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"Sieht nach einem ganz schlechten Start aus"

Die Fassade des Neuen Rathaus aus der Froschperspektive fotografiert.

Bevor die neu gewählte Stadtverordnetenversammlung in Darmstadt zusammentritt, gibt es Streit: Die bisherigen grün-schwarzen Koalitionspartner wollen die Zahl der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder deutlich erhöhen.

Die Stimmung unter den neu gewählten 71 Stadtverordneten in Darmstadt ist schlecht - und das bereits, bevor sie am Donnerstag zum ersten Mal zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammenkommen.

Anlass ist ein Vorschlag von Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) und Stadtkämmerer André Schellenberg (CDU), über den auf der ersten Sitzung abgestimmt werden soll. Demnach soll die Zahl der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder von 10 auf 13 erhöht werden.

Begründung: Bei der Kommunalwahl im März seien erstmals zwölf Parteien und Wählervereinigungen in die Stadtverordnetenversammlung gewählt worden. Diese neue Vielfalt solle auch im neuen Magistrat abgebildet werden.

SPD ruft zur Ablehnung auf

Die SPD - mit zwölf Sitzen zweitgrößte Fraktion - und die Linksfraktion (fünf Sitze) haben dazu aufgerufen, die Pläne zurückzunehmen beziehungsweise abzulehnen. Der SPD-Vorsitzende Tim Huß vermutet, dass die bisherigen Koalitionspartner Grüne (20 Sitze) und CDU (11) diesen Vorstoß zum eigenen Vorteil nutzen wollen. Außerdem könne die AfD profitieren. Die AfD hatte mehr als die Hälfte ihrer Sitze verloren und kommt jetzt noch auf drei.

Sollte die Stadtverordnetenversammlung der Erweiterung des Magistrats zustimmen, führt das laut SPD dazu, dass sich Grüne und CDU jeweils einen zusätzlichen Magistratssitz schaffen und der dritte Sitz zwischen AfD und der Wählervereinigung Uwiga (zwei Sitze) ausgelost wird. "Die SPD ruft alle Stadtverordneten auf, die Vorlage in aller Deutlichkeit abzulehnen."

Linke: AfD wird Boden bereitet

Die Linksfraktion argumentiert, dass die AfD wegen ihrer Stimmenverluste ohne die Erweiterung des Magistrats keine Chance auf einen Sitz hätte. Doch nun bereiteten Grüne und CDU der AfD den Boden.

Zudem kritisieren die Linken die damit verbundenen Mehrkosten von etwa 36.000 Euro wegen zusätzlicher Aufwandsentschädigungen für die ehrenamtlichen Stadträte. Dieses Geld kann laut Linksfraktion "an so vielen Stellen dieser Stadt nutzbringend verwendet werden".

"Kein Smiley"

Für ihren umstrittenen Vorschlag brauchen Grüne und CDU Verbündete: Denn die bisherigen Koalitionspartner haben in der neuen Stadtverordnetenversammlung keine Mehrheit mehr. Zusammen kommen sie auf 31 von insgesamt 71 Sitzen.

Wollten sie die Stadt weiter regieren, bräuchten sie mindestens einen Partner, wie zum Beispiel die Newcomer von Volt, die auf fünf Sitze kommen.

Doch auch Volt äußerte sich kritisch. Fraktionsmitglied Nicolas Kämmerer sagte dem Darmstädter Echo, dass man das vorgebrachte Argument der Vielfalt nicht verstehe. Der Stadtverordnete von Ufbasse (fünf Sitze), Sebastian Schmitt, sagte der Zeitung, ein Mehrgewinn für die Demokratie sei nicht unbedingt erkennbar.

Der Darmstädter Vorsitzende der FDP (vier Sitze), Leif Blum, kritisierte im Darmstädter Echo: "So wird der ehrenamtliche Magistrat zum Selbstbedienungsladen einer abgewählten Koalition degradiert." Die Satirepartei Die Partei (zwei Sitze) twitterte über den Plan: "Kein Smiley".

Darmstadts OB von @GrueneDA und ein Dezernent der @CDUDarmstadt möchten den Magistrat um 3 Plätze erweitern. Damit würden die Wahlverliererinnen Grüne und cDU jeweils 1 Magistratsposten mehr bekommen und die #fckafd könnte auch wieder in das Gremium einziehen. Kein Smiley

[zum Tweet]

Chance auf knappe Mehrheit

Neben der zahlreichen Kritik kündigte der Chef der Uwiga, Helmut Klett, im Darmstädter Echo an, dass man dem Vorschlag zustimmen wolle. Die unabhängige Wählervereinigung könnte ebenso mit einem Sitz im ehrenamtlichen Magistrat profitieren wie die AfD. Ob die AfD am Donnerstag zustimmen wird, war am Mittwoch unklar. Die Fraktion wolle noch einmal beraten, sagte der Vorsitzende Günter Zabel auf hr-Nachfrage.

"Im Grunde sind wir dafür, wenn es den Sinn und Zweck hat, die politische Vielfalt und alle gewählten Vertreter (Fraktionen) abzubilden", teilte Zabel mit. "Es verdichten sich aber die Informationen, dass es zur Erweiterung der Machtfunktion der potenziellen Stadtregierung dienen könnte, was nicht im Sinne des verkündeten Zeitgeistes wäre."

Die Chancen, dass die Magistratserweiterung am Donnerstag beschlossen wird, stehen demnach nicht schlecht: CDU, Grüne, Uwiga und AfD hätten zusammen eine knappe Mehrheit von 36 Stimmen. Alle vier könnten von dem Votum profitieren.

Sendung: hr4 für Rhein-Main und Südhessen, 21.04.2021, 16.30 Uhr