Versalzung der Vegetation nahe K+S-Werk in Neuhof (Fulda)

Hoher Salzgehalt in Böden und Gewässern sowie Pflanzen, die sonst nur in Meeresnähe wachsen: In Neuhof sorgt der Monte Kali mal wieder für Aufregung bei Anwohnern und Umweltschützern. Das Bergbau-Unternehmen K+S sieht sich in der Verantwortung - und zugleich schuldlos.

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Umweltschützer beklagen Versalzung der Vegetation nahe K+S-Werk Neuhof

Versalzung der Vegetation nahe K+S-Werk in Neuhof (Fulda)
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Abgestorbene Bäume, ruinierte Gewässer und Wiesen - im Schatten des Kalibergs in Neuhof (Fulda) haben Umweltschützer alarmierende Beobachtungen gemacht. Sie berichten von einer gebietsweise starken und angestiegenen Versalzung der Vegetation. Das hätten Boden- und Wasserproben gezeigt.

Aufgrund des hohen Salzgehalts wachsen dort nun sogar Pflanzen, die normalerweise eher in meernahen Küstenregionen vorkommen. "Die Salzschuppenmiere zum Beispiel. Das sind Pflanzen, die ein salziges Milieu brauchen. Die hat hier eigentlich nichts zu suchen", sagt Sven Hartmann von der Bürgerinitiative (BI) Neuhof und zieht ein Pflänzchen aus dem Boden der Lützbachaue.

Betroffene Aue nahe K+S-Werk und Monte Kali

Die Lützbachaue mit ihren Wiesen- und Wald-Arealen liegt nur wenige hundert Meter Luftlinie vom Werksgelände des Bergbau-Unternehmens K+S entfernt. Dort ist auch der gewaltige Monte Kali zu sehen. Die landläufig so bezeichnete Abraumhalde besteht überwiegend aus Steinsalz. Es wurde während des jahrzehntelangen Bergbaus von K+S zu einem weithin sichtbaren, bis zu 190 Meter hohen Berg aufgeschüttet. 136 Millionen Tonnen liegen dort auf einer Fläche von 105 Hektar. Das entspricht umgerechnet etwa der Größe von 150 Fußballfeldern.

Abraumhalde eines Kalisalz-Bergwerkes in Heringen

Und der Monte Kali ist auch der Stein des Anstoßes. Seit einiger Zeit wird darüber gestritten, wie dieser Berg zu sichern ist. Es soll vermieden werden, dass Niederschläge weiter ausgewaschene Salzabfälle in die Umwelt spülen.

K+S scheiterte zuletzt mit seinem angedachten Mammutprojekt - mit einer Dauer von über 100 Jahren - zur Abdeckung der Halde. Gestoppt wurde der Konzern vom Widerstand der BI Neuhof, Umweltschützern, der Gemeinde und den Anwohnern. Sie haben bei Demonstrationen mehrfach ihre Angst vor Langzeitfolgen, Lärm und weiterem Fächenverbrauch zum Ausdruck gebracht. Seither tagt regelmäßig ein Runder Tisch mit vielen Akteuren.

Bürgerinitiative fordert K+S zur Ursachensuche auf

Doch nun ist laut der Bürgerinitiative um Sven Hartmann aufgrund der alarmierenden Messergebnisse in Böden und Gewässern ein drängendes Problem hinzugekommen. "Wir fordern K+S auf, die genauen Ursachen der Versalzung zu ergründen und sich seiner Verantwortung gegenüber Mensch und Natur zu stellen."

Vor kurzem präsentierte die BI ihre Erkenntnisse auch der Bürgerschaft bei einer Versammlung in Neuhof. Einige der Zuhörer hätten sich geschockt gezeigt.

Die Versalzung der Vegetation allein in der Lützbachaue auf einer Fläche von 30.000 Quadratmetern sei massiv und habe zugenommen, sagt Hartmann. Bodenproben belegten eine 40- bis 60-fach erhöhte Chlorid-Konzentration. Untersuchungen im Lützbach und im benachbarten Rippbach zeigten, dass auch die Gewässer belastet seien. Im Lützbach lägen die Werte für Chlorid, Sulfat und Natrium deutlich über der Norm.

"Ökologischen Katastrophe auf lokaler Ebene"

Der Naturschutzbund (Nabu) Hessen, dem Boden in der Lützbachaue gehört, spricht von einer "ökologischen Katastrophe auf lokaler Ebene". Jörg Burkard, Vorsitzender des Nabu-Ortsverbands Neuhof, sagt: "Bäume sind abgestorben, obwohl sie in der Talaue genug Wasser bekommen. Amphibien, die sich in den früheren Fischteichen tummeln sollten, meiden diesen Lebensraum. Die Teiche sind gekippt und ökologisch tot." Als Ursache für das Dilemma geht der Nabu von einer starken Chlorid-Belastung aus, durch einen "diffusen Eintrag in den Boden".

K+S ist bekannt, dass es an einzelnen Stellen zu Belastungen gekommen ist, wie ein Unternehmenssprecher in Kassel auf Anfrage einräumt. Es seien lokale Ereignisse. Verantwortlich seien mutmaßlich salzhaltige Abwässer, die in den Boden gelangten. Sie stammten wohl aus einem Altbereich der Halde, der nicht so gut geschützt und abgedichtet worden sei wie heute üblich, so der Konzern. Die Salz-Infiltration sei aber weit entfernt von der Trinkwassergewinnung.

K+S: "Versalzung aktuell nicht zu verhindern"

Wie die Versalzungen in den Griff zu kriegen sind? "Man müsste unter die Halde kommen. Das ist aber nicht möglich. Deswegen sind Versalzungen des Bodens aktuell nicht zu verhindern." Dennoch wolle sich K+S um das Problem kümmern und mit der Bürgerinitiative nach Lösungen suchen.

Versäumnisse sieht der K+S-Sprecher auf Unternehmenseite nicht: "Wir haben nichts falsch gemacht." Im Altbereich der Halde wurde nach den damaligen Vorgaben gearbeitet. Das entspreche halt nicht mehr den heutigen Standards der Abdichtungen.

K+S informierte vor kurzem auch in einer Mitarbeiter-Information über erhöhte Salz- und Schwermetallkonzentration und seine Überwachungsmethoden. Langfristig wolle der Konzern eine Reduzierung des salzigen Abwassers durch eine Halden-Abdeckung erreichen. Doch bis dahin gebe es keinen Grund zu Beunruhigung. Die Versalzungen seien lokal und nicht kritisch.

Umweltschützer werfen K+S Verharmlosung vor

Die Bürgerinitiative reagierte mit Kritik: K+S versuche Umweltschäden zu verharmlosen. Sie fragt: Wie weit solle die großflächige Versalzung noch gehen, bis K+S die Situation als kritisch einstufe und wirksame Gegenmaßnahmen ergreife. "Dieser Umgang mit der Natur ist nicht tolerierbar." Es brauche Konzepte, um das "langfristige Gefahrenpotenzial" zu überblicken.

Das Regierungspräsidium (RP) Kassel als Genehmigungsbehörde erklärt zu dem Fall auf Anfrage: Die Vegetationsveränderungen und Salzbelastungen nahe der Halde würden beobachtet. Es liefen Erkundungen. Auch K+S betreibe "Untersuchungen zu möglichen Maßnahmen zur Verringerung". Dies könne womöglich zu einer Errichtung eines Entnahmebrunnens oder einer Drainage zur Aufnahme von Sickerwasser im Süden der Halde führen.

Salzschäden auch andernorts - Drainage soll helfen

Mit so einer Drainage hat K+S bereits Erfahrungen gemacht. Sie sei schon an der Halde Hattorf in Philippsthal (Hersfeld-Rotenburg) geschaffen worden. Denn auch am Werk Werra seien bereits Salzeinträge in den Untergrund registriert worden. Eine Ausweitung der Versalzung sei so begrenzt worden, sagt der Unternehmenssprecher.

Bevor das RP konkrete Maßnahmen anordnen könne, müssten die Veränderungen der Vegetation und der Schweregrad umfassend ermittelt werden. Derzeit laufe ein Monitoring-Programm, unter anderen an Grundwassermessstellen. Bis wann Ergebnisse und Maßgaben formuliert werden könnten, kann die Behörde noch nicht abschätzen. An Salz-Gewächse und ruinierte Wiesen, Wälder und Gewässer wird man sich rund um Neuhof wohl vorerst gewöhnen müssen.

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