Wollen wir Subkultur? Sollen Kreative fair bezahlt werden? Wie kriegen wir Kulturangebote in ländliche Gebiete? Mit dem Masterplan Kultur will das Ministerium für Wissenschaft und Kunst die Zukunft der Kultur in Hessen steuern. Was sagen Kulturschaffende dazu?

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Masterplan Kultur in Hessen nimmt Gestalt an

Ein fünfjähriges Kind hält sich eine Geige über Kopf.
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Eine Vision muss her. Und zwar für die Kultur in Hessen! – Dieser Gedanke war der Startschuss für den Masterplan Kultur, den das Ministerium für Wissenschaft und Kultur zusammen mit Kulturschaffenden in ganz Hessen fast sechs Jahre lang erarbeitet hat.

Zunächst wurde in einem Kulturatlas erfasst, wo welche Art von Kultur in Hessen stattfindet, dann gab es Online-Befragungen, Workshops und Expertenrunden und zuletzt wurden Schwerpunkte herausgearbeitet. Herausgekommen ist ein 60 Seiten umfassendes Leitbild, nach dem das Land Hessen in Zukunft Kultur unterstützen, fördern oder sogar neu schaffen will. Der Kulturetat im Haushalt wurde dafür seit Beginn der Legislaturperiode um zehn Millionen Euro erhöht.

Das "Baby" der Ministerin soll Bestand haben

Die Leitlinien sind also festgeschrieben im neuen Masterplan Kultur, erste Schritte werden jetzt umgesetzt – dafür hat die Landesregierung nach eigenen Angaben noch einmal 6,7 Millionen Euro bereit gestellt. Und auch wenn der Masterplan ein bisschen das "Baby" der Grünen Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn, ist, ist diese sicher, dass die Kultur-Leitlinien auch unter einer anderen Regierungszusammensetzung greifen werden. "Dadurch,dass CDU, Grüne und SPD daran beteiligt sind", sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass mindestens einer der Beteiligten auch nach einer möglichen neuen Regierungsbildung den Masterplan weiterführe.

Hessenschau.de hat exemplarisch vier Versprechen aus dem Masterplan aufgegriffen, sie Kulturschaffenden vorgelegt und die Ministerin dazu gehört.

Angela Dorn mit ihrem "Masterplan Kultur"

Versprechen 1: "Das Land will die Musikschulen gemeinsam mit der Kommune und dem Verband der Musikschulen qualitätsorientiert weiterentwickeln und insgesamt stärken."

Weiterentwickeln und stärken, das sei auch dringend nötig, betont Andrea Heibel, die stellvertretende Leiterin der Musikschule Limburg. Die hessischen Musikschulen hangelten sich im Moment von Zuschuss zu Zuschuss. "Die Landesförderung ist erheblich zu niedrig und die kommunale Förderung in der Regel eine freiwillige Leistung." Instrumente könnten oft nicht repariert und neue nicht angeschafft werden. Außerdem könnten keine Vollzeitverträge für Musiklehrer abgeschlossen werden.

Kulturministerin Angela Dorn kennt das Problem der Musikschulen. "Wir sind tatsächlich im bundesweiten Vergleich - ich unterstreiche ganz dick noch - im hinteren Feld." Eine Lösung sei aber deshalb so kompliziert, weil die Finanzierung der Musikschulen von Kreis zu Kreis unterschiedlich sei. Durch den Masterplan-Prozess sei man aber auf eine mögliche Lösung gekommen. "Wir nennen es Pakt für die Musikschulen."

Dabei soll in Zukunft einheitlich geregelt werden, welchen Anteil Land, Kommune und Beiträge der Eltern am Musikschuletat haben. Die Landesmittel sollen dabei nach klaren Qualitätskriterien vergeben werden, die es derzeit noch zu erarbeiten gelte. Ziel ist nach Angaben der Ministerin, dass es am Ende insgesamt mehr Mittel und mehr Instrumente für die Musikschulen gibt und die Klassen kleiner werden – auch im ländlichen Raum.

Versprechen 2: "Die Leistung der Kulturakteurinnen und -akteure soll anerkannt, wertgeschätzt und ihrer Qualität entsprechen vergütet werden. Ein wichtiges Kriterium ist dabei die faire Entlohnung für die Kreativen (…)."

Bei diesen Sätzen hüpfen wahrscheinlich erstmal die Herzen von freien Schauspielerinnen, Tänzern, Malerinnen oder Kabarettisten. Viele von ihnen haben mehrere Jobs, um sich ihr Leben zu finanzieren.

Aber was heißt "ihrer Qualität entsprechend"? Wie soll Qualität in der Kultur gemessen werden? Ist ein Theaterstück von erfahrenen Laien automatisch von schlechterer Qualität als eins von Hochschulabsolventen? Und selbst wenn, sind Angebote zum Beispiel der Subkultur nicht auch wichtig für die kulturelle Landschaft in Hessen?

Der Masterplan habe dazu eine klare Haltung, meint Kulturministerin Angela Dorn. "Die Stärke der hessischen Kultur liegt auch in ihrer Vielfalt begründet." Subkultur habe da genauso ihre Berechtigung wie ein Laienchor. "Und gleichzeitig gab es aber das Bedürfnis, dass man am Ende Förderung und Qualität zusammenbringen muss, damit Gelder sinnvoll und gerecht verteilt werden können." Diesen "Knoten" könne auch der Masterplan noch nicht lösen, gibt Dorn zu. Sie könne sich deshalb einen Kulturbeirat vorstellen, der sich dieser Thematik annehmen könnte. Einen solchen Beirat gab es bislang noch nicht.

Versprechen 3: "Das Land versteht sich als Ermöglicher eines vielfältigen, kulturellen Lebens und will seine Förderpraxis (…) so lebensnah wie möglich gestalten. Hessen will Künstlerinnen und Künstlern ein Zuhause geben und ihre wirtschaftliche Situation nachhaltig sichern."

Abraham Teuter, der Leiter des Megalomania Theaters in Frankfurt beklagt, dass er sich bisher nicht auf kalkulierbare Zuschüsse verlassen konnte. "Wir bekommen nur hin und wieder eine Förderung, während es andere Theater gibt, die eine regelmäßige Förderung bekommen." Er könne seine Darsteller und Darstellerinnen, die zum Teil ausgebildet, zum Teil Laien sind, oft nicht adäquat bezahlen oder müsse die Gage aus eigener Tasche vorstrecken. "Schlicht und einfach habe ich, allein in diesem Kalenderjahr, 38.000 Euro dazugegeben."

Megalomania-Theater, Frankfurt

Tatsächlich könnten Förderungen und Zuschüsse in Zukunft auch für freie Theater besser werden, meint Ministerin Angela Dorn. "Wir haben schon eine ganze Menge an den Förderrichtlinien entstaubt." Es sei unbürokratischer geworden und bei den Festbetragsfinanzierungen seien mittlerweile etwas größere Summen möglich.

Versprechen 4: "Hessen will Kulturakteurinnen und -akteure sowie Kulturinstitutionen in den ländlichen Räumen noch intensiver unterstützen"

Meist gibt es auf dem Land weniger Kultur-Angebote und viele von ihnen stehen derzeit vor den Aus - wie zum Beispiel das kleine Traditionskino von Edith Weber in Grünberg (Gießen). Es galt lange als das schönste Kino im Kreis, nun ist nach Webers Angaben eine Sanierung dringend nötig. Die Heizung sei marode, eine Klimaanlage gebe es nicht und der Zuschauerraum müsse angeschrägt werden. Außerdem würden immer weniger Tickets verkauft. "Die Leute schauen Streamingdienste."

Dem Grünberger Kino könne geholfen werden, betont Angela Dorn. "Schon vor dem Masterplan gab das Kino-Investitionsprogramm. Da könnte sich dieses Kino also bewerben, um in die Räumlichkeiten zu investieren."

Um wieder mehr Publikum ins Kino zu locken, könnten zusätzlich Lesungen und Kabarett in den Kinosälen stattfinden oder Filme als Open Air Event angeboten werden. "Es gibt tatsächlich für die Kinos auch Beratungsinitiativen, die man durchaus auch fragen kann, damit die Kinobetreiber das nicht ganz alleine machen müssen."

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