Das Leben in vollen Zügen genießen - das war das Motto des Sommers, dank des 9-Euro-Tickets. Die Verkehrsverbünde in Hessen ziehen mit Millionen verkaufter Tickets eine positive Bilanz. Die Zukunft ist dennoch ungewiss.

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Bilanz: So kam das 9-Euro-Ticket bei den Menschen an

Ein 9-Euro-Ticket für Juli 2022 wird am Hauptbahnhof hochgehalten, während Zugreisende aus einer Regionalbahn aussteigen ()
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Viele Fahrgäste haben seit Beginn der Corona-Pandemie einen großen Bogen um Busse und Bahnen gemacht. Zu groß war die Sorge, sich in überfüllten Zügen mit dem Virus anzustecken. Doch das 9-Euro-Ticket hat der ÖPNV-Branche zum Comeback verholfen:

In Hessen waren im Aktionszeitraum Juni bis August täglich etwa 2,7 Millionen Fahrgäste unterwegs.

9-Euro-Ticket fand reißenden Absatz

"Das war ein Verkaufsschlager. Dadurch haben wir bei den Fahrgastzahlen das Niveau vor Corona erreicht", resümiert André Kavai, Geschäftsführer des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV). Fast ein Drittel der Fahrten sei dabei auf neue Kunden zurückzuführen.

Im Aktionszeitraum wurden im RMV-Gebiet rund 2,3 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft. Davon hat allein die Frankfurter Verkehrsgesellschaft (VGF) 570.000 Fahrscheine an die Kunden gebracht.

Auch beim Nordhessischen Verkehrsverbund (NVV) war das Ticket ein Erfolg, auch wenn das Einzugsgebiet viel kleiner ist: Hier kauften die Kunden insgesamt 300.000 Fahrscheine. Hinzu kommen mehr als eine Million Abokunden in Hessen, die ihre Jahreskarte automatisch als 9-Euro-Ticket nutzen konnten und die Differenz erstattet bekamen.

Andrang am Frankfurter Hauptbahnhof am Freitag vor Pfingsten

Niedrige Fahrpreise allein reichen nicht aus

Zum Einsatz kam das Flatrate-Ticket vor allem an Wochenenden und Feiertagen, um Ausflugsziele in der Region zu erkunden. Selbst stark überfüllte Busse und Bahnen konnten die Fahrgäste nicht davon abhalten, sich samt Kind, Kegel und Fahrrad auf die Reise zu machen.

NVV-Geschäftsführer Steffen Müller freut sich zwar über den Zuspruch, hat aber auch Zweifel am langfristigen Nutzen der Aktion. "Unsere Einschätzung ist, dass niedrige Fahrpreise allein die Menschen nicht dauerhaft überzeugen können, mit Bus und Bahn zu fahren. Vielmehr braucht es dazu vor allem gute und verlässliche Verbindungen."

RMV hat seine Preise erhöht

Doch ein besser ausgebautes, dichtes ÖPNV-Netz kostet viel Geld, und um die Finanzierung wird seit Monaten heftig gestritten. Die Verkehrsunternehmen sind wegen gestiegener Energiepreise, Betriebs- und Personalkosten unter Druck. Gleichzeitig sollen sie ihr Angebot in den kommenden Jahren ausbauen, um neue Kunden zu gewinnen.

Der RMV hat deshalb bereits im Juli die Fahrpreise kräftig erhöht, um 3,9 Prozent. Kunden müssen beispielsweise für Einzelfahrscheine in Marburg, Fulda oder Darmstadt 15 Cent mehr zahlen, in Wiesbaden kommen sogar 20 Cent oben drauf.

Hessen will mit 31- oder 69-Euro-Ticket weiter machen

Wegen der gestiegenen Kosten fordern die ÖPNV-Branche und die Länder mehr Geld vom Bund: Über die Regionalisierungsmittel für den Nahverkehr sollen zusätzliche 1,5 Milliarden Euro im Jahr fließen. Im Herbst wollen die Parteien hier eine Lösung finden.

Zusätzliches Geld für einen 9-Euro-Nachfolger ist hier noch gar nicht mit eingerechnet. Aktuell sind mehrere Rabattmodelle im Gespräch. Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) sprach sich im hr-Sommerinterview für folgenden Vorschlag aus:

"Ein 31-Euro-Ticket für Bedürftige und ein 69-Euro-Ticket für alle anderen. Das kostet bundesweit etwa zwei Milliarden Euro. Hier ist nun die Bundesregierung am Zug." Sprich: Der Bund soll die Kosten für das Nachfolgeticket tragen. Doch der finanziert bereits die 2,5 Milliarden Euro für das 9-Euro-Ticket.

Bund stellt Nachfolgeangebot in Aussicht

Bundesverkehrsminister Volker Wissing und Finanzminister Christian Lindner (beide FDP) lehnen es ab, noch einmal so eine hohe Summe für ein Flatrate-Angebot bereitzustellen.

Wissing kündigte jetzt aber an, dass es dennoch ein Nachfolgeangebot geben soll. Auch die Länder müssten dann finanziell ihren Beitrag dazu leisten. Details zur Ausgestaltung nannte er allerdings nicht: Wie viel der 9-Euro-Nachfolger kosten soll und wann er kommt, ist offen.

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