Kai Heilemann  steht in seinem Weinberg.

Der Klimawandel macht Hessens Winzer erfinderisch: Kai Heilemann von der Hochschule Geisenheim hat Bäume und Sträucher auf seinem Weinberg angepflanzt. Was er sich von Himbeeren, Quitten und Kastanien zwischen den Reben verspricht.

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So macht ein Jungwinzer seinen Weinberg widerstandsfähiger

Vitiforst-Projekt: Die Hochschule Geisenheim hat Bäume zwischen den Weinreben gepflanzt.
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Der Jungwinzer Kai Heilemann zeigt nach unten, auf seine Reben in steiler Hanglage am Fuße des Rheins. In seinem Weinberg hat er zusammen mit Naturschützern Anfang Dezember Bäume und Sträucher nach der sogenannten Vitiforst-Methode gepflanzt.

Himbeeren, Obstbäume und Kräuter in den Rebzeilen sollen die Reben auf seinem Weinberg in Lorchhausen, einem Ortsteil von Lorch (Rheingau-Taunus), künftig beschatten.

"Riesling gehört einfach zum Rheingau"

Eine Strategie, um dem Klimawandel im Weinanbau entgegenzuwirken, wie der 30-Jährige sagt. "Diesen Weinberg haben wir von der Cousine meines Papas bekommen." Er wolle die Reben erhalten. "Denn Ertrag ist gleich Geld im Weinbau", so Heilemann. Außerdem gehöre der Riesling einfach zum Rheingau. Neben Riesling stehen in seinem Weinberg auch Reben von Silvaner. Und das schon seit 60 Jahren.

Feigen, Quitten, Himbeeren zwischen den Reben

Für Heilemann, der gerade an der Hochschule Geiseheim promoviert, steht nach der Übernahme des Weinbergs dennoch erstmal Pioniersarbeit an. Während Himbeeren bekanntlich schnell wachsen, werden die Bäume unterschiedlich lange brauchen, bis sie ihre Kronen ausbilden. "Es handelt sich um Feigen, Quitten, Esskastanien, Elsbeeren und französischen Ahorn. Es dauert zwischen 20 bis 40 Jahre, bis diese Bäume mal richtig ausgewachsen sind", so Heilemann.

Früchte als zweite Ertragsquelle

Der Winzer verspricht sich diverse Vorteile: Über den Humusaufbau zwischen den Reben soll mehr Wasser in der Fläche gespeichert werden. "Damit wird auch die Diversität allgemein erhöht - auch gegen Schädlinge, die auftreten." Nicht zuletzt sind die Früchte, die sich zu den Reben gesellen, auch eine zweite Quelle für Ertrag.

Experte Stoll: "Wasserstress wird ein ganz großes Thema sein"

Unterstützung beim Vitiforst bekommt der Jungwinzer von seiner Hochschule. "Die Zukunft des Weinanbaus sieht spannend aus und einiges wird sich verändern", sagt Manfred Stoll, Leiter des Instituts für allgemeinen ökologischen Weinbau.

Der Klimawandel stelle die Winzerinnen und Winzer vor neue Herausforderungen: vom Artenreichtum bis hin zu den Anbaubedingungen. "Wasserstress wird in der Zukunft ein ganz großes Thema sein", erläutert Stoll.

Professor Manfred Stoll in seinem Büro

Höhere Temperaturen wirkten sich auch auf die Beeren aus. "Durch die Hitze steigt die Beeren-Temperatur und je nach Rebsorte führt das zu einer Veränderung des Weinprofils", so Stoll. Die Zuckerkonzentration steige und deshalb erhöhe sich der Alkoholgehalt. Gleichzeitig werde die Säure schneller abgebaut. "Dadurch verändert sich die Harmonie", resümiert Stoll. Der leichte, fruchtige Riesling, wie wir ihn kennen, wird in Zukunft vermutlich anders schmecken.

Neue Rebsorten werden interessant

Manche Winzerinnen und Winzer experimentieren laut Stoll auch mit neuen Sorten. Das habe aber auch andere Gründe. "Zum einen ist es natürlich der internationale Vergleich. Mit höheren Temperaturen haben wir aber auch die Möglichkeit andere Sorten, wie etwa Rotweinsorten, anzubauen." Zudem mache die Gesellschaft Druck, Pflanzenschutzmittel zu reduzieren. Das führe auch dazu, dass neue Rebsorten künftig in Betracht gezogen werden.

Es geht generell um die Landschaft

Die klimatischen Veränderungen betreffen natürlich auch andere Weinbau-Regionen. Hochschul-Mitarbeiterin Elena Simon kann sich Vitiforst, auch Agroforst genannt, deshalb auch großflächiger vorstellen. "Es geht nicht nur um den Weinberg an sich, sondern auch generell um die Landschaft", sagt sie.

Viele Weinberglandschaften sind laut Simon sehr monoton, auch wenn auf manchen Weinbergen zum Beispiel schon Pfirsichbäume stehen. Durch Vitiforst könnten die Landschaftsstrukturen nochmal viel stärker belebt werden. Das sei gut für den Naturschutz und für den Biotopverbund, also für Arten, die in der Landschaft vorkommen: etwa für Insekten oder Vögel. Ein ähnliches Projekt gibt es zum Beispiel bereits in Worms.

Bäume spenden gegen gelaufene Kilometer

Neben der Hochschule beteiligt sich deshalb auch ein Netzwerk von Naturschützern an dem Vitiforst-Projekt im Rheingau. Gesponsert wurden die angepflanzten Bäume etwa vom gemeinnützigen Verein Tree-Athlete. Dem Verein geht es, zusammen mit dem Partner Triebwerk, nach eigenen Angaben darum, nachhaltige Produktion mit dem Umweltschutz und Klimaschutz verbinden zu können.

Der Läufer Felix Weber spendet etwa Bäume gegen Laufkilometer, die er sammelt. "Wenn ich mehr als 200 Kilometer in einer Woche laufe, dann spende und pflanze ich einen Baum", erzählt er. Im letzten Jahr seien so 25 Bäume zusammengekommen.

Einsatz für künftige Generationen

Bei der Pflanzaktion an Heilemanns Steilhang war der Verein mit sechs Mitgliedern dabei. "Es gibt kaum ein erfüllenderes und schöneres Gefühl, als diese Arbeit zu machen und zu wissen: Das mache ich nicht nur für mich, sondern auch für die zukünftigen Generationen."

Felix Weber vom Verein Tree-Athlete

Aus den Himbeeren wird Himbeergeist gemacht

Bis die Bäumchen auf dem Weinberg in Lorchhausen ausgewachsen sind, dauert es noch Jahre - auf die Himbeeren dürfen sich Familie Heilemann und ihre Helfer aber schon früher freuen. Die Idee, die Sträucher dort anzupflanzen, stammt von Kai Heilemanns Vater.

"Er ist ein ganz großer Liebhaber von Himbeeren und wird wahrscheinlich den ganzen Sommer über die meisten selbst naschen", sagt Heilemann. Er wolle aus den Himbeeren später in seiner Destillerie aber auch Himbeergeist brennen und zum Verkauf anbieten.

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