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Online-Supermarkt Picnic stellt seine Pläne für Hessen vor

Ein Handy mit Apps von Picnic und Knuspr.

Lebensmittel per App bestellen und bequem nach Hause bringen lassen: Immer mehr Lebensmittellieferdienste machen dem klassischen Supermarkt Konkurrenz. Im Rhein-Main-Gebiet drängt mit dem niederländischen Start-up Picnic jetzt ein neuer Player in den Markt.

Statt Obst und Gemüse, Brot, Nudeln oder Shampoo im Supermarkt einzukaufen, lässt sich der Wocheneinkauf auch bequem vom Sofa aus erledigen. Spätestens seit der Corona-Pandemie machen das auch in Hessen immer mehr Anbieter möglich.

Im Rhein-Main-Gebiet und in Südhessen will nun ein weiterer Onlinehändler seine Dienste anbieten: Das Start-up Picnic, das 2015 in den Niederlanden gegründet wurde, möchte sein Deutschlandgeschäft spätestens zum Ende der Sommerferien am 1. September ausweiten. In 80 Städten in Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Berlin sei der Online-Supermarkt bereits verfügbar, sagt Picnic-Deutschland-Mitgründer Frederic Knaudt.

Hierzulande möchte Picnic mit Städten wie Darmstadt, Wiesbaden oder Mainz beginnen. Frankfurt und weitere Städte sollen folgen.

Kühllager so groß wie drei Supermärkte

Zunächst werde in Viernheim (Bergstraße) ein erstes Kühllager auf einer Fläche von 20.000 Quadratmetern errichtet, kündigte Knaudt an. Das entspricht ungefähr drei durchschnittlichen Rewe- oder Edeka-Märkten. Ein bis zwei weitere Großlager sollen zu einem späteren Zeitpunkt folgen. "Wir können uns vorstellen, von dort aus irgendwann 40 bis 50 Orte zu beliefern."

Links und rechts sind lange gefüllte Regale. Durch einen Gang dazwischen zieht eine Mitarbeiterin einen Rollwagen mit Lebensmitteln.

Bestellt wird über eine App. Bis 22 Uhr kann für den Folgetag eingekauft werden. Für die Lebensmittel zahle der Kunde nicht mehr als im Supermarkt, verspricht Knaudt. Und es gebe keine Liefergebühr, aber einen Mindestbestellwert von 35 Euro.

Das sei möglich, weil es statt vieler teurer Filialen wenige große Kühllager gebe, von denen aus die Lebensmittel in die Städte geliefert werden. Dort befinden sich kleinere Verteilzentren, von denen aus die Fahrer in kleinen Elektrotransportern zu den Kunden fahren. Der Transport vom Groß- zum kleinen Lager erfolgt bisher allerdings mit klassischen Transportern.

Die Route berechnet eine KI

Besonders teuer bei der Lieferung sei die sogenannte letzte Meile, also der Weg vom Lager zum Kunden. Um hier weniger Kilometer zurücklegen zu müssen, plant eine Künstliche Intelligenz die Routen, wie Knaudt erklärt. Nur einmal am Tag soll ein Picnic-Fahrer in eine Straße kommen. Die Kunden müssen sich nach Zeitfenstern richten, die ihnen die KI vorgibt.

Beim Einkauf arbeitet Picnic mit der Edeka-Gruppe zusammen, die einen Minderheitsanteil an dem Unternehmen hält. Verkauft werden neben Edeka-Produkten auch in der Region produzierte Lebensmittel, zum Beispiel von Bäckern oder Landwirten.

Ein Kleintransporter von Picnic vor einem Haus.

Zunächst will Picnic im Rhein-Main-Gebiet etwa 1.000 Mitarbeiter beschäftigen. Die Fahrer werden zum Teil über Personaldienstleister zur Verfügung gestellt, räumt Knaudt ein, "aber wir arbeiten daran, die Mitarbeiter zu übernehmen". Nach Angaben des Mitgründers erhalten sie einen Stundenlohn von knapp über 12 Euro.

Branche wegen Arbeitsbedingungen in der Kritik

Immer wieder waren Lieferdienste in der Vergangenheit wegen ihrer prekären Beschäftigungsverhältnisse in die Kritik geraten. So hatte der Händler Gorillas 2021 mit streikenden Auslieferern Schlagzeilen gemacht. Gorillas hatte die Mitarbeiter gefeuert und gerichtlich Recht bekommen, weil die Streikenden nicht gewerkschaftlich organisiert waren.

"Bei uns haben die Mitarbeiter Möglichkeiten, sich einzubringen", verspricht Knaudt. "Die Arbeitsstunden werden alle bezahlt, wir sorgen für Verpflegung und Equipment der Fahrer."

Knuspr will auch expandieren

Gegen die Konkurrenz wird sich Picnic erst einmal behaupten müssen: Gerade auf Frankfurts Straßen sind die Autos und E-Bikes vieler anderer Onlinehändler unterwegs. Der einstige Getränkehändler Flaschenpost beispielsweise kooperiert mit Alnatura und hat seitdem vermehrt Lebensmittel im Sortiment. Rewe und Flink sind ebenfalls in Frankfurt aktiv.

Seit gut einem Jahr versorgt auch Knuspr, Teil der tschechischen Rohlik-Gruppe, von Bischofsheim (Groß-Gerau) aus die Städte Frankfurt, Wiesbaden, Mainz, Darmstadt und alle dazwischenliegenden Orte. Wie Picnic setzt Knuspr auf ein großes Lagerzentrum pro Standort und Lebensmittel von regionalen Anbietern, etwa Metzgereien und Bäckereien. Sie machen mehr als 30 Prozent der angebotenen Ware aus.

Das erste Geschäftsjahr schloss Knuspr nach eigenen Angaben mit 70.000 Kunden und einem Netto-Umsatz von 23 Millionen Euro ab. Für die kommenden drei Jahre haben sich die Tschechen das ambitionierte Ziel gesetzt, 30 Millionen Kunden zu erreichen.

Hart umkämpfter Markt

Das Potenzial sei noch lange nicht ausgeschöpft, meint auch Frederic Knaudt von Picnic. "Für die breite Bevölkerung ist der Online-Lebensmittelhandel noch nicht attraktiv, das wollen wir ändern." Laut dem Online-Monitor 2023 des Handelsverbands HDE lag der Onlineanteil am Einzelhandel im Non-Food-Bereich bei 18,6 Prozent, bei Lebensmitteln inklusive Getränke und Tabakwaren hingegen nur bei 2,9 Prozent.

"Das ist ein Geschäft, wo es sehr schwer ist, Geld zu verdienen", sagte Rewe-Chef Lionel Souque kürzlich in einem Interview mit dem Handelsblatt. "Wir machen mit den Rewe-Supermärkten in Deutschland 30 Milliarden Euro Gesamtumsatz, aber nur eine Milliarde im E-Commerce." Doch die Umsätze wüchsen jedes Jahr.

Anders erging es offenbar Gorillas. Das während des Lockdowns gegründete Start-up aus Berlin machte im vergangenen Jahr pro Bestellung unterm Strich einen Verlust von 5,30 Euro. Inzwischen wurde Gorillas von seinem türkischen Konkurrenten Getir geschluckt.