Auf einer Plantage stehen blühende Kirschbäume.

Der plötzliche Wintereinbruch in Hessen gefährdet viele Obstbäume und Gemüsepflanzen. Die Bauern befürchten massive Ernteeinbußen. Mit großem Aufwand versuchen sie die Pflanzen vor der Kälte zu schützen.

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Kalte Nächte gefährden Ernte

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Kirschen, Zwetschgen, Äpfel: Im ganzen Land blühen aktuell die Obstbäume und verbreiten - zumindest optisch - Frühlingsgefühle. Doch die Temperaturen in Hessen passen nicht dazu: Nachts fallen die Werte bis in den Minusbereich. Wegen des späten Winter-Comebacks bangen Landwirte um ihre Ernte.

"Wir haben eine schlaflose Nacht vor uns", sagt Berit Diegmann vom Obsthof Kiebe in Witzenhausen (Werra-Meißner) am Montag. Man rechne mit acht Stunden Frost bei bis zu drei Grad Minus. Dass die Kirschblüte mittlerweile fast vorbei ist, helfe nicht. "Die Kirschbäume können gar keinen Frost vertragen", erklärt die Obstbäuerin. "Da sind schon kleine grüne Früchte dran, die immer noch verfrieren können."

Im schlimmsten Fall könnte die Ernte des gesamten Jahres ruiniert werden, befürchtet Diegmann. Für viele Obsthöfe kann das eine existenzielle Bedrohung bedeuten: "Man hat dann im Prinzip keine Einnahmen - aber die Bäume müssen weiter gepflegt werden." Zuletzt habe es einen solchen Totalausfall im Jahr 2017 gegeben, berichtet Diegmann.

Erdbeeren unter "Bettdecke" verpackt

Ähnlich beunruhigt ist Andreas Schneider vom Obsthof am Steinberg im Frankfurter Stadtteil Nieder-Erlenbach. Auch dort bilden die Kirschbäume die ersten Früchte. "Wenn die zu lange kalt sind, stocken die in ihrer Entwicklung und fallen runter", erklärt der Obstbauer.

Auf seinem Hof gibt es auch Erdbeeren. Schneider und sein Team haben die Pflanzen mit einem doppellagigen Vlies als Frostschutz bedeckt. "Das ist wie wenn man zwei Bettdecken drüberzieht, dann wird es mollig warm". Bis jetzt hat es funktioniert, sagt der Obstbauer: "Die Erdbeeren haben die Frostnacht überlebt."

Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, Bäume und Pflanzen vor dem Frost zu schützen: Man kann sie mit Wasser beregnen, erklärt der Vorsitzende des Landesverbands für Erwerbsobstanbau, Andreas Klein. "Dadurch bildet sich ein Eispanzer um die Blüte." Und der sorge dafür, dass die Blüte selbst nicht erfriert. Doch solch eine Beregnung funktioniere nur an Orten mit genug Grundwasser. "Das steht in Südhessen zur Verfügung, aber zum Beispiel im Wiesbadener Raum und in Nordhessen nicht", sagt der Verbandschef.

Weintrauben drohen zu erfrieren

Betroffen von der Kälte sind auch die Winzerinnen und Winzer, etwa im Rheingau. "Bis Minus ein Grad wäre es noch okay, aber alles darunter kann sehr dramatisch werden", sagt Andreas Spreitzer. Er ist Geschäftsführer eines Weingutes in Oestrich-Winkel (Rheingau-Taunus).

Im schlimmsten Fall könnten die zarten frischen Triebe komplett erfrieren, erklärt der Winzer. "Dann hätten wir keine Trauben - denn die wachsen ja jetzt gerade."

Man könne zwar Feuer zwischen den Weinstöcken machen, um den Frost in Schach zu halten, so Spreitzer. "Viele Kollegen fahren auch mit einem Traktor mit Gebläse durch den Weinberg, um die Luft in Bewegung zu halten." Das funktioniere aber nur auf kleinen Flächen und es koste viel Geld. "Deshalb stellt sich die Frage, inwieweit es etwas bringt", sagt Spreitzer.

Spargel wächst langsamer

Auch der Spargel in Hessen hat seine Probleme mit der Kälte, denn er braucht mindestens 13 Grad Bodentemperatur zum Gedeihen. "Die Pflanzen wachsen langsamer", berichtet Landwirt Willi Billau aus Lampertheim (Bergstraße). Dadurch gebe es in diesen Tagen weniger Ertrag.

Gefährdet sei die Ernte aber nicht - der Spargel werde nur später reif. Und das sei angesichts des frühen Saisonstarts in diesem Jahr gar nicht so schlecht, meint Billau. Denn wenn es mit dem frühsommerlich warmen Wetter weitergegangen wäre, hätte die Saison auch früher enden können. "Durch die aktuell geringeren Erträge können wir durchaus eine normale Saisonlänge erreichen", schätzt der Landwirt.

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Spargelsaison in Südhessen eröffnet

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Klimawandel verstärkt das Problem

Spätfröste würden wegen des Klimawandels immer mehr zum Problem, berichtet Andreas Klein vom Obstbauern-Verband. "Wir haben immer früher wärmere Temperaturen, sodass die ganze Natur früher wächst und blüht." Da könne ein Temperatursturz viel Schaden anrichten. "Die Gefahr ist in den letzten Jahren größer geworden", so Klein.

Obstbäuerin Berit Diegmann aus Witzenhausen versucht, sich vor der frostigen Nacht zum Dienstag nicht zu viele Gedanken zu machen. "Mein Mann sagt immer: Es hilft ja nichts, wenn man immer wieder zum Thermometer rennt." Am Ende könne man nur hoffen, dass es nicht so schlimm wird.

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