Von Beruf Arztassistenz Physician Assistants - eine Lösung für überlastete Ärzte?

Arztbriefe vordiktieren, Untersuchungen betreuen oder bei Operationen unterstützen: Physician Assistants sollen Ärzte entlasten. Einige Kliniken in Hessen setzen bereits auf den noch relativ jungen Beruf - auch wenn dieser noch Fragen aufwirft.

Ein medizinisches Team bei einer Operation.
Ein medizinisches Team bei einer Operation. Bild © Imago Images
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Maren Nahler hat einen Job, den nur die wenigsten Patienten und Patientinnen kennen, wenn sie ihr im Krankenhaus begegnen: Physician Assistant, kurz PA. Übersetzt heißt das Arztassistentin. "Ich stelle mich dann immer vor und bekomme viele Fragen", sagt die 24-Jährige aus Frankfurt.

Physician Assistants sollen Ärzte entlasten, ihnen zuarbeiten und so Aufgaben abnehmen: von der Dokumentation, Verwaltung, Diagnostik bis hin zur Assistenz bei Operationen. Über den Status der Assistenz hinaus kann und darf der Beruf aber nicht gehen: Die Verantwortung für die Patienten liegt am Ende stets bei den Ärzten.

"Immer da, wo ich gebraucht werde"

Seit Dezember vergangenen Jahres arbeitet Nahler an der Varisano-Klinik in Bad Soden (Main-Taunus). Zunächst in der Allgemein- und Unfallchirurgie, in der Gynäkologie und jetzt in der Urologie. "Entweder assistiere ich im OP-Saal oder unterstütze die Ärzte auf der Station. Immer da, wo ich so gebraucht werde."

Vor ihrem Berufseinstieg studierte sie Physician Assistance im Bachelor an einer privaten Fachhochschule in Frankfurt - hessenweit die einzige Studienmöglichkeit. Neben Nahler gibt es eine weitere Physician Assistant in der Bad Sodener Klinik. Beide dürfen getrost noch als Pioniere im deutschen Krankenhausalltag bezeichnet werden.

Maren Nahler steht in einem Flur der Klinik.
Maren Nahler arbeitet als Physician Assistant an der Varisano-Klinik in Bad Soden (Main-Taunus). Bild © Varisano Bad Soden

Erst wenige tausend Physician Assistants in Deutschland

In Deutschland gibt es insgesamt erst wenige tausend Physician Assistants. Rund 1.800 Beschäftigte und etwa 3.400 Physician Assistants im Studium sind als Mitglieder bei der Deutschen Gesellschaft für Physician Assistants e.V. gemeldet - die tätsächliche Anzahl ist höher, denn eine Mitgliedspflicht gibt es nicht.

54 gelistete Physician Assistants leben und arbeiten in Hessen. Ihr Arbeitsalltag unterscheidet sich stark voneinander. Einer bundesweiten Studie zufolge arbeiten die meisten Physician Assistants in Kliniken, meistens in Abteilungen mit operativen Eingriffen. Aber auch Anstellungen in Reha-Kliniken, ambulanten Dialyse-Praxen, medizinischen Versorgungszentren oder Gesundheitsämtern sind möglich, abhängig ist das vom Arbeitgeber.

Anders als andere Heilberufe wie die der Ärztin, des Gesundheits- oder Krankenpflegers, der Hebamme oder des Notfallsanitäters gibt es derzeit keine staatlichen Vorgaben, wie man Physician Assistant wird. Üblich ist ein Bachelor-Studium.

Klinikum Fulda bildet Studierende in Praxisphasen aus

Das Klinikum Fulda hat das Potenzial von Physician Assistants vor einigen Jahren erkannt, wie Irene Scherer, stellvertretende Personalleiterin am Klinikum, erklärt. Seit 2018 kooperiert die Klinik mit der Staatlichen Berufsakademie im sächsischen Plauen. Studiert wird in Plauen, für den Praxisteil ihres dualen Physician Assistant-Bachelors kommen die Studierenden nach Osthessen.

Physician Assistants könnten in Fulda Arztbriefe vordiktieren, Erstbefunde von Patienten erheben, Untersuchungen nach ärztlicher Anweisung anordnen, Zugänge in Venen legen, stationäre Aufnahmen und Entlassungen planen - je nach Abteilung. Alle Chefärzte hätten für ihre Abteilungen die Tätigkeiten definiert, die an Physician Assistants delegiert werden dürften.

Übernahmen als Ziel der Kooperation

"Wir haben für uns einen guten Weg gefunden", bilanziert Scherer. "Die PAs arbeiten bei uns Arzt-unterstützend und Arzt-ergänzend, nicht Arzt-ersetzend." Alle Aufgaben würden währenddessen oder anschließend von einem Arzt kontrolliert.

Zwei bis drei Studierende bildet das Klinikum pro Ausbildungsjahr aus. Zehn ausgebildete Physician Assistants arbeiten derzeit am Klinikum, darunter sieben Mitarbeiter, die nach ihrem Studium übernommen wurden. "Übernahmen waren auch ganz klar unsere Zielsetzung."

Am Klinikum Fulda verdienen Physician Assistants zwischen rund 4.030 und 5.970 Euro brutto im Monat (Entgeldgruppe 11 TVöD). Abgerechnet werden Physician Assistants als Teil des ärztlichen Teams - und müssen somit auch bei den Stellenvorgaben für Ärzte an der jeweiligen Klinik berücksichtigt werden. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Physician Assistants e.V. liegt das durchschnittliche Jahresgehalt mit einem Bachelor bei 57.600 Euro brutto.

Hessenweit einzige Studienmöglichkeit in Frankfurt

Auf ein gemeinsames, in Überarbeitung befindliches Konzept für den aufstrebenden Beruf haben sich die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung 2017 geeinigt - darin steht zum Beispiel, welche Inhalte ein Physician-Assistance-Studium aufweisen sollte. Bekannt aus dem Medizin-Studium sind Fächer wie Anatomie, Mikrobiologie, Innere Medizin oder Anamnese.

Maren Nahler hat gleich nach ihrem Abitur mit dem Studium begonnen. Studiert hat sie an der Carl Remigus Medical School in Frankfurt. Die private Fachhochschule bietet seit knapp zehn Jahren die einzige Möglichkeit, in Hessen Physician Assistance zu studieren. Inzwischen lässt sich der Bachelor dort berufsbegleitend studieren, als Bachelor ohne Vorkenntnisse und als Master. Die Kosten für das private Studium belaufen sich auf 525 bis 625 Euro im Monat.

Demografischer Wandel erfordert mehr Personal

Bis zu zehn Monate verbringen die Frankfurter Bachelor-Studierenden in Praktika in Kliniken oder anderen medizinischen Einrichtungen. Studiendekan und Arzt Michael Hahn, der die Physician-Assistance-Studiengänge an den bundesweit drei Standorten der Fachhochschule betreut, sieht in dem in den USA und den Niederlanden bereits etablierten Beruf eine Lösung für den Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich.

Der Mangel an Ärzten werde durch den demografischen Wandel in den nächsten Jahren nochmals deutlich verstärkt. Zum einen würden die Ärzte der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen. "Andererseits werden wir alle zum Glück älter und können auch mit verschiedenen Krankheiten älter werden", sagt Hahn. "Wir brauchen aber dementsprechend mehr medizinische Betreuung."

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Ärztemangel in Hessen – zwischen Wartezeiten und Bürokratie

Ärzte im Krankenhaus
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Diagnose und Therapie unter Arztvorbehalt

Die Idee: Durch die Unterstützung der Physician Asisstants könnten sich die Ärzte auf die Aufgaben konzentrieren, die allein ein Arzt machen darf - dazu zählen Anamnesen, das Stellen von Diagnosen, die Aufklärung und Beratung der Patienten, die Entscheidung über Therapie und Behandlung sowie die Kernleistungen operativer Eingriffe.

Vieles aus dem klinischen Alltag ließe sich delegieren, sagt Hahn. "Die verantwortlichen Begleitärzte müssen sich aber vergewissern, dass die oder der PA ausreichend qualifiziert ist."

Die Verantwortung über Diagnose und Therapie bleibe bei Ärztinnen und Ärzten, betont auch die Landesärztekammer Hessen (LAEKH) auf Anfrage. Nur sie hätten die erforderlichen Fachkenntnisse. Physician Assistants arbeiteten als qualifizierte Fachkräfte an der "Schnittstelle zwischen Ärzteschaft, Pflegepersonal und den zu versorgenden Patientinnen und Patienten". Eine Lösung für den zunehmenden Ärztemangel seien sie jedoch nicht.

Manche Ärzte skeptisch gegenüber jungem Berufsbild

Ähnlich wie bei Ärzten in Weiterbildung, die nach ihrem Studium ihre Facharztausbildung beginnen, würden Physician Assistants anfangs in Absprache, unter Aufsicht oder mit Kontrollen arbeiten. Während die Ärzte in Weiterbildung - auch Assistenzärzte genannt - später eigenständig arbeiteten, blieben die Physician Assistants immer eine Assistenz des Arztes.

Unter Ärzten gibt es aber auch Kritik an der neuen Stelle. Manche fürchten um ihren Berufsstand, wie Hahn anmerkt. Im Hessischen Ärzteblatt wurde vor zwei Jahren vor einer Doppelung gewarnt, die weder entlaste noch Kosten spare. Es sei nicht ausreichend defininiert, welche Befugnisse die Physician Assistants hätten, lautete die Kritik.

"Es soll aber kein Ersatz von Ärzten sein, sondern eine Zusammenarbeit", entgegnet Hahn. "Ich persönlich glaube, dass es genug Arbeit für alle gibt." Es brauche aber klarere Vorgaben zur Zusammenarbeit und zur Qualifikation.

Kliniken teils noch überfordert mit Bewerbungen

Maren Nahler hatte nach ihrem Abschluss in Frankfurt anfänglich Schwierigkeiten bei der Jobsuche - obwohl die Vorstellungsgespräche gut liefen, wie sie sagt. "Sie hätten auch einen oder eine Physician Assistant gebraucht, aber die finanziellen Ressourcen waren nicht da oder unklar." Nahler bewarb sich initiativ an der Klinik in Bad Soden - mit Erfolg.

Nebenbei studiert sie berufsbegleitend ihren Master in Frankfurt. "Ein PA ist für den Arbeitgeber kostengünstiger als ein Arzt, dafür können PAs aber zum Beispiel keine Dienste allein übernehmen." Das sei aus Sicht der Kliniken zum Beispiel ein Vor- und Nachteil ihres Jobs. Für sie war die Berufswahl richtig. "Ich finde es einfach toll, dass man so nah am Behandlungs- und Therapieprozess dran ist - das hat man in der Pflege so nicht."

In ihrer Fachabteilung Urologie spezialisiert sie sich nun auf Roboter-unterstützte Operationen. "Was für mich auch perfekt passte, weil für mich der OP-Bereich schon immer am interessantesten war." Neben dem Chefarzt steht dann Maren Nahler am OP-Tisch. Während der Arzt den Roboter steuert, saugt sie zum Beispiel Blut ab oder näht die Wunde nach der Operation wieder zusammen.

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Quelle: hessenschau.de