Zwei Bilder stehen nebeneinander. Links der Hessische Landtag und rechts eine Trecker-Kolonne von protestierenden Bauern.

Mit rund 2.000 Traktoren sind am Montag protestierende Landwirte durch Wiesbaden gefahren, mit Stopp vor der hessischen Staatskanzlei. Auch mancher Politiker war inmitten der Demo unterwegs. Die Reaktionen der Parteien im Landtag: gemischt.

"Politischer Mist düngt nicht" oder "Jetzt reicht's" war am Montag in Wiesbaden auf Plakaten zu lesen, die einige hessische Landwirte vor ihre Maschinen gehängt hatten. Gemeint waren damit die Kürzungen der Ampelregierung im Bund bei Agrarsubventionen. Rund 2.000 Traktoren rollten den Tag über unter lautem Hupen durch die Landeshauptstadt.

Ziel der Sternfahrt durch Hessen war eine zentrale Kundgebung vor der Staatskanzlei. Die hessische Landespolitik reagierte unterschiedlich auf die Wut der Landwirte.

CDU: Bauern-Proteste "nachvollziehbar und berechtigt"

"Ich hoffe, dass Ihr Protest auch gehört wird", sagte der scheidende Chef der hessischen Staatskanzlei, Axel Wintermeyer (CDU), der am Montag auf dem Podium vor der Staatskanzlei sprach. Mehr als 80 Prozent der Fläche Hessens seien ländlich geprägt, und gerade in den jetzigen Krisenzeiten gelte: "Unsere Bauern sind unsere Lebensversicherung."

Die künftige schwarz-rote Landesregierung werde "sich dafür einsetzen, dass die Landwirte in Hessen weiter gute Bedingungen vorfinden". Die neue Landesregierung aus CDU und SPD werde einen stärkeren Fokus auf die Landwirtschaft legen, kündigte Wintermeyer an.

Als "nachvollziehbar und berechtigt" bezeichnete auch die Vorsitzende der hessischen CDU-Landtagsfraktion, Ines Claus, die Bauernproteste. "Es ist ein erster Schritt, dass die Verantwortlichen in Berlin teilweise eingelenkt und einen Teil der völlig überproportionalen Belastungen der Landwirte zurückgezogen haben", teilte sie am Montag mit.

Claus ist nach eigenen Worten davon überzeugt, dass die Agrardiesel- und Kfz-Steuerbefreiung entscheidende Schritte seien, um die Agrarbranche wettbewerbsfähig zu halten.

Grüne: "Landwirtschaft muss ihren Beitrag leisten"

Hans-Jürgen Müller, der landwirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion war selbst jahrzehntelang Landwirt. Auch er gab am Montag in Wiesbaden Interviews im Hupen- und Motorenlärm: "Ich kann den Unmut der Bäuerinnen und Bauern sehr gut verstehen", sagte er dem hr.

Die KfZ-Steuerbefreiung und die Agrardiesel-Subventionen für Landwirte zu kippen, sei eine "falsche Entscheidung" gewesen. Andere Branchen würden für die Sparanstrengungen der Bundesregierung weniger belastet, sagte Müller und nannte als Beispiel den Luftverkehr.

Dennoch verteidigte Müller die Pläne der Bundesregierung insgesamt: Die verbliebenen Kürzungsvorschläge würden zeitlich über mehrere Jahre gestreckt, damit die Betriebe sich darauf einstellen könnten. Die Landwirtschaft müsse angesichts des Klimawandels einen Beitrag leisten. "Von dieser Aufgabe gibt es kein zurück - der müssen wir uns stellen", sagte Müller. Seine Fraktion werde das in Hessen künftig auch aus der Opposition heraus tun.

Von der hessischen SPD-Fraktion gab es am Montag keine Stellungnahme. Sie teilte auf Anfrage mit, sich nicht zu den Protesten äußern zu wollen.

AfD: "Fass für viele Menschen übergelaufen"

Die hessische AfD hatte in Wiesbaden nahe dem Theater einen Stand aufgebaut. Der Vorsitzende der Landtagsfraktion, Robert Lambrou, schüttelte dort Hände. Er sagte dem hr, die AfD unterstütze die Bauernproteste. Die Bundesregierung investiere viel Geld "in andere Länder" und erhöhe hierzulande Steuern und Abgaben.

Ob die AfD selbst die Landwirtschaft im Allgemeinen und den Agrar-Diesel im Speziellen weiter subventionieren würde, wenn sie an der Macht wäre, beantwortete Lambrou auch auf mehrfache Nachfrage nicht konkret. Er wiederholte stattdessen, dass nach seinem Eindruck "für viele Menschen das Fass übergelaufen" sei. Die AfD sei "gegen die Kürzungen der Ampel-Regierung."

FDP: "Wer Nahrungsmittel erzeugt, darf nicht belastet werden"

Eine weitere Ampel-Partei zeigte sich kritisch mit den Berliner Kürzungsmaßmahmen: Die FDP-Fraktion im Landtag sagte den Landwirten am Montag ihre Unterstützung zu. Die landwirtschaftspolitische Sprecherin, Wiebke Knell, bezeichnete die Forderung der Bauern nach einer kompletten Rücknahme der Kürzungen als "verständlich".

Knell sagte: "Wer die Nahrungsmittel für die Bevölkerung erzeugt, darf nicht über Gebühr belastet und in der Arbeit eingeschränkt werden." Dies sei in Hessen unter Schwarz-Grün "viel zu oft geschehen".

Politiker warnen vor rechter Vereinnahmung

Eines hoben fast alle befragten Politiker hervor: Protest müsse friedlich stattfinden. Das sagte die FDP-Abgeordnete Knell ebenso wie Staatskanzlei-Chef Wintermeyer (CDU): "Was wir nicht akzeptieren können, ist, dass Trittbrettfahrer, Reichsbürger oder andere Menschen, die braun denken, versuchen, diese Proteste zu instrumentalisieren." Beide lobten den Bauernverband, der sich vorab bereits von Versuchen der Vereinnahmung von rechts distanziert hatte.

Der Grünen-Abgeordnete Müller betonte, Blockadeaktionen wie kürzlich gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) seien inakzeptabel. Vergangene Woche hatten Demonstranten Habeck an der Nordseeküste am Verlassen einer Fähre gehindert. Es hatte Hinweise darauf gegeben, dass Personen aus dem rechtsradikalen Spektrum in sozialen Netzwerken zu der Aktion angestachelt haben könnten.

Rechtsextreme Flugblätter bei Demo verteilt

Friedlich blieb es somit zwar in Wiesbaden: Die Polizei zog am Abend eine positive Bilanz. Dennoch teilte das hessische Landesamt für Verfassungsschutz auf hr-Anfrage mit, es habe auch bei hessischen Bauern-Protesten "vereinzelte Teilnahmen von Personen aus dem parteigebundenen rechtsextremistischen Spektrum festgestellt", die versuchten, "die Versammlungen und Veranstaltungen für Ihre Zwecke zu nutzen."

Nach Beobachtung von hr-Reportern waren in Wiesbaden am Montag Sympathisanten der rechtsradikalen Partei "Die Heimat" (ehemals NPD) inmitten des Demo-Geschehens unterwegs, die Transparente trugen und Flugblätter verteilten.

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