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Stillberaterin hilft Müttern mit ihren Babys im Stillcafé

Kim Zinngrebe hilft Mutter Julia Nebl beim Binden des Stilltuchs.

Wie lange sollte ich stillen? Was mache ich, wenn mein Kind nicht trinken möchte? Im Stillcafé der ehrenamtlichen Stillberaterin Kim Zinngrebe finden Mütter Antworten auf ihre Fragen und nehmen nicht nur handfeste Tipps mit nach Hause.

Das Stillcafé in Hofheim-Langenhain (Main-Taunus) ist gut besucht. Sechs Mütter sitzen im Kreis, in der Mitte robben ihre Babys über den Boden. Kindergeschrei und ein aufgeregtes Glucksen erfüllen den Raum. Auf dem Tisch steht selbstgebackener Kuchen. An einer der Mütter demonstriert die ehrenamtliche Stillberaterin Kim Zinngrebe den Stillschal. Sie zeigt den Frauen, wie sie das Tuch binden und ihr Kind richtig anlegen. 

Austausch von Mutter zu Mutter

Seit vergangenem Jahr organisiert Zinngrebe das Stillcafé im evangelischen Kinder- und Familienhaus. Es ist ihr Herzensprojekt. Einmal im Monat treffen sich Mütter hier und bekommen Antworten auf ihre Fragen rund ums Stillen. Anders als bei einer medizinischen Beratung geht es vor allem um den Austausch von Mutter zu Mutter. "Das heißt, ganz viel Kompetenz kommt wirklich von den Stillenden selber. Ich bin hier mehr Moderatorin als Beraterin." Auf die Frage, was sie im Stillcafé lernen, antwortet Besucherin Gina Pallat spontan: "Selbstbewusstsein!"

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Was ist eine Stillberaterin?

Eine Stillberaterin kann bei Fragen rund ums Stillen helfen. Sie berät zum Beispiel, wenn das Kind nicht genügend trinkt oder beim Abstillen. Vereine wie La Leche Liga e.V. oder die Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen (AFS) bieten Weiterbildungen zur Stillberaterin an. Voraussetzung ist die eigene Stillerfahrung. Eine medizinische Grundausbildung braucht es nicht. Nach bestandener Prüfung wird ein Zertifikat ausgehändigt, das zwei Jahre lang gültig ist.

Das Angebot ehrenamtlicher Stillberaterinnen ist spendenfinanziert und für Stillende kostenlos. Gibt man seine Postleitzahl auf der Webseite der Organisationen La Leche Liga e.V. und der Arbeitsgemeinschaft freier Stillgruppen (AFS) an, finden sich Stillcafés, Stilltreffs und ehrenamtliche Stillberaterinnen in der Nähe. Die AFS hat insgesamt 62 und La Leche Liga e.V. 9 ehrenamtliche Stillberaterinnen in Hessen.

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Mütter sitzen im Sitzkreis im Stillcafé in Langenhain.

Stillen schützt Säugling und Mutter

Laut einer Langzeitstudie des Robert-Koch-Instituts (RKI) zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KIGGS) wollen zwar fast 90 Prozent der Mütter ihr Kind stillen, aber bei nicht einmal der Hälfte der Frauen klappt das auch noch nach vier Monaten. Nur rund ein Viertel der Kinder in Deutschland wird, wie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Nationalen Stillkommission empfohlen, in den ersten sechs Lebensmonaten ausschließlich gestillt. Dabei enthält Muttermilch unter anderem Wirkstoffe, die das Immunsystem des Säuglings stärken. Außerdem beugt Stillen dem Krebsrisiko der Mutter vor.

"Viele Frauen werden mit dem Stillen alleine gelassen"

Kim Zinngrebe ist ehrenamtliche Stillberaterin und organisiert das Stillcafé.

"Stillen ist ein Lernprozess", so die Erfahrung der Stillberaterin Zinngrebe. Nicht immer funktioniere es auf Anhieb. Laut RKI-Studie benötigen vor allem Frauen aus sozial benachteiligten Gruppen, Mütter von Frühgeborenen sowie Frauen unter 30 Jahren Aufklärung und Unterstützung. "Es gibt so viele Frauen, die werden mit dem Stillen alleine gelassen, weil es einfach gar keine Hebamme gibt, die sie begleiten kann." Ein Drittel ihrer Anfragen seien von Hebammen an sie weitergeleitet worden. Deshalb habe sie, selbst dreifache Mutter, das Stillcafé gegründet. Und so kommen bereits werdende Mütter in ihrer Schwangerschaft zu ihr.

Eine Entlastung für Hebammen?

Auch Nadja Herrmann war lange Stammgast in Zinngrebes Stillcafé. Vor einem Monat hat die Mutter ihren Sohn Lenny abgestillt. Zwar habe ihre Wochenbetthebamme ihr damals nach Lennys Geburt gezeigt, wie sie ihren Sohn richtig anlege, aber viel Zeit und Ruhe für individuelle Fragen habe es nicht gegeben. Können Stillberaterinnen also Löcher stopfen, die durch den Hebammenmangel entstehen? Oder tragen sie eher dazu bei, das Problem zu verschieben? 

"Diese Angebote ergänzen, aber sie ersetzen nicht die Arbeit einer Hebamme", sagt die Beauftragte für Stillen und Ernährung des Deutschen Hebammenverbandes, Jule Heike Michel. "Es ist ein anderer Aspekt von Frau zu Frau zu beraten, als von einer kompetenten Fachperson begleitet zu werden. Es deckt einfach unterschiedliche Bedürfnisse im Beratungsspektrum ab." Gerade bei komplexeren gesundheitlichen Problemen, wie Milchstau oder Brustentzündungen, sollte eine Hebamme oder eine Ärztin oder ein Arzt zu Rate gezogen werden. Auch Stillberaterin Kim Zinngrebe verfügt deshalb über ein großes Netzwerk und sucht gemeinsam mit den Müttern nach den richtigen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern.

Stillen in der Öffentlichkeit ist immer noch ein Tabu

Laut Zinngrebe wird das Stillen häufig noch tabuisiert, fände am Rande der Gesellschaft, auf Restauranttoiletten und unbeobachtet im Park statt. Deshalb will sie mit Mythen aufräumen. "Ich fände es toll, wenn man nicht nur sagt: Wir dulden es, sondern wir feiern das Stillen." Blicke oder Getuschel, wenn sie in der Öffentlichkeit stillt, kennt auch Julia Nebl. "Es gibt mir Kraft, von anderen zu hören, wie es bei ihnen war und wie egal es ihnen ist, ob es andere Leute stört. Das gibt mir das Gefühl, es ist nicht verkehrt, in der Öffentlichkeit zu stillen."

Die ersten Mütter im Stillcafé packen ihre Wickeltaschen zusammen und sammeln das bunte Spielzeug vom Boden auf. Zwei Frauen sitzen noch immer auf der Couch und sind in ein Gespräch vertieft. Die Stillerfolge dieser jungen Mütter seien der Antrieb für ihr Engagement, freut sich die ehrenamtliche Beraterin.

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