Die Spitzenkandidaten Tarek Al-Wazir und Angela Dorn wurden auf dem Programmparteitag der Grünen gefeiert.

Das Heizungsgesetz verursacht Gegendwind, aber auf ihrem Programmparteitag zur Landtagswahl geben sich Hessens Grüne optimistisch. Spitzenkandidat Al-Wazir verspricht Mut und Verlässlichkeit. Die Parteijugend setzt gegen die Führung mehr Ehrgeiz in der Klimapolitik durch.

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Grüne zurren Wahlprogramm fest

hs 08.07.2023
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Vor rund 450 Delegierten seiner Partei hat Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir das Programm der hessischen Grünen für die Landtagswahl am 8. Oktober vorgestellt und der Basis Mut gemacht. "Eine Wahl ist erst entschieden am Wahltag um 18 Uhr", sagte Al-Wazir am Samstag in Frankfurt.

Mit Blick auf das Stimmungstief der Grünen auf Bundesebene in Folge des Streits um Klimaschutz und Heizungsgesetz befand der 52-Jährige: Die Wähler unterschieden sehr wohl zwischen Bundes- und Landespolitik. In den Wahlkampf zieht Al-Wazir erstmals erklärtermaßen als grüner Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten.

Entsprechend optimistisch heißt das Programm für die Wahl auch "Regierungsprogramm". Der Titel lautet: "Gehen wir gemeinsam den nächsten Schritt." Es wurde einstimmig angenommen. Eine Änderung setzte allerdings die Grüne Jugend gegen die Bedenken der Parteiführung durch: Hessen soll nicht erst im Jahr 2045 klimaneutral sein, sondern schon 2035.

"Hessen-Wohnungen" und Transformationsfonds

Das sind weitere wesentliche Vorhaben der Grünen:

  • 20.000 neue Kita-Plätze sollen entstehen.
  • 30 Millionen Bäume sollen in einem für Hessen einzigartigen Aufforstprogramm gepflanzt werden.
  • Ein "Vorsprung-Hessen-Pakt" genannter Transformationsfonds auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft soll in der kommenden Legislaturperiode mit sechs Milliarden Euro gefüllt werden.
  • 60.000 neue Sozialwohnungen sollen in Ballungsräumen gebaut werden.
  • 10.000 davon erstmals als "Hessen-Wohnungen" mit einer besonders langen Sozialbindung für niedrige Mieten von 50 Jahren.
  • Die Bekämpfung des Fachkräftemangels will Al-Wazir als Ministerpräsident zur Chefsache machen.
  • Auch auf dem Land soll es genügend ärztliche Zentren und digitale Lösungen "an jedem Standort" geben.
  • An weiterführenden Schulen soll jeder ein Tablet bekommen. Es ist an Zuschüsse für Schülerinnen und Schüler aus finanziell schwächeren Familien gedacht und bezuschusste Mietkaufmodelle.
  • Ein "Hessenpass Kultur" soll Menschen mit wenig Geld den Zugang von Theatern, Museen oder Konzerten erleichtern.

Streit um Tempo in der Klimapolitik

Hinzu kam eben - nach kurzer, lebhafter Debatte - die Entscheidung, mehr Tempo bis zur Klimaneutralität postulieren zu wollen. Die Grüne Jugend erhielt für ihre Initiative eine Mehrheit, nicht das Jahr 2045 festzuschreiben, sondern das Ziel zehn Jahre vorzuverlegen. Vergeblich hatte unter anderem die Spitzenkandidatin und Wissenschaftsministerin Angela Dorn dafür geworben, sich eine ihrer Meinung nach realistischere Marke vorzunehmen, die "wir im Bundesland Hessen auch erreichen können".

Wie die Arbeitsgemeinschaft Umwelt der Landespartei trat Dorn für den Kompromiss ein, das Datum 2045 durch "schnellstmöglich" zu ersetzen. Die Grünen dürften nicht ausblenden, dass Hessen vieles nicht in der eigenen Hand habe und man bei Hürden wie Tempolimit oder Emmissionshandel den Bund und Europa brauche.

"Wir haben doch gerade in der Bundesregierung erlebt, dass wir bei diesem Thema relativ alleine sind", sagte Dorn. Es habe sich auch schmerzlich als Irrtum erwiesen, "dass wir die Versäumnisse der letzten Jahre beim Heizungsgesetz in einem dreifachen, vierfachen Tempo aufholen können."

Das überzeugte die Kritiker an der Vorlage nicht. "Ein Schnellstmöglich gab es in den vergangenen Jahren auch schon. Wir brauchen klar festgelegte Ziele", sagte Katharina Meixner. Und Lily Sondermann entgegnete Dorn: Selbst wenn es gut gemeint sei, bleibe "schnellstmöglich" ein Wort, "mit dem sich Menschen aus der Verantwortung stehlen" - bei der Bitte zum Beispiel, den Müll hinunter zu bringen. Angesichts der schrecklichen Folgen des Klimawandels brauche Hessen aber Verbindlichkeit und einen klaren Weg.

Applaus im Stehen

Zuvor hatte Spitzenkandidat Al-Wazir langen Applaus im Stehen für seine Rede erhalten. In der seit 2014 in Hessen bestehenden Koalition mit der CDU hätten die Grünen als kleinerer Partner viel erreicht, hatte er zuvor gesagt. Er nannte als Beispiel Erfolge in der Agrar- und Energiewende. Entgegen anderer Voraussagen habe die Partei dadurch die Zahl der Mandate bei der letzten Landtagswahl nicht halbiert sondern verdoppelt, rechnete er vor. 2013 holten die Grünen 14 Sitze, 2019 wurden daraus 29.

Auf die jüngsten Reibereien innerhalb der schwarz-grünen Koalition und einen öffentlichen Krach wegen der Aufarbeitung des Hanau-Attentats in einem Untersuchungsausschuss ging der Spitzenkandidat der Grünen nicht ein. Er betonte im Gegenteil, dass man in der bisherigen gemeinsamen Regierungszeit nicht öffentlich gestritten habe.

Allerdings begründete er seinen Griff nach dem Ministerpräsidenten-Posten mit erheblichen Differenzen in politischen Grundhaltungen beider Parteien: "Wir sind in manchen Bereichen aber auch an Grenzen gestoßen, weil es eben darauf ankommt, wer die Regierung führt."

"Nicht mit dem Kopf durch die Wand"

Auch auf den Streit in der Berliner Ampelkoalition und das vom grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck angestoßene Heizungsgesetz ging Al-Wazir nicht direkt ein. Die Grünen hätten in Hessen gezeigt, dass sie verantwortungsbewusst und verlässlich regieren, betonte er.

Hier wolle man die nötigen Veränderungen "mutig angehen", aber ohne "mit dem Kopf durch die Wand zugehen". Denn viele Menschen seien mit den aktuellen Krisen und Veränderungen überfordert.

Vorwurf: CDU spielt mit Populismus

Vor allem vor dem Hintergrund des Klimawandels will Al-Wazir seine Partei im Wahlkampf auch als diejenige positionieren, die ehrlich ist. Der CDU und ihrem Bundesvorsitzenden Friedrich Merz warf er ein "Spiel mit dem Populismus" vor. Sie tue so, als müsse sich nichts ändern.

Wie Kaiser Wilhelm II. noch an die Zukunft von Kutsche und Pferd als Verkehrsmittel geglaubt habe, glaube nun auch die Hessen-CDU, den Verbrennungsmotor verbessern zu können. Die oppositionelle SPD wiederum erwecke den falschen Eindruck, die anstehenden Veränderungen seien möglich, ohne dass es jemand merken müsse.

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