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Büros werden zu Wohnungen: Chancen und Risiken der Umnutzung

Luftbild eines Gewerbegebiets mit Hochhäusern, links davon eine Autobahn, im Hintergrund ein Fluss. Rechts oben ein Wahlkreuz.

Während Wohnraum dringend gesucht wird, stehen Bürogebäude leer. Vor der Hessen-Wahl fordern mehrere Parteien, dass die Umwandlung von Arbeits- in Wohnfläche einfacher werden soll. Doch ein Allheilmittel ist das nicht.

Wohnungen in Ballungsgebieten sind auch in Hessen knapp. Andererseits hat die Corona-Pandemie dafür gesorgt, dass mehr Menschen zu Hause statt im Büro arbeiten. Daher gibt es zu viele Büroflächen.

Unter Umständen können sie Platz für zusätzliche Wohnungen bieten und damit für Entspannung auf dem Immobilienmarkt sorgen. Eine Idee, die auch mehrere Parteien vor der Landtagswahl am 8. Oktober in ihre Wahlprogramme aufgenommen haben.

Das sagen Parteien zur Umwandlung von Büros in Wohnflächen:

Die CDU ist dafür, die Umnutzung von Büro-Immobilien in Wohnraum zu vereinfachen und die passenden gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

Die Grünen wollen Leerstand systematisch erfassen und die Umwandlung von leerstehenden Büroflächen prüfen.

Die SPD ist dafür, Wohnraum zu schaffen durch den Umbau leerer Büros. Sie will Kommunen dabei unterstützen, leerstehende Gewerbeimmobilien zu kaufen und neu zu vermieten.

Keine konkrete Position zu Umwandlung von Büroflächen.

Keine konkrete Position zu Umwandlung von Büroflächen.

Die Linke will ein Gesetz gegen spekulativen Leerstand und Wohnraumzweckentfremdung wiedereinführen. Sie ist dafür, Kommunen dabei zu unterstützen, Leerstand systematisch zu erfassen und in Notsituationen vorübergehend beschlagnahmen zu können.

Eine Studie des Immobilien-Beratungsunternehmens Jones Lang LaSalle (JLL) kommt zu dem Ergebnis, dass die Umwandlung von Büros als ein Baustein für mehr Wohnraum in Ballungsräumen dienen kann.

Frankfurt ist Spitzenreiter bei Umwandlung

Frankfurt ist dabei im Vergleich mit anderen Städten bereits Spitzenreiter, wie es in der Analyse heißt: "In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Zahl der Umwandlungen mehr als verdoppelt." In den vergangenen fünf Jahren seien hier durchschnittlich rund 33 Prozent der fertiggestellten Wohneinheiten aus Büro- oder Gewerbeflächen entstanden.

Grund dafür ist demnach die hohe Zahl von Bürotürmen in Frankfurt, die es in anderen Städten nicht gibt. "Bürotürme weisen eine hohe nutzbare Fläche bei geringerer Grundfläche auf", so die JLL-Studie. Damit seien sie besonders geeignet für eine Umwandlung in Wohnungen.

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Nach Angaben des städtischen Planungsamts wurden in Frankfurt im Jahr 2004 erst 88 Wohnungen durch Umwandlung von Gewerbeflächen genehmigt. Ein Jahr später waren es bereits 148, 2010 dann 590, 2014 schon 978. Der bisherige Höhepunkt wurde demnach 2018 erreicht, als 1.985 Wohnungen aus Umwandlungen genehmigt wurden. Dazu beigetragen hat vor allem die Konversion der Bürostadt Niederrad zum Lyoner Quartier, einem der größten derartigen Projekte in Deutschland.

Ruby Tower: Büroturm wird zu Wohnhaus

In eben dieser ehemaligen Bürostadt Niederrad steht zum Beispiel der Ruby Tower. Früher hatte darin eine Hotelkette ihren Sitz. Die Wohnungsgesellschaft GWH hat das ehemalige Bürohochhaus mit 20 Stockwerken von 2017 bis 2019 komplett umgebaut. Darin sind 142 Wohnungen mit Flächen von 45 bis 55 Quadratmetern entstanden.

Bei einem Besuch vor Ort zeigt sich: Die Wohnungen haben eine moderne und ansprechende Ausstattung, ihre Vergangenheit als Büros können sie aber nicht komplett verbergen. In manchen Zimmerecken finden sich ungewöhnlich anmutende Vorsprünge oder Nischen - dahinter befinden sich für die Statik wichtige Stahlträger.

"Das würde man normalerweise nicht so bauen", erklärt GWH-Geschäftsführer Stefan Bürger. Aber bei einer Umwandlung von Büros müsse man sich eben an die bestehende Struktur anpassen. "Umgenutzte Grundrisse sind häufig Kompromissgrundrisse", so Bürger.

Ein rot-weiß gestrichenes Hochhaus, im Vordergrund parkende Autos an einer Straße.

Lage überzeugt Mieter

Den ungewöhnlichen Grundriss der Wohnungen kennt der 22 Jahre alte Student Luca aus eigener Erfahrung. Er lebt seit einem Jahr im Ruby Tower. Mit seiner Wohnung ist er zufrieden. Die Miete sei zwar nicht günstig, aber für Frankfurter Verhältnisse in Ordnung.

Luca überzeugt vor allem die Lage: "Es gibt Einkaufsmöglichkeiten, die Tram ist direkt vor der Haustür, ein Fitnessstudio ist nebenan: Ich habe hier alles, was ich brauche."

Umbau nicht immer günstiger oder nachhaltiger

Die gute Lage des Gebäudes gab den Ausschlag für eine Umwandlung der Büroflächen, erklärt GWH-Geschäftsführer Bürger: "Die Grundstücksqualität ist entscheidend für die Sinnhaftigkeit einer solchen Umnutzung: Wäre diese Immobilie irgendwo auf dem Dorf, wäre die Umnutzung wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen."

Wegen des attraktiven Standorts im Frankfurter Stadtgebiet könne man aber über entsprechende Mietpreise die Kosten decken. Insofern habe sich der Umbau hier gegenüber einem Neubau gelohnt.

Ein solcher Umbau sei aufwendig und verbrauche viel Energie, erklärt Bürger. Büros haben wenige große Sanitäranlagen - für Wohnungen müsse man dagegen kleine Bäder und Küchen einbauen. Es sei auch nicht so, dass man die sogenannte Graue Energie eines bestehenden Gebäudes komplett weiternutzen könne. Damit bezeichnet man die gesamte Energie, die für die Herstellung und den Transport aller Bauteile aufgewendet wird, also im Gebäude steckt.

Beim Umbau verliere man oft bereits rund die Hälfte der Grauen Energie, weil zum Beispiel Fenster, Dämmung, Dach und Heizung neu entstünden, erklärt Bürger: "Dann ist die Frage, was Sie mit den anderen 50 Prozent machen: Wenn das Umbauen mehr Energie erfordert, als der Erhalt der alten Energie hat, dann ist es netto negativ." Insofern sei ein Umbau keineswegs immer günstiger oder umweltfreundlicher als ein Neubau.

Mieten oft besonders hoch

Im Ruby Tower wurden die Wohnungen frei finanziert. Das bedeutet, dass es keine Wohnungen gibt, die gefördert und damit besonders günstig zu mieten sind. Die Regelung, dass in Frankfurt 30 Prozent des neu gebauten Wohnraums sozial gefördert sein sollen, galt zum Zeitpunkt der Planungen noch nicht.

Ein junger Mann mit weißem T-Shirt steht lächelnd vor einer Einbauküche.

Das Problem der hohen Sanierungs- und Umbaukosten beschäftigt auch den Frankfurter Mieterschutzverein, der Umwandlungen von Büros eigentlich als positiv bewertet. Geschäftsführer Rolf Janßen betont, es sei wichtig, dass dabei auch bezahlbarer Wohnraum entstehe.

"Wir haben eine Reihe von Fällen, in denen Mietpreise von 16 oder mehr Euro pro Quadratmeter verlangt wurden", berichtet Janßen. Für eine Vier-Zimmer-Wohnung könne das eine Kaltmiete von mehr als 2.200 Euro bedeuten. Janßen fordert, es müssten bei solchen Umwandlungsprojekten auch geförderte Wohnungen für Mietpreise von weniger als zehn Euro pro Quadratmeter entstehen.

Planungsdezernent: Umwandlung sollte zur Regel werden

Der Planungsdezernent der Stadt Frankfurt, Marcus Gwechenberger (SPD), hält die Umwandlung von Büros für eine sinnvolle Strategie gegen den Wohnungsmangel. "Wir haben in Frankfurt viel Bausubstanz, die in den letzten Jahrzehnten oder auch schon im vorletzten Jahrhundert entstanden ist und heute gut weiter genutzt wird." Aus seiner Sicht sollte es aus Gründen des Klimaschutzes für Bauherren zur Regel werden, mit vorhandener Bausubstanz zu arbeiten und damit die vorhandene Graue Energie zu erhalten.

Es müsse aber trotzdem im Einzelfall entschieden werden, ob sich eine Umnutzung lohnt oder eher ein Abriss und Neubau. Dabei spiele die Gebäudesubstanz eine Rolle, der Grundriss, die Belüftung des Gebäudes, erklärt Gwechenberger.

Bei der Umwandlung von Büros spiele auch die Frage der sozialen und grünen Infrastruktur eine Rolle. "Mir ist es wichtig, dass wir bei jeder Entwicklung auch Schulen, Kitas und grüne Frei- und Erholungsflächen mitplanen und gute Quartiere gestalten", so Gwechenberger. Deshalb sei es wichtig, nicht nur einzelne Gebäude zu betrachten.

Mehrere Strategien gegen Wohnungsmangel

In Frankfurt verfolge man mehrere Strategien, sagt der Planungsdezernent - darunter Umnutzung, Neubau und Nachverdichtung. Die Leitfrage dabei sei: "Wie können wir flächenschonend neuen Wohnraum schaffen und dabei die grünen und sozialen Qualitäten in der Stadt halten und ausbauen?"

Frankfurt habe zwar andere Rahmenbedingungen als Städte mit 30.000 oder 40.000 Einwohnern. Doch für andere hessische Großstädte sei die Büro-Umwandlung ebenfalls ein relevanter Ansatz, findet Gwechenberger: "Was wir hier in Frankfurt voranbringen, das wird genauso auch in Wiesbaden oder Darmstadt diskutiert."

In einer Sache sind sich der Mieterschutzverein, der Frankfurter Planungsdezernent und der GWH-Geschäftsführer einig: Allein mit der Umwandlung von Büros wird der Wohnungsmangel nicht zu lösen sein. Sie könne im Zusammenspiel mit anderen Strategien nur ein Baustein sein.

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