Bauernproteste mit Traktoren und Transparenten

Die Bundesregierung stößt mit ihrem Kompromissvorschlag zum Teil-Erhalt von Agrarhilfen bei den Landwirten auf Granit. Auch in Hessen beteiligten sich tausende Bauern an einer bundesweiten Aktionswoche und blockierten Autobahnen und Bundesstraßen.

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Bauernproteste – 2.000 Traktoren bei Kundgebung in Wiesbaden

Eine Kolonne von Traktoren auf der Straße
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Trotz Zugeständnissen der Bundesregierung, die Sparpläne zu Lasten der Bauern teilweise zurückzunehmen, haben die Landwirte auch in Hessen an ihren Protesten festgehalten. Sie fordern vehement den kompletten Erhalt der bisherigen Agrarhilfen. Der Hessische Bauernverband rief dazu auf, sich an der bundesweiten Aktionswoche vom 8. bis 15. Januar zu beteiligen. Hunderte Landwirte kamen dem nach und fuhren mit ihren Traktoren in Sternfahrten nach Wiesbaden, Kassel und Frankfurt.

Was passiert in der Aktionswoche in Hessen?

Auftakt der Aktionswoche war am Montag (8. Januar): In einer Sternfahrt kamen rund 2.000 Landwirte mit ihren Traktoren zu einer Kundgebung vor der Hessischen Staatskanzlei in Wiesbaden. Dort überreichten Vertreter des Hessischen Bauernverbands der Landesregierung eine Resolution, in der sie die Fortsetzung von Steuererleichterungen in der Landwirtschaft forderten.

Auch andernorts demonstrierten Bauern: 1.700 Traktoren rollten in einer Sternfahrt am Mittwoch zum Regierungspräsidium in der Kasseler Innenstadt. Am Donnerstag kamen hunderte Traktoren nach Frankfurt, am Freitag nach Limburg. Zahlreiche kleinere Proteste formierten sich in allen Teilen Hessens und erreichten sogar die Wasserkuppe. Im Kreis Marburg-Biedenkopf wurde ein großes "Mahnfeuer" angezündet.

Weitere kleinere Aktionen folgen am Wochenende in Wetzlar, Langenselbold (Main-Kinzig) und dem Werra-Meißner-Kreis. Am kommenden Montag (15. Januar) soll die bundesweite Aktionswoche mit einer Großkundgebung in Berlin zu Ende gehen.

Bereits Ende vergangenen Jahres hatten Landwirte unter anderem in Kassel und Südhessen mit Protesten auf sich aufmerksam gemacht. Kurz vor Weihnachten stellten Unbekannte im Kreis Marburg-Biedenkopf mehrere Galgen auf Heuballen auf, an denen "Ampel"-Symbole aufgehängt waren.

Warum protestieren die Bauern?

Die Bundesregierung muss sparen und Milliardenlöcher im Haushalt stopfen. Auch der Agrarsektor soll seinen Beitrag liefern. Den Bauern sollen deswegen Privilegien in Form von Steuervergünstigungen beim Agrardiesel und der Kraftfahrzeugsteuer genommen werden. Nach Protesten zeigte sich der Bund kompromissbereit und versuchte, den Bauern mit einem Vorschlag entgegenzukommen.

Wie sehen die Zugeständnisse der Bundesregierung aus?

Die Bundesregierung zeigte sich bereit, einen Teil der für 2024 geplanten Kürzungen bei den Hilfen für Landwirte zurückzunehmen. Auf die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung in der Forst- und Landwirtschaft werde verzichtet. Das grüne Nummernschild für die Fahrzeuge in diesen Bereichen bleibe erhalten.

Die geplante Abschaffung der Steuervergünstigungen beim Agrardiesel soll nun über mehrere Jahre schrittweise vollzogen werden. Die Subventionen fallen demnach in diesem Jahr um 40 Prozent und in den beiden Folgejahren um jeweils 30 Prozent. Somit würde ab 2027 der komplette Steuersatz auf Diesel fällig. Bislang können sich Landwirte von den bisher rund 47 Cent Dieselsteuer gut 21 Cent pro getanktem Liter erstatten lassen.

Warum demonstrieren die Bauern nun trotzdem?

Der Präsident des Hessischen Bauernverbandes, Karsten Schmal, sagt: Die Zugeständnisse der Bundesregierung reichten nicht aus, deshalb halte man an den geplanten Protestaktionen fest. "Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsbereichen, in denen auf Lohnerhöhungen oder Arbeitszeitentlastungen gedrängt wird, kämpft die Landwirtschaft darum, erhebliche zusätzliche Belastungen abzuwenden."

Diesen stünden keinerlei Entlastungen gegenüber. Die Kürzungspläne schwächten die deutsche Landwirtschaft im europäischen Vergleich in ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Dadurch sei die Versorgung der Bevölkerung mit regionalen Lebensmitteln gefährdet.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, wurde noch deutlicher: "Es reicht! Wir fordern die komplette Rücknahme dieser Steuererhöhungen ohne Wenn und Aber." Der Generalsekretär des Bauernverbands, Bernhard Krüsken, sagte zum Timing der Ankündigung aus Berlin und dem Entgegenkommen: "Wir haben damit gerechnet, dass man uns mit einer Teillösung so ein bisschen ruhig stellen will. Aber das ist etwas, was wir nicht akzeptieren. Wir bleiben dabei, beide Teile müssen ersatzlos zurückgenommen werden."

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Präsident des Hessischen Bauernverbands: Zugeständnisse der Bundesregierung nicht ausreichend

Ein Mann steht am Rand eines Feldes vor einem Baum.
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Dürfen Traktoren überhaupt auf Autobahnen fahren oder Straßen blockieren?

Die meisten Traktoren dürfen normalerweise nicht auf Autobahnen fahren. Denn dafür müssten sie schneller als 60 km/h fahren können, was für die wenigsten Traktoren gilt. Die Fahrer müssen darüber hinaus die nötige Fahrerlaubnis haben. Im Rahmen rechtzeitig angemeldeter Demonstrationen kann das Fahren auf der Autobahn wie etwa bei Fahrradsternfahrten erlaubt werden.

Autobahnauffahrten dürfen ebenfalls blockiert werden, wenn die Versammlung bei den Behörden vorher angemeldet wurde - in der Regel 48 Stunden vorher, damit die Behörden sich darauf vorbereiten und prüfen können, ob dadurch die öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Ordnung in Gefahr ist.

Ist das der Fall, kann die Polizei Auflagen erlassen, die die Protestierenden erfüllen müssen. Würden auch die Auflagen nichts daran ändern, dass der Protest die öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Ordnung gefährdet, dann dürfen die Behörden im Extremfall eine Demonstration untersagen.

Wie reagiert das Umweltministerium in Hessen auf den Kurswechsel in Berlin?

Die scheidende hessische Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) sprach sich bereits gegen die gleichzeitige Streichung der Kfz-Steuerbefreiung und der Agrardiesel-Beihilfe aus. Den neuen Vorschlag begrüßte sie: Die Landwirtschaft wäre sonst über Gebühr an den Einsparungen beteiligt. Mit der gefundenen Lösung könnten alle Beteiligten zufrieden sein.

Was sagen Kritiker der Bauernproteste?

Die Umweltschutz-Organisation Greenpeace zum Beispiel befand: "Auch die Landwirtschaft, die jährlich mit Milliarden an Steuergeld subventioniert wird, muss einen Beitrag leisten, um die Klimaschutzziele in Deutschland zu erreichen." Gerade der massive Einsatz fossiler Kraftstoffe bleibe klimaschädlich. Daher sei es gut, dass dort die Subventionen ausliefen. Die Proteste bezeichnete Greenpeace als "nicht nachvollziehbar".

Wieso ist die Frust der Bauern so groß?

Bauernverbandspräsident Rukwied sagte, die Bauernfamilien seien extrem unzufrieden und frustriert. "Ihr Eindruck: In Deutschland wird Landwirtschaftspolitik aus einer weltfremden städtischen Blase und gegen die Bauernfamilien und den ländlichen Raum gemacht." Das Ergebnis könne nur sein, dass noch mehr Höfe aufgäben und noch mehr Lebensmittel aus dem Ausland importiert würden. Am Ende mache die Ampel-Koalition so Lebensmittel teurer und Deutschland abhängig von Importen aus dem Ausland.

Was sagen die Bauern zu einer Radikalisierung der Proteste?

Hessens Bauernpräsident Schmal rief dazu auf, die Proteste nicht zu überziehen. Man wolle mit Argumenten überzeugen und stehe für ein friedliches Miteinander. "Persönliche Angriffe wie auf Bundesminister Habeck, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt lehnen wir daher stets ab." Man distanziere sich auch von Reichsbürgern, Verschwörungstheoretikern, radikalen Randalierern, rechtsextremistischen Gruppen und Umsturzpropagandisten. "Zudem lehnen wir hetzerische Symbole wie Galgen und Särge ab", so Schmal.

Am 4. Januar hatten Demonstranten Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) bei einer Privatreise an der Nordsee am Verlassen einer Fähre gehindert. Die Polizei musste mit Pfefferspray gegen die Demonstranten vorgehen. Das Vorgehen der Demonstranten stieß auf viel Empörung.

Wie geht es den Bauern wirtschaftlich?

Laut Statistiken gar nicht so schlecht. Im Dezember erst legten die Bauern glänzende Bilanzen vor. Im Wirtschaftsjahr 2022/23 wurden in allen landwirtschaftlichen Betriebsformen Spitzengewinne erzielt. So verbuchten die in der hessischen Regionalstatistik ausgewerteten 298 konventionell wirtschaftenden Haupterwerbsbetriebe "ein bisher nie da gewesenes Rekordergebnis".

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