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CDU kürt Rhein zum Spitzenkandidaten

Boris Rhein Portrait

Auf ihrem Parteitag in Darmstadt kürt die CDU am Samstag ihren Spitzenkandidaten für die Landtagswahl: Boris Rhein soll den Machterhalt auch nach 25 Jahren sichern. Die Ausgangslage für die Wahl im Herbst ist gut - aber auch nicht grandios.

Selbstzerfleischung oder wenigstens ein bisschen Drama im Kampf um die besten Plätze: Wer sich das beim Streamen erhofft, wird nicht lange dranbleiben, wenn die CDU am Samstag aus Darmstadt ihren Landesparteitag online überträgt.

Wenn sich eine Partei im Griff hat, erst recht vor Wahlen, dann die hessische Union. 330 Delegierte aus den 25 Kreisverbänden werden mit ziemlicher Gewissheit ohne Knalleffekt über ihren Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 8. Oktober und die Reihenfolge der weiteren Kandidaten auf der Landesliste abstimmen.

Aber es geht um einiges: Hier versucht sich eine Partei gerade am Kunststück, auch nach einem Viertel Jahrhundert das Bundesland weiter zu regieren. Und was den Unterhaltungsfaktor angeht: Wie so oft in der Politik liegt die Freude im Detail.

1. Warum es für Boris Rhein ein schöner Samstag wird

Mit 98 Prozent wurde Ministerpräsident Boris Rhein vor knapp einem Jahr zum CDU-Landesvorsitzenden gewählt. Merklich schlechter sollte es nicht werden, wenn er nun Spitzenkandidat wird. Die Union neigt nicht zu öffentlichem Streit - zu grundlosen ohnehin nicht.

Seit der 51 Jahre alte Jurist aus Frankfurt Ende Mai 2022 Regierungschef und kurz danach Parteichef wurde, knirscht es zwischen seiner Hessen-CDU und den Grünen zwar vernehmbarer. Aber die knappe Mehrheit hält solide.

Und in den Umfragen lag die CDU im möglichen Dreikampf mit Grünen und SPD laut hr-hessentrend zuletzt klar vorne. Einen innerparteilichen Konkurrenten hat Rhein ohnehin nicht.

2. Warum die Ausgangslage gut, aber nicht blendend ist

Läuft ziemlich gut, könnte Rhein sagen. Affären gab es keine - ersatzweise muss nun schon eine Straßensperre vor seinem Haus für lokale Schlagzeilen herhalten.

Cool bleiben, keine Fehler machen und auf neue Fehler der Ampel-Koalition in Berlin warten, könnte die Devise sein. Ist sie offenkundig auch.

Rhein hat allerdings zwei Probleme. Auch wenn die CDU stärkste Fraktion bleibt, könnte er den Posten als Ministerpräsident verlieren. Es könnte eine Ampelkoalition ohne Union geben. Außerdem hat er von Volker Bouffier zwar die Ämter übernommen - aber nicht dessen Bekanntheitsgrad.

3. Für welche Arbeit sich Rhein vermutlich zu fein ist

In die tiefsten Niederungen des Parteienwahlkampfs wird sich Rhein wohl nicht begeben. Das ist nicht seine Art, schadet dem gewünschten Landesvater-Image und womöglich aktuellen und künftigen Bündnissen. Die Grünen greift Rhein bisher nur über Kritik an der Ampel an, und seine SPD-Konkurrentin Nancy Faeser schätzt er.

Außerdem - strenge Arbeitsteilung – hat Rhein ja Manfred Pentz als Mann mit geringer verbaler Hemmschwelle. Der CDU-Generalsekretär eröffnet den Parteitag. Und haut womöglich wieder einen raus.

So wie neulich, als er wissen wollte, dass Faeser den SPD-Parteitag in Hanau früher verlassen habe. Pentz‘ Schlussfolgerung: Weil sie einen Termin als Bundesinnenministerin wahrnehme, sei die Frau als Kandidatin für Hessen "unwürdig". Faeser reiste übrigens, als bei der SPD alles gelaufen war, zur Eröffnung der Special Olympics für geistig und mehrfach behinderte Menschen nach Berlin.

4. Worum es inhaltlich geht

Eine Programmpartei ist die CDU nicht, mit derzeit rund 30 Prozent Zuspruch fühlt sie sich auch in Hessen noch als breit aufgestellte Volkspartei. Aber am Samstag werde ein umfassendes, "kerniges" Programm vorgelegt, heißt es. Der gewollt doppeldeutige Titel: "Hessen weiter führen".

Gerüst sind Leitlinien, die bereits verabschiedet wurden. Ein Kernpunkt ist die innere Sicherheit. Die Forderung nach "Fußfesseln für Frauenschläger" etwa fand bundesweit Verbreitung. Dazu kommt unter anderem das "Hessengeld", ein vor allem auf bauwillige Familien zielender Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer.

5. Wie viel jünger und weiblicher die CDU geworden ist

Die von Rhein gewünschte Modernisierung ("jünger, bunter, weiblicher") wird Zeit brauchen. Gerade was die Vielfalt angeht. Aber es tut sich personell was. Auf der Kandidatenliste stehen direkt hinter dem Chef mit der Fraktionsvorsitzenden Ines Claus (45) und Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (43) auf Platz zwei und drei erstmals zwei Frauen.

Zwei Plätze unter den Top 20 sind außerdem für die Nachwuchsorganisation Junge Union (JU) reserviert. Einer von ihnen: der Gießener Frederik Bouffier, ein Sohn des Ex-Ministerpräsidenten.

Ein wenig Gemurre soll es gegeben haben, weil verdiente Kräfte weiter hinten landeten. Offener Streit ist wie gesagt tabu. Außerdem war die Landesliste nach der Wahl vor fünf Jahren erst bei Nachrückern wichtig: Alle CDU-Abgeordnete zogen zunächst per Wahlkreismandat in den Landtag ein.

6. Warum SPD und Grüne vielleicht bis zum Ende streamen

Vielleicht schaut die SPD nach den Angriffen gegen Faeser ja genauer hin, ob CDU-Spitzenkandidat Rhein nicht ein Quäntchen früher geht. Er hat ja wie seine Kontrahentin auch die Doppelbelastung aus Regierungsamt und Spitzenkandidatur.

Die hessischen Grünen werden nach Absetzbewegungen schauen. Nicht nur wegen Pentz, dem sie nach dessen Attacken gegen die angeblich von Berlin geplante "Heizungspolizei" die Verbreitung von Lügen und ein "erbärmliches Niveau" attestierten.

Am Donnerstag musste CDU-Chef Friedrich Merz laut Bild in einer Fraktionssitzung in Berlin die Grünen gegen einen Ausbruch des hessischen Abgeordneten Klaus Peter Willsch in Schutz nehmen.

Der zum rechten Unionsflügel zählende Willsch, als Bezirksvorsitzender beratendes Mitglied im CDU-Landesvorstand, nannte die Grünen dem Bericht zufolge "vaterlandslose Gesellen". Pikant am Eingreifen von Merz: Er selbst hatte die grüne Landtagsfraktion erst kurz zuvor mit einem, freilich deutlich gezügelteren Auftritt in Wiesbaden in Rage gebracht.

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