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Lange wurde um ihn gerungen, jetzt ist er unterschrieben: Der neue Entlastungstarifvertrag soll am Uniklinikum Gießen und Marburg die Arbeitsbedingungen verbessern, mehr Personal anziehen und die Qualität der medizinischen Versorgung sicherstellen.

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Entlastungstarifvertrag am UKGM unterzeichnet

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Nach etlichen Verhandlungsrunden und einem dreiwöchigen Streik am privatisierten Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) war er im April vergangenen Jahres endlich in Sicht: ein Kompromiss.

Die Geschäftsführung des UKGM und die Gewerkschaft Verdi hatten sich auf ein Eckpunktepapier geeinigt, das nun Grundlage für einen sogenannten Entlastungstarifvertrag ist. Es ist das erste Vertragswerk dieser Art an einem kommerziell betriebenen Krankenhaus in Deutschland.

Am Montag wurde der "Beschäftigungssicherungs- und Entlastungstarifvertrag für das UKGM und die UKGM Service GmbH" unterzeichnet. Gelten soll er ab 1. April bis mindestens Ende 2025.

Bei Mehrbelastung gibt es freie Tage extra

Im Fokus steht dabei die Verbesserung der Arbeitssituation der Mitarbeitenden: Der Entlastungstarifvertrag regelt beispielsweise schicht- und stationsgenau, wie viele Patienten eine Pflegekraft betreuen darf.

Wird diese Obergrenze überschritten oder kommt es zu anderweitig belastenden Situationen, etwa durch fachgebietsfremde Einsätze oder tätliche Übergriffe, gibt es einen Entlastungsausgleich:

Bei drei belastenden Schichten gibt es für Pflegekräfte jeweils einen zusätzlichen freien Tag. Auch für andere Funktionsbereiche wurde ähnliche Regelungen festgelegt, beispielsweise für die Radiologe.

Maßnahmen für Personalaufbau

Mit dem Tarifvertrag soll außerdem "die universitätsmedizinische Versorgung der Menschen in der Region Mittelhessen auch zukünftig auf höchstem Niveau sichergestellt werden", wie es in der gemeinsamen Mitteilung von Verdi und UKGM heißt. Man erhoffe sich zudem, durch den Tarifvertrag mehr Personal gewinnen zu können.

Der Vertrag umfasst konkrete Maßnahmen für den Personalaufbau: In verschiedenen Berufsgruppen, etwa bei Therapeuten, Ambulanzen und in der Strahlentherapie, soll das Personal prozentual aufgestockt werden. In patientenfernen Bereichen wie den Laboren oder der Technik sollen pauschal 102 Vollzeitstellen dazukommen.

Streikende Beschäftigte vor dem UKGM.

Der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen und Ausgliederung (Outsourcing) wurde erweitert. Er gilt nun auch für die rund 300 Beschäftigten der UKGM Service GmbH und betrifft dadurch beispielsweise auch Reinigungskräfte und Küchenpersonal.

Weiter Konflikte am UKGM

Gestreikt wurde seit der Einigung zwar nicht mehr am UKGM, allerdings ist die erhoffte Ruhe zumindest nicht ganz vollständig eingekehrt.

Erst im Herbst vergangenen Jahres hatte es einen öffentlich ausgetragenen Streit zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung gegeben, bei dem es um die Einsicht in die sogenannten Überlastungsanzeigen gegangen war. Der Konflikt konnte mittlerweile beigelegt werden.

Für Kritik hatte außerdem die Ankündigung der Geschäftsleitung gesorgt, die Küche am Standort Marburg neu strukturieren zu wollen. Dort soll zukünftig nicht mehr frisch gekocht werden. Das Essen soll eingefroren aus Gießen geliefert und in Marburg nur noch erhitzt werden.

Laut Betriebsrat soll es dadurch zwar keine betriebsbedingten Kündigungen geben, jedoch wird befürchtet, dass zahlreiche befristete Stellen in der Marburger Küche nicht verlängert werden. Der Betriebsrat spricht von "falschen Kündigungen". Auch Verdi kritisierte die geplante Umstrukturierung und forderte die Landesregierung auf zu reagieren.

Tarifverhandlungen laufen - Verdi kündigt Warnstreiks an

Vom Entlastungstarifvertrag unberührt sind außerdem die regulären Tarifverhandlungen bezüglich der Bezahlung am Uniklinikum. Die aktuelle Lohnrunde läuft seit Dezember.

Verdi fordert elf Prozent mehr Lohn, mindestens jedoch 600 Euro. Laut Verdi sind im Zusammenhang mit den laufenden Verhandlungen auch Warnstreiks geplant.

Weitere Informationen

Das UKGM

Die UKGM ist einer der größten Arbeitgeber in Mittelhessen und die drittgrößte Universitätsklinik in Deutschland. Rund 436.000 Patienten werden an den Standorten Gießen und Marburg jährlich versorgt.

2006 war das Krankenhaus von der damaligen schwarz-gelben Landesregierung an den privaten Klinikbetreiber Rhön AG verkauft worden. Seit 2020 ist die Krankenhauskette Asklepios Mehrheitsgesellschafter. Es ist das bundesweit einzige Uniklinikum in privater Hand. Das Land Hessen hält noch fünf Prozent daran. 

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