Drei Menschen in blau-gelber Arbeitskleidung als Collage zusammengestellt.

Sie retten Menschen aus Trümmern, liefern Medikamente oder fahren mit dem Lastwagen los, um Hilfsgüter ins Erdbebengebiet zu bringen - Helferinnen und Helfer aus Hessen. Einige von ihnen erzählen von ihren Einsätzen.

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Hessen helfen: Erdbeben-Hilfe aus Frankfurt

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"Wir wissen genau, was wir hier zurücklassen"

Peter Benz ist Zugführer im Technischen Hilfswerk THW im Ortsverband Hofheim. Als Zugführer ist er verantwortlich für die Durchführung der Einsätze, die seiner Einheit übertragenen werden. Er war mit seinem Team bis zum 13. Februar in Kirikahn im Süden der Türkei, um zu helfen und Menschen zu retten.

Peter Benz, Gruppenführer THW Hofheim - Mann mittleren Alters mit Brille, blauer Jacke, hr/ARD-Mikrofon
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Logo in Form einer Sprechblase. Oben steht weiß auf blau: "hr Thema". Unten in der Sprechblase blau auf weiß: "Erdbeben - Hessen helfen"

Die Menschen im Erdbebengebiet in der Türkei und in Syrien brauchen weiter Hilfe. Jetzt geht es um die Überlebenden. Sie brauchen Unterkünfte, Kleidung, Medizin, technische Geräte, vieles mehr. Mit Geldspenden können auch Sie helfen:

Aktion Deutschland Hilft (ADH) und Bündnis Entwicklung hilft (BEH)
IBAN: DE53 200 400 600 200 400 600
Stichwort ARD/Erdbeben Türkei und Syrien
www.spendenkonto-nothilfe.de 

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"Zu gehen fühlt sich für mich ein bisschen zweischneidig an. Hier brechen wir unsere Zelte ab. Aber die Situation ist nicht zu Ende. Wir wissen genau, was wir hier zurücklassen, welch großes Leid hier noch herrscht. Wir gehen zurück, aber das ist auch Teil unseres Auftrags, der erledigt ist.

Wir müssen das für uns alle noch reflektieren. Wir machen das Reflektieren direkt im Anschluss an unsere Rückkehr. Das ist einfacher, als die Leute irgendwann später wieder zusammenzubringen. Wir waren hochmotiviert, in diesen Einsatz zu gehen, aber jeder freut sich auch, wieder nach Hause zu kommen."

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Erdbebenkatastrophe – hessenschau extra

Ein Mann sitzt auf den bodend blickend auf den Trümmern seines Hauses. Auf dem Bild: hessenschau EXTRA-Logo
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"Die medizinische Versorgung der Menschen ist schwer"

Yaşar Bilgin ist Arzt und Vorsitzender der Türkisch-Deutschen Gesundheitsstiftung aus Gießen. Über die Stiftung hat er tonnenweise Medikamente, Medizinbedarf und andere Spendengüter gesammelt und in den Südosten der Türkei verschickt. Derzeit hält er sich in seiner Geburtsstadt Mersin am Rande der Erdbebengebiete auf.

Ein Mann steht in einem Zimmer und schaut in die Kamera.

"Ich war am Montag am Flughafen in Adana und habe die Waren, die wir in die Türkei geschickt haben, selbst abgeholt und nach Mersin gefahren. Im Krankenhaus habe ich viele Patienten mit amputierten Beinen und Armen gesehen, aber auch mit Nierenversagen, weil sie so lange unter den Trümmern lagen. Mersin liegt in der Nachbarschaft der Erdbebengebiete und ist voll mit Menschen, die von dort geflüchtet sind.

Die medizinische Versorgung der Menschen ist sehr schwer. Es sind ja auch Krankenhäuser eingestürzt. Die Patienten mussten nach Mersin und in andere Städte gebracht werden. Den Ärzten fehlen Medikamente, Antibiotika, Schmerzmittel und Impfstoffe. Hier gibt es tausende Kranke. Ein Staat allein kann das nicht schaffen. Ich werde bald weiterreisen und wahrscheinlich auch als Arzt mitwirken. Ich werde noch einige Wochen bleiben."

"Die Menschen in kleinen Dörfern werden sonst vergessen"

Uğur Kılıç kommt aus Hungen (Gießen) und arbeitet in der Gastronomie. Mit Freunden hat er über 20.000 Euro Spenden gesammelt, am Sonntag sind sie zu dritt in die Türkei gereist. In der Millionenstadt Adana hat das Trio einen Lkw mit Brot, Milch und Hygiene-Sets vollgeladen. Die Hilfsgüter verteilen die Männer jetzt in der Provinz Kahramanmaraş.

Selfie mit Uğur Kılıç (Mitte), rechts Kerem Ünlücan und links Onur Tolan.

"Wir sind in den kleineren Dörfern mit maximal 50 bis 100 Einwohnern unterwegs. Dort wollen wir helfen, weil die sonst einfach vergessen werden. In einem Dorf waren wir sogar die ersten, die Hilfsgüter gebracht haben. Die Menschen hier brauchen vor allem trockene Lebensmittel wie Reis und Linsen, aber auch Hygieneartikel für Frauen.

Sie freuen sich, dass ihnen jemand die Hand reicht. Aber man merkt, dass der Schmerz tief sitzt. Ein Ortsvorsteher hat uns herumgeführt. Wir haben viele Trümmer gesehen. Häuser, in denen Menschen gestorben sind. Man braucht sehr starke Nerven. Aber wir wollen bis Samstag bleiben und jeden Tag alles dafür geben, dass wir den Leuten helfen können."

"Wir wissen vorher, worauf wir uns einlassen"

Oliver Schweikart, lebt mit seiner Frau in Lorsch. Der 53-Jährige ist von Beruf Produktmanager, gehört der Schnell-Einsatz-Einheit Bergung Ausland (SEEBA) des THW an. Er war bei der Rettung einer 88-Jährigen dabei. Vor seinem jetzigen Einsatz war er zuletzt nach der Explosion in Beirut im Einsatz.

Oliver Schweikart auf einer Rolltreppe.

"Es ist der absolute Adrenalinkick, wenn man dann in einen Einsatz kommt, wo schon Menschen vor Ort sind, wo gar nicht klar ist, wie lange man braucht um die Person zu retten, ob man sie überhaupt retten wird. Das sind ganz schön viele Eindrücke, die da auf einen einprasseln. Das ganze im Dunkeln, das war schon ein ganz schön herausfordernder Einsatz.

Wir wissen vorher, worauf wir uns einlassen. Wir sind da sehr gut vorbereitet, sehr gut ausgebildet. Damit die Psyche entsprechend stabil alles verarbeiten kann. Und man weiß, dass man immer ein Stück weit verändert zurückkommt. Weil man sehr viele Erfahrungen gemacht hat.

Ich fahre mit einem total euphorischen Gefühl nach Hause, weil wir eine super Teamleistung hingelegt haben. Aber ich bin auch sehr müde. Mehr als vier Stunden Schlaf am Stück gab es in den vergangenen Tagen nicht."

"Menschen in Not sollte man immer helfen"

Sedat Tuygar, Logistik-Unternehmer aus Frankfurt hat mit seinem Bruder Serdal auf eigene Faust zwölf Tonnen Hilfsgüter gesammelt und mit einem LKW ins Erdbebengebiet gebracht.

"Die Hilfsgüter stammen von Spendern, die Spenden zu unserem Depot nach Frankfurt gebracht haben. Die haben wir abgepackt, aufgelistet und eingeladen. Die Fahrt war 3.500 Kilometer lang, wir sind überall gut durchgekommen. Wir sind circa 60 Stunden unterwegs gewesen, zu zweit.

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Hessen helfen

Das hr-fernsehen sendet um 20.15 Uhr ein hessenschau extra zur Erdbebenkatastrophe und die Hilfsmöglichkeiten für die Menschen in der Türkei und Syrien.

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Schwierig war das eigentlich nicht, weil wir ein sehr gutes Team hatten, bei dem ich mich auch bedanken möchte. Bis zu 60 Leute waren wir in unserem Depot - von morgens bis abends. Finanziell gestemmt haben wir das mit den Hilfsgütern der Spender, ich habe das Fahrzeug zur Verfügung gestellt und die Kosten bis hierhin habe ich privat übernommen.

Warum ich sowas mache? Menschen in Not sollte man immer helfen, immer unterstützen, unabhängig von der Religion, von der Herkunft. Wenn es morgen woanders ist, in einem anderen Land, mit einer anderen Religion, würde ich das wieder machen."

"Es liegen selten Himmel und Hölle so nahe beieinander"

Patrick Kaminsky ist Bauingenieur und engagiert sich ehrenamtlich für die Hilfsorganisation @fire, die international Hilfe bei Naturkatastrophen leistet.

Ein Mann steht in einem TV-Studio und schaut in die Kamera.

"Der Einsatz war sehr belastend. Es liegen selten Himmel und Hölle so nahe beieinander. Es ist ein unglaublich schönes Gefühl, wenn man jemanden retten und aus den Trümmern rausziehen kann. Auf der anderen Seite ist das Leid, das man vor Ort sieht, doch unermesslich groß.

Der Wille, jemandem helfen zu wollen, das ist etwas, das jeder Helfer mitbringen muss. Speziell im Bereich der Erdbebenrettung braucht man medizinisches Personal und alles aus dem weiteren Umfeld des Bauwesens. Aber auch jeder andere kann seinen Beitrag leisten. Um sich auf die Einsätze vorzubereiten gibt es Kurse und auch auf das, was nach den Einsätzen kommt - also die Aufarbeitung. Das ist ein Prozess, der dauert mehrere Monate."

"Die Menschen ermutigen, zu helfen, wo es geht"

Fatih Kaplan ist Jugendleiter im Sportverein Türkgücü Friedberg, Fritz-Reuter-Straße, und organisiert Hilfsaktionen.

Helfer Fatih Kaplan neben Kartons mit Hilfsgütern, an der Wand das Wappen des Sportvereins Türk Gücü Friedberg e.V.

"Nach dem Erdbeben wollten alle schnell handeln und da haben wir sofort Sachspenden angenommen. Schon am ersten Tag kamen im Vereinsheim rund 400 Kartons zusammen, die am Dienstag in die Türkei geflogen wurden. Kleidung soll nicht geschickt werden, wir führen die Sammelaktion bis Ende der Woche weiter und sammeln Hygiene- und Elektroartikel, Powerbanks, Heizstrahler, Decken und Desinfektionsmittel.

Wir haben auch einige Mitglieder, die Leute oder Verwandte haben oder kennen, die betroffen sind. Wir wollen einfach hier unser Bestes geben. Und auch die Menschen ermutigen, zu helfen, wo es geht."

"Es ist schon schön, wieder nach Hause zu kommen"

Evi Kümper ist Hundeführerin beim Technischen Hilfswerk THW in Viernheim. Die Rettungshunde des THW werden in einer Ausbildungsdauer von etwa zwei Jahren zum Rettungshund für die Suche in Trümmern ausgebildet. Evi Kümper war mit ihrem Hund Quaskiya bis zum 13. Februar in Kirikahn im Süden der Türkei, um nach Verschütteten zu suchen und Menschen zu retten.

Evi Kümper mit ihrem Hund auf einer Kiste sitzend.

"Es ist schon schön, wieder nach Hause zu kommen. Ich denke, Quaskiya ist auch froh, wieder zur Ruhe zu kommen, ins normale Umfeld. Die Hunde im Team kennen sich, aber sie müssen sich nicht mögen. Den Hunden geht es wie den Menschen: man arbeitet zusammen, aber wir müssen keine Freunde sein. Es ist schön aber es muss nicht sein.

Ich bin mit Quaskiya sehr zufrieden. Sie hat ihre Aufgaben sehr gut gelöst. Es waren einige Abbrüche dabei, wo man sagen musste: hier an der Kante geht es dann drei Meter runter. Was bedeutet, dass der Hund nicht unverletzt unten ankommt. Das hat sie sehr langsam und sehr sorgfältig abgearbeitet. Ganz toll."

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