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Doch kein Riesengewächshaus in Gernsheim

Visualisierung des geplanten XXL-Gewächshauses in Gernsheim

Ein fast zehn Hektar großes Gewächshauses für Gemüse - dieses Mammut-Projekt hatte im südhessischen Gernsheim für Aufsehen gesorgt. Jetzt wurde es gestoppt, weil Ausgleichsflächen fehlen. Nicht alle sind darüber traurig.

Tonnenweise Tomaten und Gurken aus regionalem Anbau ernten – und zwar das ganze Jahr über: Zu diesem Zweck sollte in Gernsheim (Groß-Gerau) ein 13 Fußballfelder großes Gewächshaus entstehen, in dieser Größe einmalig in Hessen. Doch nach behördlichem Hickhack hat Investor Jirko Stiller von der KlosterGut Gemüse GmbH erst einmal den Stecker gezogen.

Rückzieher vor der Abstimmung

Der Landwirt kam damit einem negativen Bescheid durch die Regionalversammlung Südhessen zuvor. Die zuständige Behörde beim Regierungspräsidium Darmstadt hätte in ihrer Sitzung am Freitag über Stillers Antrag abstimmen müssen, das 9,7 Hektar große Gewächshaus auch ohne die vorgeschriebenen Ausgleichsflächen zu genehmigen, die der Geschäftsführer nicht vorweisen kann.

"Der Ausgleich müsste im gleichen Naturraum stattfinden", sagt Stiller. Solche Flächen besitze er aber nicht. "Und die Kommunen brauchen ihre Flächen selber", erklärt er. Somit wäre als einzige Möglichkeit eine Ausnahmegenehmigung der Regionalversammlung als zuständiger Planungsträgerin geblieben.

Doch Stiller wurde schon im Vorfeld der Sitzung signalisiert, dass es die Genehmigung wohl nicht geben wird. Zwar habe er von Seiten der Politik immer wieder Lob für sein Projekt bekommen, selbst aus dem hessischen Wirtschaftsministerium. Doch die Verantwortlichen vor Ort wollten keinen Präzedenzfall schaffen, so sei es ihm gesagt worden.

16 Millionen Gurken im Jahr

Entstehen sollte das Riesen-Gewächshaus nach niederländischem Vorbild auf einem Acker im Gernsheimer Stadtteil Klein-Rohrheim. Vier Millionen Kilogramm Tomaten und 16 Millionen Gurken im Jahr wollten Stiller und seine Mitarbeiter dort ernten. Gemüsepflanzen sollten dort in Rillen und nicht auf dem Boden wachsen. "Dadurch können wir verhindern, dass Nitrat ins Grundwasser kommt."

Den größten Vorteil sieht der Landwirt aber in der regionalen Lebensmittelerzeugung. "Wir sparen Wasser, sind CO2-neutral, reduzieren Transportwege und schaffen Arbeitsplätze." Zudem erhöhe man die Produktivität pro Hektar. "Das ist zukunftsweisend, weil immer weniger Fläche zur Verfügung steht."

BUND sieht nur Nachteile

An die aufgeführten Umweltvorteile des Gewächshauses will der Naturschutzverband BUND nicht so recht glauben. Um auch im Winter die Pflanzen mit Wärme und Licht zu versorgen, sei eine enorme Menge Energie nötig, sagt Kreisvorstandsmitglied Christine Allendörfer. Unter dem Strich würde das Gewächshaus dem Klima eher schaden als nützen.

Auch für die Tierwelt sieht der BUND Nachteile. Im Winter werde der Tag mit Kunstlicht verlängert. Das könne sich negativ auf die Fauna auswirken.

"Biodiversität findet in einem solchen Gewächshaus nicht statt", sagte Vorstandsmitglied Herbert Debus schon zur Vorstellung der Pläne im April 2022. Für Schmetterlinge und Insekten würden so neun Hektar Lebensraum wegfallen.

Überdies befürchtet der BUND laut einer Stellungnahme eine höhere Verkehrsbelastung am Standort. Und auch den Plan, die Pflanzen über einen Teich mit Regenwasser zu versorgen, hält der Verband angesichts von Klimawandel und sinkenden Niederschlagsmengen für wenig realistisch.

Landwirt widerspricht Naturschützern

Stiller beruft sich bei seiner Argumentation hingegen auf Gutachten und Experten-Berechnungen. Die Argumente des BUND findet er nicht nachvollziehbar. "Wir versiegeln ja die Fläche nicht, der Boden bleibt erhalten." Selbstverständlich könnten in seinem Gewächshaus auch Insekten leben. "Wir würden dort Nützlinge aussetzen, die wiederum die Schädlinge natürlich bekämpfen."

Gewerbegebiete würden doch auch auf Ackerflächen errichtet, sagt der 40-Jährige. Da falle erst recht Lebensraum weg. "Logistikhallen ernähren das Volk nicht." Doch gegen solche Bauten gebe es kaum Proteste von Naturschützern.

Von der Zukunftsfähigkeit seiner Vision ist der studierte Garten- und Agrar-Ingenieur jedenfalls überzeugt. "Wir brauchen neue Konzepte in der Landwirtschaft." Deshalb will er das Projekt weiter verfolgen. Den Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung habe er noch vor der Abstimmung zurückgezogen, um dem Projekt durch eine Ablehnung keinen negativen Stempel aufzudrücken.

Am Ende weg aus Hessen?

Wie genau es jetzt weitergehen soll, ist noch offen. Eine Option könne eine kleinere Variante des ursprünglich geplanten Gewächshauses sein, sagt Stiller. "Wir müssen das durchrechnen." Schließlich habe er schon in die Entwicklung investiert - etwa in Gutachten, Anträge und Architekten.

Eine weitere Möglichkeit wäre, in ein anderes Bundesland umzuziehen. "In Bayern gibt es ein 22 Hektar großes Gewächshaus." Dieses sei innerhalb kürzester Zeit genehmigt worden. Lieber würde Stiller sein Herzensprojekt aber in seiner hessischen Heimat umsetzen.

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