Hanfplanzen stehen in einem Gewächshaus

Der Bundestag hat eine eingeschränkte Freigabe von Cannabis beschlossen. Nach einem jahrzehntelangen Verbot atmen Konsumenten und Befürworter auf. Ab April sollen Erwachsene die ersten erlaubten Joints rauchen können. In den Reihen der Kritiker herrscht dagegen dicke Luft.

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Bundestag macht den Weg frei für Cannabis-Legalisierung

Eine Person dreht sich einen Joint.
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Die Zustimmung des Bundestags am Freitag für eine beschränkte Freigabe von Cannabis hat bei Konsumenten und Cannabis-Clubs nach einem jahrzehntelangen Verbot der Droge großen Jubel ausgelöst. In Hessen, wie auch in anderen Bundesländern haben sich bereits Vereine gegründet, die Cannabis künftig anbauen wollen und an ihre Mitglieder in vorgeschriebenen Mengen abgeben dürfen.

Der Bundestag stimmte den umstrittenen Gesetzesplänen der Ampel-Koalition nach einer emotional geführten Debatte mehrheitlich zu. Das Gesetz sieht eine kontrollierte Freigabe der Droge mit zahlreichen Regeln und Vorgaben vor. Anbau und Besitz bestimmter Mengen für den Eigenkonsum sollen demnach für Volljährige vom 1. April an erlaubt sein. Zum 1. Juli sollen Clubs zum nicht kommerziellen Anbau möglich werden.

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Details zur Teil-Legalisierung

Künftig erlaubt werden soll für Erwachsene der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis im öffentlichen Raum. In der eigenen Wohnung sollen drei Cannabispflanzen legal werden und bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. Geerntet werden darf nur zum Eigenkonsum, nicht zur Weitergabe. Samen, Pflanzen und geerntetes Haschisch und Marihuana müssen gegen Diebstahl und vor dem Zugriff von Kindern geschützt werden. Fragen und Antworten des Bundesministeriums für Gesundheit zum Thema befinden sich hier.

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Zäsur in der Drogenpolitik

Über die weitreichende Zäsur in der Drogenpolitik wurde zuletzt kontrovers diskutiert. An den Plänen gibt es breite Kritik unter anderem von Medizinverbänden, aus der Justiz und von Innenpolitikern in Bund und Ländern. 

Ehe das Gesetz kommt, muss es noch durch den Bundesrat. Dort wird es am 22. März behandelt. Zustimmungsbedürftig ist es dort zwar nicht. Prinzipiell könnte die Länderkammer aber den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufen und die Pläne noch abbremsen.

Cannabis-Clubs freuen sich über Meilenstein

Bei den in Hessen bereits entstandenen oder in der Gründungsphase steckenden Vereinen verursachte die Zustimmung im Bundestag nach wochenlangem Streit in der Politik Erleichterung und große Freude.

Fynn von Kutzschenbach, Vorstandsvorsitzender von gleich vier Cannabis-Clubs im Rhein-Main-Gebiet, sagte nach der Zustimmung im Bundestag dem hr: "Diese Entscheidung markiert einen bedeutenden Meilenstein in Richtung eines verantwortungsvollen und legalen Umgangs mit Cannabis und der Entkriminalisierung von Cannabis-Konsumenten." Die Entscheidung habe das Potential, "den Zugang zu sicherem und kontrolliertem Cannabis zu regulieren, den illegalen Markt einzudämmen und die Gesundheit der Verbraucher erheblich zu schützen".

"Happy über den Durchbruch"

Auch Tim Barton, Vorstand eines Gießener Cannabis-Clubs, sagte: "Ich bin begeistert von dem entscheidenden Schritt zur Entkriminalisierung." Dieser markiere einen Wendepunkt und bringe mehr Freiheit für die Bürger und mehr Gesundheitsschutz durch einen kontrollierten Anbau." Barton will den Verein zügig eintragen lassen, die Genehmigung bei der Stadt anfragen und eine Produktionshalle anmieten. Bislang hätten bereits rund 1.000 Menschen das Interesse an einer Mitgliedschaft hinterlegt.

In Fulda sagte die Vereinvorsitzende des Cannabis-Clubs Broccoli Buddies: "Wir sind happy über den Durchbruch. Es war eine aufregende Debatte mit einem guten Ende und einem erfreulichen Ende." Der Verein zählt mittlerweile 250 Mitglieder und hat Dutzende Interessierte, die sich nun anschließen wollen.

Landesregierung will ihre Position noch festlegen

Aus der Hessischen Staatskanzlei kam nach der Zustimmung im Bundestag noch keine Reaktion. Ein Sprecher sagte auf hr-Anfrage: Die Landesregierung wolle ihre Position erst zur Bundesratssitzung im März festlegen.

Hessens Nachbarland Bayern zeigte sich bereits entschiedener. Der Freistaat will die Legalisierung kritisch untersuchen. "Bayern prüft weiter, ob es Möglichkeiten einer Klage gegen das Cannabis-Gesetz gibt", sagte Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU). "Bayern ist entschlossen, sich gegen den gefährlichen Konsum von Cannabis zu stemmen, sollte das Gesetz inkrafttreten." 

Kultusminister fürchtet Drogenwelle

Aus hessischen Ministerien war im Vorfeld der Abstimmung deutliche Kritik zu vernehmen. Kultusminister Armin Schwarz (CDU) warnte vor erheblichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. "Ich befürchte eine neue Drogenwelle auf unsere Schulen zukommen."

Statt Cannabis gesellschaftsfähig zu machen, sollte Jugendlichen mehr ins Bewusstsein gebracht werden, dass die gesundheitlichen Risiken gerade für sie besonders hoch seien, forderte Schwarz. Cannabis ist eine psychoaktive Substanz aus der Hanfpflanze, die abhängig machen kann.

Innenminister erwartet Schwarzmarkt-Ausweitung

Kritik formulierte auch Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU). Die Cannabis-Freigabe sei ein "falsches Signal". Er rechne mit einer Ausweitung des Schwarzmarktes. "Dies hätte gravierende Folgen auf die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, kann zu einem Anstieg der Jugendkriminalität führen und die Verkehrssicherheit beeinträchtigen."

Poseck sagte nach der Abstimmung: Bedauerlich sei, dass die zahlreichen Bedenken aus der Sicherheitspolitik "einfach übergangen wurden". Die Innenminister der Länder hätten sich geschlossen gegen diesen Schritt ausgesprochen. Die Ampel in Berlin habe die parteiübergreifenden Voten aus der Innenpolitik "aus ideologischen Gründen einfach weggewischt".

Nun müsse damit gerechnet werde, so Poseck, "dass unser Land unsicherer und die stark belastete Polizei mit weiteren zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert wird. Insoweit halte ich das Votum auch für einen Affront gegenüber denjenigen, die tagtäglich für unsere Sicherheit eintreten".

Immense Belastung fürs Justizwesen

Hessens Justizminister Christian Heinz (CDU) hält das geplante Cannabis-Gesetz für einen Fehler. "Für die Justiz wird das Gesetz verheerende Auswirkungen haben", sagte der Minister am Freitag. Die Neuregelungen beträfen auch Altfälle schwerer Kriminalität, "also Delikte, die vor Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes begangen und noch nicht rechtskräftig abgeurteilt wurden".

In der Folge müssten sogar Urteile wegen etwa Handeltreibens mit großen Mengen von Betäubungsmitteln, bei denen die Täter Waffen mit sich geführt haben, aufgehoben werden, so der Minister. "Diese Verfahren müssen dann erneut verhandelt werden, was eine immense Belastung für unsere Staatsanwaltschaften und Gerichte darstellt."

Weitere Reaktionen aus Hessen zur Cannabis-Entscheidung

Die Bundesparteivorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler, freute sich auf dem Kurznachrichtendienst X über die Entscheidung. Die Frankfurterin sprach von einem "wichtigen und überfälligen Schritt für den Gesundheitsschutz und gegen die Kriminalisierung". Die grüne Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche (Wahlkreis Main-Taunus) schrieb, nun sei der Weg frei für "mehr Sicherheit und Prävention hin zu einer modernen Drogenpolitik".

Auch der FDP-Landtagsabgeordnete Yanki Pürsün lobte die Entscheidung des Bundestags. "Die Legalisierung schafft individuelle Freiheit und wirtschaftliche Chancen", schrieb der Frankfurter auf X. Auf die aus ihrer Sicht positiven Folgen für das Gesundheitswesen verwies die Vorsitzende der Frankfurter SPD-Fraktion, Ursula Busch: "Das ist eine echte Erleichterung für viele chronisch Schmerzleidende, da die Nebenwirkungen der Therapie mit Cannabis häufig deutlich geringer ausfallen."

Ärztepräsident warnt vor Gefahren

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, warnte dagegen vor der Legalisierung und den Gefahren der Droge: Cannabis sei eine Substanz, die ein Abhängigkeitspotenzial habe. Zudem könne sie bei regelmäßigem Konsum bis zum 25. Lebensjahr zu bleibenden Schäden im Hirnreifungsprozess führen.

Reinhardt befürchtet, dass durch die Legalisierung mehr Menschen die Droge ausprobieren könnten. "Ich glaube, dass die Aussage, wenn es kein Verbot mehr ist, Menschen unter Umständen dazu verführt zu sagen, na ja, ist offensichtlich doch nicht so schlimm, probiere ich mal aus."

Bevölkerung laut Umfrage zwiespältig

In der Bevölkerung zeigte sich laut einer Umfrage ein gespaltenes Bild zur Cannabis-Freigabe. 47 Prozent gaben in einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov an, eine Legalisierung eher oder voll und ganz zu befürworten. 42 Prozent erklärten, diese eher oder voll und ganz abzulehnen. 11 Prozent äußerten sich dazu nicht. Für die von der Nachrichtenagentur dpa am Freitag veröffentlichte Umfrage wurden 2.151 Menschen zwischen dem 16. und dem 20. Februar befragt.

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