Audio

Warum es immer weniger Metzgereien gibt

Das Bild zeigt eine Straßenlaterne und die Inschrift "Metzgerei" an einem Fachwerkhaus in Steinau an der Straße.

Obwohl mit der Ahlen Wurscht ein ganz besonderes Fleischerzeugnis aus Hessen kommt, müssen auch hierzulande immer mehr Metzgereien schließen. Wer dem Trend entgegensteuern will, muss sich was einfallen lassen.

Weniger Fleischkonsum, ein verändertes Einkaufsverhalten und der Fachkräftemangel: Das sind nur drei Gründe, warum immer mehr Metzgereien in Hessen schließen. Zuletzt machte in Melsungen (Schwalm-Eder) ein Familienbetrieb nach 124 Jahren dicht. Der Betreiber hatte keinen Nachfolger gefunden. Auch in Wolfhagen (Kassel) stehen Kunden der bisherigen Metzgerei am Ort seit dem Jahreswechsel vor verschlossenen Türen.

Sabine Opfer setzt auf neue Wege, um ihre Landfleischerei in vierter Generation in der Spur und konkurrenzfähig zu halten. Seit 1909 verkaufen die Opfers in Ringgau (Werra-Meißner) Fleisch und Wurst. Zum Laden sind ein Online-Shop, ein Feinkostladen in Rotenburg an der Fulda und ein Verkaufswagen, der viermal wöchentlich durch den Werra-Meißner-Kreis tourt, dazugekommen.

"Grüße aus der Wurschtekammer"

Langweilig wird Sabine Opfer bei so viel Arbeit gewiss nicht. Wer der Chefin eine Mail schreibt, bekommt eine Antwort, die "mit Grüßen aus der Wurschtekammer" endet. Den angefragten Interview-Termin muss sie zunächst absagen, ein Besuch auf einer Konsumgütermesse in Hamburg steht an. Im Laden wird sie an diesen Tagen fehlen.

Die Mitarbeiter-Lage in ihrer Metzgerei sei angespannt, sie habe vor allem mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen, berichtet die 58-Jährige nach ihrer Rückkehr von der Messe. Seit drei Monaten suche sie eine Mitarbeiterin für den Verkauf, bisher ohne Erfolg. Den Partyservice habe sie wegen fehlendem Personal aufgeben müssen.

Sabine Opfer, Inhaberin der Landfleischerei Opfer, und ihr Sohn, der Würste an einem Stock hochhält

Neun Menschen arbeiten in der Landfleischerei Opfer, in der Produktion ist neben der Inhaberin nur ein Geselle tätig. Ihr Sohn sei ausgestiegen, sagt sie. Er lebe in der Wetterau, doch "wenn es brennt, kommt er und hilft". Es ist eben ein Familienbetrieb.

Zu wenige neue Metzgereien, zu wenige Übernahmen

Die Zahl handwerklicher Fleischereien gehe seit Jahren zurück, sagt Hans Christian Blumenau vom Deutschen Fleischerverband. Dies liege jedoch weniger an einem Betriebesterben, sondern vielmehr an zu wenigen neuen Metzgereien und Übernahmen bestehender Betriebe. Kurz: Es gibt kaum junge Menschen, die als Metzger arbeiten und eine Fleischerei führen wollen.

Die Ursachen sind vielfältig. So sei die Gründung einer Fleischerei im Vergleich zu früher sehr kostenintensiv, so Blumenau. Man könne heutzutage nicht mit einer kleinen Produktion beginnen und sich dann weiterentwickeln, da ausreichend Räume für die Produktion, Kühlung und den Verkauf erforderlich seien. Dazu komme eine umfangreiche Maschinenausstattung.

Jährlich 40 bis 50 Metzgereien weniger

Das schlägt sich in den Zahlen nieder - im Schnitt machen etwa 40 bis 50 Fleischereien in Hessen pro Jahr dicht. Diesen Trend beobachte man schon über einige Jahre, so Blumenau. Meist schließe ein Betrieb, weil der Inhaber das Rentenalter erreicht habe.

Externer Inhalt

Externen Inhalt von Datawrapper (Datengrafik) anzeigen?

An dieser Stelle befindet sich ein von unserer Redaktion empfohlener Inhalt von Datawrapper (Datengrafik). Beim Laden des Inhalts werden Daten an den Anbieter und ggf. weitere Dritte übertragen. Nähere Informationen erhalten Sie in unseren

Ende des externen Inhalts

Dazu kämen standortabhängige Gründe, erklärt Blumenau: Manche Standorte, die zu Zeiten der Betriebsgründung sehr gut waren, seien heute nicht mehr attraktiv. Oft sei ein Umzug an attraktivere Standorte nicht möglich, so dass nur eine Geschäftsaufgabe sinnvoll sei.

Behördliche Auflagen und gestiegener Kundenanspruch

Weitere Gründe sind der Lehrlingsmangel und die Konkurrenz durch Supermärkte und behördliche Auflagen. Diese stellten zum einen eine zeitliche Belastung dar, erforderten aber auch erhebliche Investitionen. Das kann Landfleischerei-Chefin Opfer bestätigen. Die behördlichen Auflagen würden immer schlimmer, berichtet sie. Manchmal frage sie sich, "ob kleinere Betriebe nicht mehr gewollt sind".

Zuletzt habe sie wieder in neue Ladenkassen investieren müssen, um den Anforderungen des Finanzamts gerecht zu werden. Opfer ist im Vorstand des "Fördervereins Nordhessische Ahle Wurscht". Seit der Zertifizierung der Ahlen Wurscht im Februar 2023 gebe es zusätzliche Kontrollen vom Regierungspräsidium Kassel. Die Kosten von rund 400 Euro dafür müsse sie selbst tragen. Auch die Kosten für die Anlieferung von Zutaten seien durch höhere Mautkosten gestiegen.

Auch der Anspruch der Kundschaft sei gestiegen, heißt es vom Fleischerverband. Es reiche nicht aus, zunächst ein kleines Sortiment anzubieten. Vielmehr werde von Beginn an eine breite Palette an Produkten erwartet, berichtet Blumenau. Das erfordere bereits in der Gründungsphase einiges an Personal und Kapital. Die Zahl der Neugründungen reiche nicht aus, um die der Schließungen auszugleichen.

Fleischermeisterin Sabine Opfer macht Wurst

Fleischverzehr sinkt

Schließlich hat ein verändertes Ernährungsverhalten Folgen für die Metzgereien: Die Menschen essen immer weniger Fleisch. So lag der Verzehr im Jahr 2022 laut Statistischem Bundesamt pro Person bundesweit bei 52 Kilogramm. 2017 hatte er bei 60 Kilogramm gelegen.

Den größten Anteil bildet dabei das Schweinefleisch. Es folgen Geflügelfleisch, Kalb und Rind. Im Vergleich zu 2017 ist bei allen Fleischarten ein Rückgang zu beobachten. Insgesamt wird so wenig Fleisch gegessen wie noch nie seit Beginn der Statistik im Jahr 1989.

Weniger Umsatz - auch bei Metzgereien

Und so machen neben hohen Kosten für Material und Energie sinkende Einnahmen den Metzgern das Geschäft schwer. Das stelle die Betriebe vor große Herausforderungen, weiß Blumenau. Viele Metzger befürchteten, durch Preiserhöhungen Kunden zu verlieren.

So fiel der Umsatz im deutschen Einzelhandel im Vergleich zu 2022 nur dank steigender Preise höher aus. Er sei voraussichtlich um 2,4 Prozent gewachsen, teilte das Statistische Bundesamt mit.

Preisbereinigt sei der Umsatz allerdings um 3,1 Prozent niedriger ausgefallen. Besonders stark betroffen seien neben Metzgereien Bäckereien sowie Läden für Einrichtungsgegenstände, Haushaltsgeräte und Baubedarf.

Ein breites Sortiment hilft

Sabine Opfer bleibt dennoch zuversichtlich. "Irgendwas läuft immer", sagt sie. Umsatzschwankungen könne sie ausgleichen, auch weil sie breit aufgestellt sei. Ihre Kunden kämen nicht nur aus der Region, sondern sogar aus Kassel oder Eisenach (Thüringen) - auch für die Ahle Wurscht.

Denn die ist das beliebteste Produkt - egal ob im Laden, im Wurstwagen oder im Online-Shop.