen wir. Aber es muss jedem klar sein: Ein Hungerstreik ist eine lebensbedrohliche Situation."

Verhandlungen festgefahren

Edwin Atema, der gemeinsame Vertreter und Sprecher aller streikenden Lkw-Fahrer vor Ort, bezeichnete Situation als "sehr ernst" für die Fahrer, nicht nur körperlich, sondern auch psychologisch. "Jeden Morgen sind wir froh, dass jeder Mann noch lebt."

Verhandelt wird mit der polnischen Spedition zurzeit nicht – der Unternehmer hatte bereits vor Wochen Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt wegen Erpressung gestellt. Seitdem gibt es keine neuen Gespräche.

Fahrer hoffen auf weitere Zahlungen

Atema hofft auf die Kunden der Spedition, vor allem, nachdem zwei Unternehmen im Alleingang Fahrer bezahlt und dessen Ladung übernommen hatten. Ein jüngstes Gespräch mit einem weiteren Kunden habe sich verlaufen, es käme keine Rückmeldung mehr.

Atema hofft weiter auf Zahlungen für die Fahrer: "Wenn es keine Perspektive mehr geben würde, würde ich das den Fahrern sagen."

Weitere Informationen

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 23.09.2023, 19.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de/Sophia Averesch, Lars Hofmann, Franco Foraci, dpa/lhe