Jemand raucht einen Joint.

Nach langem Ringen könnte Cannabis-Konsum legal werden. Der Bundestag stimmt über das umstrittene Gesetz ab. Cannabis-Clubs stehen in Hessen in den Startlöchern und warten auf weißen Rauch aus Berlin.

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Kippt die Cannabis-Legalisierung?

hs
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Mit Spannung blicken Befürworter und Kritiker der geplanten Teil-Legalisierung von Cannabis entgegen. Im Berliner Bundestag wird am Freitag über eine kontrollierte Freigabe mit zahlreichen Regeln abgestimmt. Eine Mehrheit zu den Gesetzesplänen der Ampel-Koalition gilt als wahrscheinlich. Nach der Abstimmung muss der Gesetzentwurf noch in den Bundesrat, zustimmungsbedürftig sind die neuen Regelungen dort aber nicht.

Besitz und Eigenanbau bestimmter Mengen sollen für Volljährige vom 1. April an erlaubt sein. Zum 1. Juli sollen Clubs zum nicht-kommerziellen Anbau aufmachen dürfen. Auf diesen Starttermin fiebern zahlreiche Cannabis-Clubs in Hessen hin, die bereits entstanden sind oder sich in Vorbereitungen befinden.

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Details zur Teil-Legalisierung

Künftig erlaubt werden soll für Erwachsene der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis im öffentlichen Raum. In der eigenen Wohnung sollen drei Cannabispflanzen legal werden und bis zu 50 Gramm Cannabis. Geerntet werden darf nur zum Eigenkonsum, nicht zur Weitergabe. Samen, Pflanzen und geerntetes Haschisch und Marihuana müssen gegen Diebstahl und vor dem Zugriff von Kindern geschützt werden. Fragen und Antworten des Bundesministeriums für Gesundheit zum Thema befinden sich hier.

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In Frankfurt, Kassel, Gießen, Fulda und anderen Städten haben sich bereits Cannabis-Clubs gegründet. Eine (unvollständige) Übersicht führt etwa der Dachverband Deutscher Cannabis Social Clubs. Dort haben sich bereits mehr als 100 Clubs im Bundesgebiet registriert.

Viele Menschen wollen Club-Mitglieder werden

Auch in Fulda existieren bereits mehrere Clubs. Einer von ihnen heißt: Broccoli Buddies. Die farbliche Ähnlichkeit der Hanf-Pflanzen zu dem Gemüse hat die Cannabis-Freunde auf den Namen gebracht, wie Vorstand Elena Fischer erklärte.

Fischer berichtet von großem Interesse an dem Verein, 200 Menschen hätten sich schon angeschlossen. Mehr als 100 weitere hätten ihr Interesse hinterlegt, Mitglied werden zu wollen, wenn das Gesetz durch ist. Bei 500 greift ein gesetzlich geregelter Aufnahmestopp. In Gießen gibt es sogar schon 1.000 Interessenten für die Vereinsmitgliedschaft, wie Gründer Tim Barton dem hr sagte.

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Wie sich ein Fuldaer Cannabis-Club auf die Teil-Legalisierung vorbereitet

Eine Frau steht vor einem grünen Lebensbaum und schaut in die Kamera.
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Um als Mitglied in Fulda bei den Broccoli Buddies Cannabis zu bekommen, wollen manche Neu-Mitglieder sogar 300 Kilometer weite Anreisen in Kauf nehmen, wie Fischer verriet. Sie betonte: Mitglied werden dürfe man nur in einem Verein. In Fulda müssen die Mitglieder sogar 21 statt 18 Jahre alt sein. Das Verantwortungsbewusstsein und die Lebenserfahrung seien dann etwas größer.

Hohe Investitionen für Clubs

Mitglieder müssen bei den Broccoli Buddies eine Jahresgebühr von 100 Euro zahlen. Als Verkaufspreis pro Gramm rechnet Fischer mit etwa acht Euro. Die Fuldaer sind gerade dabei, eine Halle zu mieten und die nötige Ausrüstung anzuschaffen. "Der Kostenfaktor ist echt riesig", befand Fischer. Mehr als 10.000 Euro müssten zunächst einmal investiert werden, bis Monate später dann erste Pflanzen unter den Spezial-Lampen und in fein reguliertem Klima in der Halle wachsen.

Inspiriert wurden Fischer und ihre Helfer bei Reisen ins Ausland. In Spanien etwa gebe es bereits solche Cannabis Social Clubs. In Fulda überraschte sie: Neben jungen Leuten zwischen 20 und 30 Jahren hätten sich auch viele Menschen jenseits der 50 angemeldet.

Wann die ihr erstes Gras ganz legal in Fulda erwerben können, steht noch nicht fest. Fest steht für Vereinsvorstand Fischer aber: "Wenn das erste Gras über die Theke geht, wird das für alle ein sehr emotionaler Moment sein." Dann sei die Zeit der Kriminalisierung vorbei – Kiffer-Träume werden wahr.

Neue Drogenwelle befürchtet

Kritik ruft das Thema hingegen in der Politik hervor. Seit Monaten wird über die Freigabe gestritten. Besonders viel Unmut kommt aus der Union. Hessens Kultusminister Armin Schwarz (CDU) befürchtet durch Legalisierung erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. "Ich befürchte eine neue Drogenwelle auf unsere Schulen zukommen", so Schwarz.

Statt Cannabis mit der Legalisierung gesellschaftsfähig zu machen, sollte den Jugendlichen mehr ins Bewusstsein gebracht werden, dass die gesundheitlichen Risiken gerade für sie besonders hoch seien, forderte Schwarz. Cannabis ist eine psychoaktive Substanz aus der Hanfpflanze, die abhängig machen kann.

Cannabis

Warnung vor psychischen Erkrankungen

Schwarz warnte vor der Gefahr psychischer Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen und Psychosen. "Die Auswirkungen auf das sich noch entwickelnde Gehirn der Jugendlichen sind laut Wissenschaft gravierend, die Lern-, Gedächtnis- und  Konzentrationsleistung kann sich abhängig vom Konsum stark verschlechtern."

Der öffentliche Konsum soll laut Gesetzentwurf unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten werden – konkret in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. Spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes soll eine Bewertung unter anderem dazu vorliegen, wie es sich auf den Kinder- und Jugendschutz auswirkt.

Für Hessens Innenminister ein "falsches Signal"

Kritik formulierte auch Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU). Er bezeichnete die Pläne der Ampel als "falsches Signal". Er rechne damit, dass der Schritt zu einer Ausweitung des Schwarzmarktes führen werde. "Dies hätte gravierende Folgen auf die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, kann zu einem Anstieg der Jugendkriminalität führen und die Verkehrssicherheit beeinträchtigen." Die Innenminister der Länder warnten in einem Brief vor negativen Folgen der Legalisierung. Bedenken kamen auch von Medizinerverbänden.

Dem gegenüber steht unter anderem die Auffassung von etwa 30 Forschern und Fachleuten. Sie fordern in einem offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten, der geplanten Teil-Legalisierung zuzustimmen. Das würde "einen wichtigen Schritt in Richtung Gesundheitsschutz, Prävention und sozialer Gerechtigkeit machen", heißt es.

Drogenforscher sieht positive Effekte

Der Initiator des Briefes ist Bernd Werse. Der Leiter des Zentrums für Drogenforschung an der Uni Frankfurt sagte, es sei längst überfällig, dass Menschen für den Besitz kleiner Mengen nicht mehr bestraft würden. Der Soziologe verglich: Erfahrungen aus anderen Ländern zeigten, dass weder der Konsum zunehme noch der Schwarzmarkt gestärkt werde. Eine ausführliche Stellungnahme von ihm für den Gesundheitsausschuss des Bundestages befindet sich hier.

Werse erhofft sich bei einer Freigabe bessere Möglichkeiten für die Prävention und den Gesundheitsschutz. Man werde über das Thema Cannabis-Konsum fortan "ehrlicher reden können".

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