Fahrradbügel stehen am Bebelplatz in Kassel, mit einigen angeschlossenen Fahrrädern

Erfolglose Wasserstoffbusse in Wiesbaden, diebische Radbügel in Kassel oder Millionen für eine geplatzte Pokal-Party: Der Bund der Steuerzahler hat auch in diesem Jahr besonders schwere Fälle von mutmaßlicher Steuerverschwendung veröffentlicht. Das sind die größten Aufreger.

Videobeitrag

Video

Wo Millionen an Steuern verschwendet werden

Vier Leute am Rednerpodium
Ende des Videobeitrags

Wo geben Land und Kommunen in Hessen mutmaßlich zu sorglos öffentliches Geld aus? Der hessische Bund der Steuerzahler (BdSt) prangert in seinem neuen Schwarzbuch wieder Fälle an, bei denen seiner Meinung nach Steuern verschwendet wurden. Am Donnerstag wurde die bereits 51. Auflage vorgestellt - erneut mit einigen drastischen Fällen.

Frankfurt: Geplatzte Eintracht-Pokalfeier wurde teuer

Die Stadt Frankfurt plante Anfang Juni für ihr sportliches Aushängeschild Eintracht Frankfurt im Fall des Pokalsiegs ein rauschendes Fest auf dem Römerberg. Weil der Fußballclub im DFB-Pokal-Endspiel gegen Leipzig den Kürzeren zog, fiel die Party aus. Trotzdem musste die Stadt große Teile dafür zahlen.

Der Stromverbrauch, die Müllentsorgung oder Teile der Personalkosten, die erst am Empfangstag entstanden wären, konnten minimiert werden. Doch unter dem Strich waren es immer noch 1,2 Millionen Euro für eine Feier, die gar nicht stattfand. Eintracht Frankfurt steuerte lediglich rund 350.000 Euro bei, die Frankfurter Steuerzahler blieben dagegen auf Kosten von rund 850.000 Euro sitzen.

Viel Geld für eine Stadt, deren finanzielle Lage seit Jahren angespannt ist und deren Haushalt für 2023 ein Minus von über 60 Millionen Euro vorsieht, quittiert der Steuerzahlerbund. "Eine solch teure Party zu planen und dann platzen zu lassen, wirft Fragen auf: Warum müssen die Steuerzahler den Großteil zahlen und nicht der millionenschwere Club? Warum kommen andere Städte mit deutlich weniger Aufwand aus? Und warum hat man nicht den zweiten Platz oder ein Alternativ-Event gefeiert, wenn die Kosten ohnehin anfallen?", schreibt der BdSt.

Pfungstadt: 20 Millionen Euro für den Hessentag

Jedes Jahr wird das Landesfest in einer anderen hessischen Stadt ausgerichtet. Viele andere Bundesländer veranstalten ähnliche Freudenfeste. Doch der Hessentag ist mit Abstand die längste und teuerste Veranstaltung dieser Art und belastet die Steuerzahler jährlich mit rund 20 Millionen Euro. 2023 stiegen die Kosten krisenbedingt noch einmal sprunghaft an, sodass das Fest in Pfungstadt (Darmstadt-Dieburg) kurz vor Beginn sogar auf der Kippe stand.

Das bisherige XXL-Format sei nicht mehr zeitgemäß und müsse dringend verschlankt werden, heißt es im aktuellen Schwarzbuch. Im Jahr 1961 habe alles bescheiden mit einem Wochenende begonnen, mittlerweile seien es zehn Tage.

"Der Hessentag ist längst kein heimeliges Fest zur Stärkung der hessischen Identität mehr, sondern ein millionenschweres Unterhaltungs-Event mit Kirmesbuden und Konzerten nationaler oder gar internationaler Stars, von denen viele keinen Bezug zur Region haben", kritisiert der BdSt.

Fulda: 4,8 Millionen Euro für Schlossturm

Der Steuerzahlerbund kritisiert im Schwarzbuch außerdem, dass Fulda seinem Stadtschloss "eine überflüssige Krone aufsetzt". Eigentlich waren nur die Instandsetzung und barrierefreie Erschließung des vom Verfall bedrohten Schlossturms vorgesehen. "Als sich herauskristallisierte, dass Fördermittel des Landes großzügig zur Verfügung stehen, plante die Stadt um: Der Schlossturm wird nun umfassend historisch aufgearbeitet", schreibt der BdSt.

Die Gesamtkosten des Projekts belaufen sich inzwischen auf 4,8 Millionen Euro und haben sich laut Stadt durch Effekte der Corona-Pandemie sowie des Ukraine-Kriegs erhöht.

Zusätzlich zu den 4,8 Millionen Euro sollen die Kosten für die "Stadtkrone" 600.000 Euro betragen. Beim Blick von unten aus dem direkten Umfeld dürfte sie kaum auffallen, schreibt der BdSt. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts hatte der Schlossturm eine Überdachung, die mutmaßlich der Verwitterung oder einem Brand zum Opfer fiel. Seitdem hatte der Turm ein flaches Dach.

Kassel: 840.000 Euro für einfach demontierbare Radbügel

Die Stadt Kassel möchte die Verkehrswende vorantreiben und hat dafür unter anderem am Ausbau des Radverkehrsnetzes gearbeitet. Seit 2022 läuft das Setzen von 950 Fahrradbügeln, die in der Regel jeweils zwei Rädern eine Abstellmöglichkeit bieten sollen. Als Kostenstand nannte die Stadt circa 840.000 Euro.

Das Problem laut Steuerzahlerbund: Die installierten Fahrradbügel in Kassel sind einfach zu demontieren. So hätten Diebe zu leichtes Spiel - gefördert von den Steuerzahlern. "Wer will, dass die Verkehrswende Fahrt aufnimmt, muss Abstellmöglichkeiten für Fahrräder schaffen, denen man vertrauen kann", heißt es im Schwarzbuch.

Dabei sei die leichte Entfernung der Bügel von der Stadt so geplant gewesen: Kassel verweise explizit auf die Vorteile einer leichten Demontage im Bedarfsfall, zum Beispiel, wenn der Platz für Veranstaltungen oder Baustellen gebraucht würde. Deshalb seien auch Straßenschilder in gleicher Weise demontierbar. "Während sich die Nutzer um ihre Räder sorgen, verweist die Stadt unverdrossen auf die Vorteile der Abstellanlagen", bemängelt der BdSt das Projekt.

Wiesbaden: Wasserstoffbusse vor die Wand gefahren

Für zwei Millionen Euro errichtete die Stadt Wiesbaden eine Wasserstofftankstelle. Lange dauerte es, bis die ersten Busse dort betankt wurden. Nach nur einem Jahr war Schluss und die Stadt musste zusehen, die für Millionensummen angeschafften Busse und die Tankstelle wieder loszuwerden.

Ein Grund: Platzgründe auf dem Betriebshof, teilte der Geschäftsführer der städtischen Verkehrsgesellschaft ESWE, Jan Görnemann, dem hr im Dezember 2022 mit. Hinzu komme, dass die Wasserstoffbusse nur mit einer Länge von zwölf Metern und ohne Gelenk auf dem Markt verfügbar seien. Um der hohen Nachfrage an Fahrgästen in der verstopften Innenstadt gerecht zu werden, will die ESWE nun vermehrt auf längere Busse von knapp 19 Metern setzen. Dazu sollen bis 2024 nun noch einmal 36 Dieselbusse gekauft werden.

Der BdSt kritisiert: "Die Gründe für das Aus der Brennstoffzellenbusse sind allesamt hausgemacht und nicht neu – und wurden dennoch bei der Entscheidung zur Einführung nicht berücksichtigt." Wiesbaden habe sehenden Auges Steuergelder für ein Projekt ausgegeben, gegen das gewichtige Argumente sprachen. "Die Stadt und ihre Verkehrsgesellschaft müssen den Schaden begrenzen und bei künftigen Entscheidungen Projekte bis zum Ende denken", schreibt der BdSt.

Wiesbaden: Vom einstigen Kulturpalast zur Ruine

Die Landeshauptstadt hat es noch ein weiteres Mal ins Schwarzbuch geschafft. Der Steuerzahlerbund moniert, dass Wiesbaden 2007 das ehemalige Varieté-Theater Walhalla kaufte, ohne seitdem eine Idee für dessen Nutzung umzusetzen.

"Stattdessen ließ die Stadt das Gebäude lange Jahre verfallen, bis es quasi eine Ruine war. Statt einen Investor und Betreiber zu suchen, will sie die Sanierung mit geplanten Kosten in Höhe von mindestens 50 Millionen Euro nun selbst stemmen - obwohl ein konkretes Nutzungskonzept erst noch erarbeitet werden soll", wird im Schwarzbuch kritisiert.

Der Bund der Steuerzahler hoffe, dass der parallele Prozess von Nutzungs- und Bauplanung nicht noch zu unnötigen Mehrkosten durch Umplanungen führen wird. Wie teuer das Projekt für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler am Ende wird, sei unklar.

Weitere Informationen

Bund der Steuerzahler und Schwarzbuch

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) listet in seinem jährlich herausgegebenen Schwarzbuch die seiner Ansicht nach gravierendsten ihm bekannten Beispiele für die Verschwendung öffentlicher Mittel auf. Der Verein wurde 1949 von einem Finanzwissenschaftler, einem Steuerberater und einem Wirtschaftsjournalisten gegründet. Er ist laut Satzung überparteilich, unabhängig und gemeinnützig. Der Verein hatte nach eigenen Angaben 2018 etwa 230.000 Mitglieder. Er finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Der BdSt gilt als die größte Steuerzahlerorganisation der Welt.

Ende der weiteren Informationen
Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen