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Klimaschutzmanager in Kommunen

Hochwasserlage an der Lahn in Weimar (Kreis Marburg-Biedenkopf): Wasser umschließt den Ort im Januar 2023

Bis 2045 will sich Hessen klimaneutral aufstellen, dazu sollen auch die Städte und Gemeinden beitragen. Gesetzlich dazu verpflichtet sind sie nicht. Doch rund 100 Kommunen gehen die Sache nun systematisch an.

Seit knapp drei Monaten arbeitet Monique Delbos als erste Klimaschutzmanagerin von Hofheim. Ihre Aufgabe ist es, die Verwaltung und die Bürger der Main-Taunus-Kreisstadt für den Klimaschutz zu sensibilisieren und einen konkreten Plan zu entwerfen, wie die Stadt bis 2045 klimaneutral werden kann. Dafür hat sie zwei Jahre Zeit: Dann soll das Klimaschutzkonzept für Hofheim stehen.

"Spätestens dann sieht man, wo die Stärken und Schwächen sind, welche Sektoren vor allem Treibhausgasemissionen haben und welche wir priorisiert behandeln müssen", sagt die 32 Jahre alte Geowissenschaftlerin. Nach der Prüfung durch die Stadtverordnetenversammlung beginne die Umsetzung.

Kommunaler Klimaschutz ist freiwillig

Vor der Anstellung Delbos' wurden Klimaschutzbemühungen in der Verwaltung gemeinsam geschultert. Hofheim ist eine von 370 Städten, Gemeinden und Landkreise in Hessen, die sich als "Klima-Kommunen" bekennen und vom Land für einzelne Klimaschutzprojekte Förderzuschüsse erhalten.

Bislang sind Klimaschutz und Klimaanpassung vor Ort freiwillige Aufgaben von Kommunen in Hessen. Zwar beschloss die Landesregierung im Einklang mit den Zielen der Bundesregierung erstmals ein Klimagesetz mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 - dieses gilt jedoch nur für das Land selbst. An die Kreise und Städte wird appelliert, zu den gesetzten Klimaschutzzielen beizutragen (zum Gesetzestext).

Mit einem Förderprogramm finanziert derzeit der Bund den Großteil von Delbos' Stelle in Hofheim: 70 Prozent zahlt er über die zwei Jahre hinweg, 30 Prozent trägt die Stadt selbst. Sobald ein Klimaschutzkonzept vorliegt, bricht die zweite Förderphase an: Sie dient der Umsetzung des Konzeptes, rund 40 Prozent der Ausgaben werden dann voraussichtlich vom Bund gestemmt. Das Gehalt kommunaler Klimaschutzmanager wird nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes vergütet - in den meisten Ausschreibungen orientiert sich das an der Entgeldgruppe 11 und liegt monatlich zwischen 3.600 und 5.400 Euro, abhängig von der Berufserfahrung.

Rund 14 Millionen Euro vom Bund

Nach Angaben der Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz haben rund 100 Kommunen und Kreise in Hessen bislang die erste Förderung zur Erstellung eines Klimaschutzkonzepts erhalten. Der Bund habe dafür bis März mehr als 14 Millionen Euro bereitgestellt, weitere insgesamt rund 4,5 Millionen Euro kämen von den Kommunen.

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Das Förderprogramm

Seit Einführung der Kommunalrichtlinie im Jahr 2008 unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Kommunen dabei, ihre Treibhausgasemissionen zu senken. Antragsberechtigt sind nicht nur Kommunen und Kreise, sondern ebenso soziale Einrichtungen, Kulturstätten, gemeinnützige Vereine, Religionsgemeinschaften, kommunale Unternehmen und Bildungseinrichtungen wie Universitäten.
Gefördert werden einzelne Maßnahmen und die Erstellung eines Klimaschutzkonzepts durch einen ausgewiesenen Klimaschutzmanager (Erstvorhaben) sowie später die Umsetzung der Maßnahmen (Anschlussvorhaben).

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In Hessen gibt es 421 Gemeinden und 21 Landkreise. Während fast jeder Kreis inzwischen einen Klimaschutzmanager vorweisen könne, sei dies in kleineren hessischen Städten und Kommunen noch nicht der Fall, berichtet Daniel Philipp vom Bundesverband Klimaschutz. Er arbeitet hauptberuflich als Klimaschutzmanager im Main-Taunus-Kreis.

"Die Tendenz zeigt deutlich nach oben, im Zuge der Energiekrise und dem Ukraine-Krieg, aber auch aufgrund der sich verschärfenden Gesetzeslage", sagt Philipp. So verpflichte das neue Energiegesetz in Hessen Kommunen mit mehr als 20.000 Einwohnern und Einwohnerinnen, ab Ende des Jahres eine kommunale, bis 2045 klimaneutrale Wärmeplanung vorzunehmen.

Ahrtal-Flut beschleunigt den Prozess

Auch der Bürgerentscheid für sechs neue Windkraftanlagen in der Rheingau-Taunus-Kommune Hünstetten signalisiere, dass es in der Gesellschaft ein Umdenken gebe. Es gebe immer noch Kommunen, in denen die Menschen sagten: Windkraft ist wichtig, aber nicht bei uns. Aber sie würden weniger, sagt Philipp.

Die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen vor knapp zwei Jahren habe die Bedeutung der Klimaschutzanpassung hervorgehoben, sagt Philipp. "Bei vielen Kommunen kamen die Frage und die Angst auf: Was passiert, wenn so etwas auch bei uns kommt?"

Nach Stark- und Dauerregen im Juli 2021 kostete eine beispiellose Flut mehr als 180 Menschen das Leben, hunderte Gebäude wurden zerstört. Seitdem hätten sich viele Kommunen um Regenrückhaltebecken bemüht, verengte Durchflüsse von Bächen ausgebaut und Fließpfadkarten erstellt, berichtet Philipp.

Klimaschutzkonzept als Kompetenzgrundlage

Auch Klimaschutzmanagerin Delbos überlegt, für Hofheim eine Starkregengefährdungskarte zu erstellen: "Das ist bei uns genauso Thema wie bei allen anderen Städten." Man prüfe auch neue Formen der Energiegewinnung für die Main-Taunus-Kreisstadt. Eine Möglichkeit sei dank der Ausläufer des Oberrheingrabens die Nutzung von Geothermie, also Erdwärme: "Man kann dann die Geothermie mit einer Wärmepumpe koppeln, das ist sehr effizient."

Auf dem Rathausdach: Klimaschutzmanagerin Monique Delbos (Mitte) mit CDU-Bürgermeister Christian Vogt (links) und Pressesprecher Jonathan Vorrath.

Ihre Ideen für das Klimaschutzkonzept prüft Delbos in den nächsten Jahren mit externen Dienstleistern. Dazu kommen alltägliche Aufgaben wie der Austausch mit Bürgern, lokalen Unternehmen, Initiativen und der Kreisverwaltung, desweiteren Öffentlichkeitsarbeit und die Organisation von Veranstaltungen. Auch eine Waldbegehung mit dem Forstamt ist geplant.

Steht ihr Klimaschutzkonzept für Hofheim, muss die Stadtverordnetenversammlung es beschließen. Dieser Schritt gibt Klimaschutzmanagern die Kompetenz, bei Widerständen auf den verbindlichen Beschluss zu verweisen, wie Daniel Philipp vom Bundesverband Klimaschutz sagt. Kommunaler Klimaschutz hänge stark vom Willen der Rathausspitze ab.

Forderung: Kommunaler Klimaschutz ins Grundgesetz

Nach den zwei vom Bund geförderten Projektphasen - erst Erstellung, dann Umsetzung des Klimaschutzkonzepts - müssten Kommunen die Stellen ihrer Klimaschutzmanager selbst aus Haushaltsmitteln finanzieren. Bei einem politischen Wechsel könnten langjährige Bemühungen plötzlich gestoppt werden, so Philipp.

Der Bundesverband Klimaschutz fordert daher, den Klimaschutz in Kommunen als sogenannte Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern im Grundgesetz zu verankern. Eine solche gemeinsame Pflicht gilt beispielsweise für den Küstenschutz (Art. 91a). "Wenn da der Klimaschutz hinzukommt, bedeutet das, dass der Bund ganz anders finanzieren kann", sagt Philipp. Auch die Deutsche Umwelthilfe, das Klima-Bündnis Deutschland und der Deutsche Gewerkschaftbund (DGB) fordern diesen Schritt in einem gemeinsamen Papier an Bund und die Länder.

Überzeugung als Qualifikation

In Hessen wird derzeit im Kreis Kassel ein Klimaschutzmanager oder eine Klimaschutzmanagerin gesucht. Die Stadt Melsungen (Schwalm-Eder) ist gerade dabei, für die Stelle jemanden auszuwählen, wie Bürgermeister Markus Boucsein (unabhängig) sagt. Ihm sei es wichtig, dass die Bewerber Erfahrungen beim Klimaschutz hätten. Und: "Dass man einen ernsthaften Blick aufs Thema hat und nicht nur Klimaschutz macht, weil es gerade wichtig ist, sondern dass man im Inneren davon überzeugt ist."

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