Ein Beamter schleppt Aktenstapel (Symbolbild)

Uralt-Akten türmen sich in Gerichten, Polizisten suchen Asservate und in Grundbuch-Ämtern laufen die Scanner heiß: Bei seinen Kontrollen stieß der Landesrechnungshof auf die teuren Folgen von zu viel Bürokratie und zu wenig Digitalisierung.

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Die "Bemerkungen" des Landesrechnungshofes

Ausdruck der "Bemerkungen" des Landesrechnungshofes
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Wo war noch gleich die Machete? Vielleicht bei der Kiste mit Falschgeld, die auch irgendwo sein muss? Als der Landesrechnungshof zuletzt bei den Asservatenstellen der hessischen Polizei nach dem Rechten sah, ergab sich manche Frage.

In sieben von zehn geprüften Asservatenstellen gab es Beanstandungen. Das geht aus einer Liste mit Mängeln hervor, die Rechnungshof-Präsident Walter Wallmann (CDU) am Freitag in Wiesbaden präsentierte. Dort stellte er seinen alljährlichen Prüfbericht zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Hessen vor, die 148-seitigen Bemerkungen 2022.

Die meisten der präsentierten Kritikpunkte, die sich bei Prüfung der Arbeit von Behörden und ihres Umgangs mit Steuergeldern ergaben, haben demnach die gleichen Ursachen: Die Bürokratie ist in Hessen wie in ganz Deutschland ausgeufert. Gleichzeitig läuft die Digitalisierung zu schleppend.

Strafverfahren gefährdet

So habe die Polizei bei der Verwaltung von beweiskräftigen Gegenständen bis Ende 2021 noch immer überwiegend mit Papier gearbeitet. Dass einst einbehaltene Sachen längst zurückgegeben oder vernichtet waren, sei da häufig einfach nicht dokumentiert worden.

Deshalb konnten neben dem Verbleib einer Machete und von Falschgeld auch der von Drogen, eines Luftgewehrs und Ausweisen "erst durch aufwändige Recherchen geklärt werden". Als das auffiel, sei die Umstellung auf ein digitales Asservatenmangement im Gang gewesen. Höchste Zeit, sagt Wallmann: Fehler könnten Strafverfahren gefährden und Schadenersatzansprüche gegen das Land begründen.

Warum günstig, wenn es teuer geht?

Rückständigkeit und schlechtes Management kostet offenkundig auch in anderen Behörden viel Zeit und Geld. Das wiegt besonders schwer, weil laut Wallmann die Steuereinnahmen sinken dürften und auch das Jahr 2024 für Land und Kommunen von "Haushalten im Krisenmodus" geprägt sein wird.

Beispiel Justiz: Sie produziert jährlich rund 21.000 laufende Meter Schriftgut. Vieles müsse bis zu 130 Jahren oder sogar dauerhaft aufbewahrt werden. Für die Archivierung - ob als Ordner im Regal oder digital - seien 2021 rund sechs Millionen Euro ausgegeben worden.

Fast 10.000 laufende Meter hätten allerdings längst aussortiert sein können. Rund 110.000 Euro könnte das Land dem Rechnungshof zufolge jährlich sparen, wenn die Justiz fixer wäre. Schuld seien nicht zuletzt Gerichte und Staatsanwaltschaften selbst: Sie ließen das alte Material von Gefängnissen vernichten. Das sei fünf Mal teurer als private Firmen zu beauftragen.

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Die obersten Kassenprüfer Hessens

Der Hessische Rechnungshof mit Sitz in Darmstadt ist laut Verfassung als unabhängige Behörde für die Kontrolle der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Hessen verantwortlich. Er berät Landesregierung, Landtag und Kommunen. Präsident und Vize-Präsident wählt der Landtag auf Vorschlag der Regierung. Die Amtszeit dauert zwölf Jahre. Rechnungshof-Chef Walter Wallmann (CDU) ist seit Juli 2012 im Amt.

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Fertigstellung "unvorhersehbar"

Ähnlich läuft es bei den Grundbüchern, in denen die Besitzverhältnisse von Grundstücken dokumentiert sind. Seit 20 Jahren läuft zwar die Digitalisierung. Das Problem: Die Seiten der alten Wälzer werden gescannt. Das setzt anschließend der digitalen Recherche und Verknüpfungen enge Grenzen.

Deshalb sollte bis 2015 in Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern eigentlich ein Datenbank-Grundbuch her. "Es ist bis heute nicht fertiggestellt und sein Einsatzdatum ist noch vollkommen unvorhersehbar", sagt Wallmann.

Zum Digitalisieren viel zu kompliziert

Die IT-Kooperation bei den Grundbüchern sprenge neben den Zeit- auch die Budgetvorgaben. 3,7 Millionen Euro seien schon geflossen, weitere 2,8 Millionen Euro seien laut Justizministerium nötig. Um die Daten einmal ins neue System zu überführen, seien noch einmal Personalkosten von mindestens sieben Millionen Euro fällig.

Wie bei anderen IT-Projekten dieser Art sind laut Rechnungshof die Gesetze und Regelungen einfach viel zu kompliziert, um sie sinnvoll digitalisieren zu können. Präsident Wallmann fordert: "Wir brauchen endlich einfachere Gesetze und den Verzicht auf Mehrfacherfassung von bereits vorhanden Daten." So hätten Eigentümer bei der Grundsteuerreform alle Daten manuell eingeben müssen, obwohl das meiste längst erfasst sei.

Wenn der Finanzbeamte unnötig klingelt

Bei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen übertreiben auch die Finanzämter nach Feststellung des Rechnungshofs den Aufwand deutlich. In 40 Prozent der Fälle, in denen Unternehmen Besuch eines Prüfers erhielten, sei das gar nicht mehr nötig gewesen.

Insgesamt habe in mehr als 100 Sonderprüfungen das Ergebnis schon vorher festgestanden. Digitale Lösungen könnten helfen, Risikofälle besser zu identifizieren. Auch die Unternehmen würden entlastet.

Gute Vorsätze der künftigen Landesregierung

Ob Digitalisierung oder Entbürokratisierung: Die künftige CDU/SPD-Landesregierung will vorankommen. Das Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten wird außerdem für die Entbürokratisierung zuständig. So sieht es der Entwurf zum Koalitionsvertrag.

Das Digitalministerium soll zukünftig ein selbstständig Haus und nicht mehr der Staatskanzlei angegliedert sein. Die demnächst oppositionellen Grünen kritisieren allerdings, dass dies zu zusätzlicher Ministerialbürokratie führen werde.

Konsolidierung angemahnt - und Klimaschutz

Rechnungshof-Präsident Wallmann lobte auf Nachfrage grundsätzlich, dass der Koalitionsvertrag Finanzkonsolidierung und Entbürokratisierung anstrebt. Vor allem die Personalkosten müssten in den Fokus genommen werden. Sie hätten sich bei einer Schaffung von 20.000 neuen Stellen von 8,7 auf 11,3 Milliarden Euro erhöht.

Nach der "angenehme Überraschung" in Form von Rekord-Steuereinnahmen im Jahr 2022 würden sich die Einnahmen im laufenden Jahr laut Schätzung um eine Milliarde Euro verringern. Positiv wertete Wallmann, dass der trotz Corona und Inflation unerwartete Überschuss des vorigen Jahres zum Teil zur Tilgung von Krediten und zur Einhaltung der Schuldenbremse genutzt worden sei.

Gleichzeitig betonte er, das trotz sinkender Einnahmen Investitionen in Transformationsprozesse wie Energiewende oder Klimaschutz nicht warten könnten. So hätten neue Schäden im Staatswald das Landesvermögen um weitere 50 Millionen Euro verringert. Wallmanns Schlussfolgerung: Man müsse beim Klimaschutz voran kommen: "Wenn uns das nicht gelingt, sind die bilanziellen Probleme unsere geringsten Sorgen."

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