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Kulturtage Ukraine in Wiesbaden

Das Schwarz-Weiß-Bild zeigt eine Ballerina. Sie dehnt sich auf einem Holzboden. Ihr rechtes Bein ist lang ausgestreckt, ihr rechtes angewinkelt. Ihre Arme sind vor ihrem Oberkörper auf dem Boden überkreuzt.

Mit Theater, Musik und Kunst die Integration von Geflüchteten stärken und den kulturellen Austausch fördern: Das ist das Ziel der ukrainischen Kulturtage in Wiesbaden. Veranstaltet werden sie ausgerechnet von einer Russin.

Wenn Ballerina Tamila Ivashchenko am Dienstagabend die "Kulturtage Ukraine" eröffnet, wird sie das zu einem ukrainischen Wiegenlied tun. Sie wolle zeigen, dass es trotz der grausamen Umstände des Kriegs, trotz all der Zerstörung - oder vielleicht gerade deswegen - auch Sanftheit und Liebe zwischen den Menschen in der Ukraine gebe, sagt die 19-Jährige.

Eine junge Frau in schwarzem Body mit schmalen Trägern tanzt Ballett vor einer Fensterfront. Sie streckt ihren Körper zur Decke. In einer ausgestreckten Hand hält sie eine einzelne Blume.

Sie ist 2022 mit ihren Eltern aus dem damals russisch besetzten Charkiw geflohen und lebt mittlerweile in Wiesbaden, wo sie als Lehrerin an einer Ballettschule arbeitet. Obwohl sie neben Englisch inzwischen auch Deutsch spricht, bevorzugt sie das Tanzen als Ausdrucksweise.

Beim Übersetzen würden oftmals Missverständnisse entstehen oder Worte ihre Bedeutung verlieren. "Die Sprache des Körpers ist direkt für alle Menschen verständlich", findet sie.

Kultur als verbindendes Element

Um den Austausch miteinander soll es auch während der ukrainischen Kulturtage gehen. Der gemeinnützige Verein Pitrimka und der Rotary Club Wiesbaden Rhein-Main haben das Festival ins Leben gerufen.

Unter dem Motto "Miteinander" gehe es gehe, Brücken zu bauen und zueinander zu kommen, sagt Organisatorin Larissa Itina. "Die Kultur ist etwas, das verbindet."

Verein unterstützt Geflüchtete

Auch in Itinas Familiengeschichte ist Flucht und Migration eingeschrieben. Sie selbst kam 1990 von Moskau nach Heidelberg, lebte zwischenzeitlich in England und inzwischen in Wiesbaden. Ihre Tante, erzählt sie, sei 1941 vor den Nazis aus Kiew nach Russland geflohen und Ende der 1950er Jahre zurückgekehrt. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine sei sie abermals geflohen, diesmal nach Deutschland.

Eine Frau mit kurzen dunklen Haaren und pinkfarbenem Pullover sitzt an einem Esstisch. Hinter ihr hängen mehrere Gemälde an der Wand.

Darum war für sie und ihren Mann sofort nach Kriegsausbruch klar, dass sie sich für die Geflüchteten engagieren. Sie gründeten den Verein Pitrimka, der nach Wiesbaden geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer bei der Wohnungs- und Jobsuche unterstützt, Sprachkurse anbietet und bei alltäglichen Problemen hilft.

Von Theater bis Fotografie

Allmählich sei immer mehr Kultur dazu gekommen, sagt Itina, etwa Musikkonzerte, Lesungen und Theaterabende, bei denen ukrainische Künstlerinnen und Künstler ihr Schaffen dem Publikum zeigten. Auch kulturelle Projekte russischer politischer Emigranten werden vom Verein Pitrimka unterstützt.

Zum zweiten Jahrestag des russischen Angriffkriegs sind nun acht Tage Kulturprogramm für Erwachsene und Kinder geplant. Vor allem Künstlerinnen und Künstler aus der Ukraine präsentieren Tanz, Theater, Film, Fotografie, Musik und Malerei und sollen Brücken bauen, wo der Krieg tiefe Gräben gerissen hat.

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Kulturtage Ukraine

Vom 20. bis zum 27. Februar findet das Festival mit mehr als 50 Teilnehmern an elf Orten in Wiesbaden statt, darunter dem Staatstheater, dem Schlachthof und dem Bürgersaal Biebrich. Es soll Zuschauenden die Möglichkeit bieten, Ukrainerinnen und Ukrainer kennenzulernen und die kulturelle Vielfalt stärken. Das Programm und alle Veranstaltungsorte gibt es hier. Wiesbadens Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) eröffnet die Kulturtage als Schirmherr am Dienstag um 19 Uhr im Veranstaltungsraum Loftwerk. Tickets für die Veranstaltungen gibt es ab 5 Euro, sie können online oder an der Abendkasse erworben werden.

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Krieg prägt das Programm

Dass der Anlass für das Kultur-Festival ein trauriger ist, bildet sich im Programm unweigerlich ab. Etwa im Theaterstück "Closed Sky" ("Geschlossener Himmel") der ukrainischen Bühnenautorin Neda Nezhdana. In dem Drama, das auf realen Ereignissen aus dem Krieg basiert, finden sich vier Frauen in einem fremden Keller wieder - ohne Erinnerung daran, wie sie dorthin gelangt sind.

Die Austellung "Ukraine: Gestern, Heute und Morgen" des ukrainischen Fotografen Oleksandr Schewtschenko zeigt das Leben in den ukrainischen Städten Irpin und Butscha in Friedenszeiten und während des Krieges. Intakten Städten voller Leben stehen Ruinen und Schauplätze von Kriegsgräueln gegenüber. Für die Hoffnung auf das Morgen stehen in der Ausstellung farbenfrohe Zeichnungen ukrainischer Kinder.

Das Bild zeigt ein silbernes Auto mit Einschusslöchern. Der rechte Hinterreifen ist platt. Am Reifen lehnt eine Puppe.

Eine hoffnungsvolle Perspektive bei der Verarbeitung von Fluchterfahrungen wird auch im Workshop "Katzen - Flüchtlinge" eingenommen. Kinder können das Theaterstück über Katzen, die ihre Heimat verloren, aber ihren Humor behalten haben, sowohl als Schauspieler als auch als Zuschauende erleben.

"Eine große Bereicherung für Europa"

Geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer würden weitestgehend als Kriegsopfer gesehen und als Menschen, denen geholfen werden müsse, sagt Itina. Mit dem Festival wolle sie zeigen, dass das Land "eine interessante Kultur und eine potenziell große Bereicherung für Europa" sei.

Schließlich habe es so angefangen: mit den Protesten in der Ukraine zwischen November 2013 und Februar 2014, "als Ukrainer für Europa auf dem Maidan gestanden haben, tagelang", so Itina.

Sie hofft, mit den ukrainischen Kulturtagen in Wiesbaden auch einen tiefergehenden Austausch zwischen Deutschen und Menschen aus der Ukraine, zwischen Geflüchteten, Festverwurzelten und anderen Menschen mit Migrationshintergrund anzustoßen. "Das betrifft uns alle hier", sagt Itina über den Krieg. Russlands Präsident Putin richte sich damit gegen Europa und seine Werte.

Erlös für Geflüchtete in Wiesbaden und der Ukraine

Diese europäischen Werte will das Festival verteidigen. Das mit den Kulturtagen eingenommene Geld soll einerseits der nachhaltigen Integration ukrainischer Geflüchteter in Wiesbaden zugute kommen.

Andererseits will der Verein Pitrimka auch Künstlerinnen und Künstler in der Ukraine unterstützen, um so den Menschen im Land etwas Freude in den "Kriegsalltag" zu bringen. Der Krieg könne noch Jahre dauern, sagt Itina. "Aber das heißt nicht, dass man aufhören soll, Bücher zu lesen oder ab und an ins Theater zu gehen."

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