Dampfender Stallmist wird mit landwirtschaftlichem Gerät auf einem Feld ausgebracht. Stallmist ist Dünger und reich an Nährstoffen.

Seit Montag protestieren bundesweit Bauern gegen die Subventionspolitik der Bundesregierung - auch in Hessen. Aber sind diese Protestaktionen angesichts vielfältiger Agrarsubventionen und Rekordgewinnen überhaupt angemessen? 

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Wie geht es den Bauern in Hessen?

Schweine im Stall
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Max Balzter ist einer der 2.000 Bauern, die am Montag in Wiesbaden demonstriert haben. Um 1 Uhr nachts hat sich der 29-Jährige aus Künzell (Fulda) mit weiteren Landwirten getroffen, um 2 Uhr ging es los auf die Autobahn. Bis nach Wiesbaden hat er fünfeinhalb Stunden gebraucht - ganz schön lang, dennoch fühle es sich richtig an, hier zu sein, sagte er dem hr am Montagmittag.  

Die Proteste gegen die Sparpläne zu Lasten der Landwirte reißen nicht ab. Zu Beginn der Woche haben sie wortwörtlich sogar Fahrt aufgenommen. Und das, obwohl die Bundesregierung vergangene Woche verkündet hatte, die geplanten Kürzungen für Landwirte teilweise zurückzunehmen. 

Demnach soll die Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft nun doch nicht gestrichen werden. Dazu werde die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel nicht in einem Schritt vollzogen. Betroffene Bauern haben an der bundesweiten Aktionswoche dennoch festgehalten. Ihr Ziel: den Subventions-Abbau verhindern, wie ihn die Ampel-Koalition in Berlin verfolgt. 

Bauer Balzter: Traumberuf in Gefahr 

Balzter sieht seinen Job in Gefahr, sollten die Pläne der Bundesregierung so umgesetzt werden. Die aktuelle Politik erschwere es, dass er seinen Traumberuf weiter ausüben könne, sagte er dem hr. Er führt einen mittelgroßen Ackerbau-Betrieb mit 200 Hektar und 50 Hektar Grünland, dazu betreibt er einen Pferdehof und Gastronomie. 

Balzter sagte, er werde nach dem Aus für die Agrardiesel-Beihilfen finanzielle Verlusten haben. Er hat berechnet, dass es für seinen Betrieb ein Minus von 5.000 Euro pro Jahr bedeuten würde.  

Bauernproteste Landwirt Max Balzter aus Künzell

Biobauern: vom Wegfall der Diesel-Beihilfe stärker betroffen 

Mehrkosten von 3.000 Euro kämen auf Biobauer Jürgen Müller aus Poppenhausen (Fulda) zu. Müller führt einen Biobetrieb mit 70 Hektar Land und 60 Milchkühen. Auch wenn er weniger Hektar als Balzter bewirtschaftet, habe er als Ökolandbetrieb im Vergleich zu konventionellen Höfen beim Ackerbau einen höheren Dieselverbrauch.  

Grund: Er müsse mit seinem Schlepper häufiger übers Feld fahren, "um das Unkraut in Schach zu halten". Zudem bewirtschafte er für seine Kühe mehr Flächen für Futtermittel. Da die Ernte ohne Kunstdünger geringer ausfalle, müsse er auch hier mehr fahren.   

Wie er den geplanten Wegfall der Diesel-Beihilfe 2026 kompensieren kann, darüber hat er sich noch keine Gedanken gemacht. Er hoffe, dass die Politik einlenkt, sagte er im Gespräch mit dem hr: "Wir werden so lange auf die Straße gehen." 

Bauernprotest gegen Subventionsabbau Landwirt Jürgen Müller

“Protest hat sich hochgeschaukelt” 

Unter den hessischen Landwirte gibt es aber auch Gegenstimmen. Ein Bio-Bauer aus Nordhessen, der namentlich nicht genannt werden möchte, kritisiert vor allem die fehlenden Argumente. Zum Teil ginge es um “an den Haaren herbeigezogene Sachen”, oder Argumente, die Berufskollegen “in Whatsapp-Gruppen aufgeschnappt” hätten. 

Der Protest habe sich in den letzten Tagen hochgeschaukelt, auch weil sich über die letzten Jahre viel aufgestaut habe. Landwirte seien einer permanenten Überlastung ausgesetzt, dazu komme viel Bürokratie und eine fehlende Planungssicherheit. “Der Agrar-Diesel hat das Fass zum Überlaufen gebracht”, sagte er dem hr.

Mit der Rücknahme der Pläne zur Streichung der Kfz-Steuerbefreiung seien die Einbußen aus dem Agrardiesel-Zuschuss zu verkraften, so der Landwirt. Auch deshalb hat sich der Familienbetrieb gegen die Teilnahme an den Protesten der Bauern entschieden. Seiner Meinung nach hätte der Bauernverband die Proteste absagen müssen, um gemeinsam mit der Politik zu überlegen, wie es weitergehen kann. 

Agrardiesel-Aus für Landwirtschaft verschmerzbar

Das Aus des Agrardiesel-Zuschusses verkraftbar? Diese Haltung stützen auch Einschätzungen des Agrarökonomen Alfons Balmann. Der Direktor am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) in Halle/Saale hält die Pläne, die Agrardiesel-Beihilfe zunächst um 40 Prozent und 2026 ganz auslaufen zu lassen, für die Landwirtschaft letztlich verschmerzbar.  

Der Einkommensverlust bewege sich “in einer Größenordnung von wahrscheinlich nur etwa zwei bis drei Prozent der durchschnittlichen Gewinne der letzten Jahre“, so Balmann. 

Die Gründe für den Protest vermutet auch er woanders. Zum einen in der Sorge, dass diese Zahlungen für die Bauern auf Dauer wegfallen könnten, aber auch eine aufgeheizte Stimmung innerhalb der Landwirtschaft, die daraus resultiere, dass viele Probleme in Tier- und Umweltschutz nicht gelöst seien. 

Extrageld für Landwirte 

Agrardiesel-Beihilfe und die Befreiung von der Kfz-Steuer sind nur zwei Maßnahmen, mit denen die Landwirte seit Jahrzehnten unterstützt werden. Neben diesen beiden Maßnahmen gibt es verschiedene Subventionen aus der Europäischen Union (EU). 

Diese verteilen sich auf zwei Bereiche. Zum einen erhalten Betriebe Direktzahlungen, die sich anhand der bewirtschafteten Fläche berechnen. Zum anderen gibt es Extrageld für die besonders “nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung und die ländliche Entwicklung”, wie es auf der Webseite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) heißt. 

Auch besonders kleine Betriebe oder Jung-Landwirte erhalten einen Zuschlag, Für den Zeitraum von 2023 bis 2027 stünden laut BMEL jährlich 6,2 Milliarden Euro an EU-Mitteln für die Förderung des Agrar-Sektors zur Verfügung. 

Rekordgewinne in Hessen 

In Hessen hatten die Bauern erst im Dezember glänzende Bilanzen vorgelegt. Im Wirtschaftsjahr 2022/23 wurden in allen landwirtschaftlichen Betriebsformen Spitzengewinne erzielt. So verbuchten die in der hessischen Regionalstatistik ausgewerteten 298 konventionell wirtschaftenden Haupterwerbsbetriebe "ein bisher nie dagewesenes Rekordergebnis".

Dabei hatten landwirtschaftliche Betriebe im Wirtschaftsjahr 2021/2022 rund 320 Millionen an Subventionen erhalten, wie eine Sprecherin des Hessischen Umweltministeriums (HMUKLV) auf Anfrage mitteilte. Davon würden rund 230 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt finanziert.

Förderung wichtig für Wettbewerb in Europa? 

Kritik kommt dennoch vom Präsidenten des Hessischen Bauernverbands, Karsten Schmal. Die Zugeständnisse der Bundesregierung seien nicht ausreichend, die Forderungen der Landwirte nicht verhandelbar, so Schmal.  

Es könne nicht sein, dass zwar die Befreiung von der Kfz-Steuer bestehen bleibe, aber der Agrardiesel-Subvention in drei Stufen wegfalle. Die Pläne der Ampel seien weiterhin eine deutliche Benachteiligung der deutschen Landwirtschaft gegenüber den Mitbewerbern im europäischen Ausland.  

Agrarökonom Alfons Balmann hält diese Furcht für unbegründet. Die eigentliche Konkurrenz finde zwischen den Betrieben in der Region statt, die sich gegenseitig die Flächen streitig machten. Dazu habe die Landwirtschaft in Deutschland Wettbewerbsvorteile, die sich beispielsweise aus relativ guten Produktionsbedingungen und der Nähe zur Verarbeitungsindustrie ergebe. 

“Verbraucher müssen sich keine Sorgen machen” 

Die Sparpläne würden den Strukturwandel in der Landwirtschaft weiter zuspitzen, sagte Schmal. Viele kleinere Betriebe, die schon ums Überleben kämpften, würden aussteigen und die "Reißleine ziehen" müssen, so der Verbandspräsident. Die Versorgung der Bevölkerung mit regionalen Lebensmitteln sei dann gefährdet. 

Balmann sieht das anders. So bewegten sich die Kürzungen im Prozent- oder Promillebereich der Produktionskosten. Wenn Betriebe ihre Produktion einschränkten oder weniger Fläche bewirtschafteten, würde dies durch Nachbarbetriebe übernommen und ausgeglichen. Somit müssten sich “die Verbraucher keine großen Sorgen machen”.

Die Sorgen von Landwirt Max Balzter bleiben. Für ihn wird es noch ein langer Tag. Am Nachmittag waren er und seine Protestkameraden wieder auf die Autobahn Richtung Fulda gerollt. Fast 24 Stunden später werde er dann dort ankommen, wo er am Morgen losgefahren ist. 

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