Die röhrenförmige Skulptur "Pixelröhre" am Rheinufer des Wiesbadener Stadtteils Kastel im Licht der herbstlichen Abendsonne.

Das Marburger Wasserband, eine Röhren-Skulptur am Rheinufer oder ein Bach in Kronberg: Der Bund der Steuerzahler veröffentlicht auch in diesem Jahr wieder besonders prägnante Fälle mutmaßlicher Steuerverschwendung. Hier sind die größten Aufreger.

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Steuerzahlerbund stellt neues Schwarzbuch vor

hs
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Der Bund der Steuerzahler (BdSt) prangert jedes Jahr besonders heftige Fälle an, in denen seiner Ansicht nach Steuergelder verschwendet worden sind.

So kritisiert der gemeinnützige Verein etwa, dass Kommunen bei öffentlichen Bauvorhaben zu sorglos mit Finanzmitteln umgehen. Im aktuellen Schwarzbuch 2022/2023 stellt der BdSt auch besonders prägnante Fälle aus Hessen vor.

Marburg: Wasserband als Wasserverschwender

Das sogenannte Wasserband in Marburg hatte Joachim Papendick, Vorsitzender des BdSt in Hessen, schon im Sommer als "Schlag ins Gesicht der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler" bezeichnet.

2019 hatte die Stadt Marburg festgestellt, dass bei der treppenartigen Wasserinstallation in nur einem Sommer fast 20 Millionen Liter Trinkwasser im Wert von 35.000 Euro unbemerkt im Boden versickert waren. Eine genaue Überprüfung ergab erhebliche Schäden, für die laut BdSt ebenfalls die Steuerzahler aufkommen müssten. Einfach Abreißen würde übrigens wohl noch teurer werden: Stadträtin Kirsten Dinnebier (SPD) erklärte dem hr im Juni, die Stadt müsste dann möglicherweise Fördergelder, die man damals für die Umgestaltung der Ketzerbach bekommen habe, zurückzahlen.

Das sogenannte Wasserband, ein künstlicher Bach, der sich durch die Marburger Innenstadt zieht.

Ohnehin hatte die Stadt den Vorwürfen widersprochen: "Die Umgestaltung der Ketzerbach mit dem Wasserband ist keine Steuerverschwendung." Nach "unerwartet hohen Wasserverlusten" im Jahr 2019 habe die Stadt neben einer Reparatur engmaschigere Kontrollen des Wasserverbrauchs eingeführt. Die Reparaturen am Wasserband kosteten Angaben der Stadt Marburg zufolge bisher rund 22.000 Euro. Insgesamt habe die Umgestaltung der Straße Ketzerbach 2,68 Millionen Euro gekostet, wovon 1,79 Millionen Euro aus Städtebaufördermitteln kamen.

Der Bund der Steuerzahler bezeichnete den Marburger Fall nun trotzdem als "absurd": Während in der hessischen Landespolitik über einen "Wassercent" nachgedacht werde, um zum Wassersparen zu animieren, versickern in Marburg 20 Millionen Liter Trinkwasser in kürzester Zeit. "In Zeiten von Klimawandel, Trockenheit und Hitze sollten Wasserstände regelmäßig überprüft werden. Hoffentlich hat die Stadt daraus gelernt und kontrolliert den Wasserzähler nun häufiger."

Hier die in diesem Jahr aus Sicht des Vereins weiteren, besonders tadelnswerten Beispiele aus Hessen:

Kronberg: Ein Bächlein soll ans Licht

Die Stadt Kronberg will das Mikroklima in ihrem Bahnhofsareal "nachhaltig verändern" und einen Gewässerabschnitt "ökologisch aufwerten". Der dortige Winkelbach verlief in einem unterirdischen Rohr und wird seit Frühjahr auf einer Länge von 400 Metern offengelegt - als eine Auflage des Regierungspräsidiums Darmstadt, um die Bebauung des Viertels zu genehmigen.

2015 wurden Kosten in Höhe von 75.000 Euro angegeben. Im Sommer 2021 waren dann 1.897.211 Euro allein für einen ersten Bauabschnitt vorgesehen, kritisiert der BdSt. Die Kosten eines zweiten Abschnitts belaufen sich demnach auf weitere 650.000 Euro. Laut Stadt seien die "hohen technischen Anforderungen an das Offenlegungsbauwerk" ebenso wenig ausreichend berücksichtigt worden wie "Baunebenkosten, Kosten für Unvorhergesehenes und Kosten für weitere Gewerke".

Sollte die Stadt Kronberg den Winkelbach aber nicht offenlegen, "müsste das Regierungspräsidium die Plangenehmigung aufheben und gegebenenfalls die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands anordnen", heißt es im Schwarzbuch. Bereits errichtete oder im Bau befindlichen Gebäuden würde dann die baurechtliche Grundlage entzogen.

"Ein Desaster für die Stadtentwicklung!", schreibt der BdSt, der zudem den ökologischen Mehrwert kritisiert: So soll der offengelegte Winkelbach zum großen Teil in einer 40 Zentimeter breiten Betonrinne zwischen Straße und Bürgersteig verlaufen, für Zufahrten muss das Rinnsal an mehreren Stellen überdeckt werden. Der Bund der Steuerzahler fordert daher: Es hätte möglich sein müssen, "nicht stur an der Offenlegung festzuhalten, sondern die Mittel für sinnvollere Projekte zur Verbesserung des ökologischen Zustands einzusetzen".

Nordhessen: Die immer teurere A44

Die Autobahn 44 in Nordhessen ist quasi ein Klassiker im Schwarzbuch und findet bereits zum vierten Mal kritische Erwähnung. Nach der Wiedervereinigung sollte mit einem Teilstück auf 70 Kilometern Länge die A7 bei Kassel mit der A4 bei Herleshausen-Wommen verbunden und so eine Lücke zwischen Ost und West geschlossen werden. 30 Jahre später steht für den BdSt fest: "Die Umsetzung ist seitdem völlig aus dem Ruder gelaufen".

Ein großes Schild weist bei Waldkappel (Werra-Meißner) auf den Neubau eines Teilabschnitts der A 44 Kassel - Eisenach hin.

Die Baukosten seien wegen der jahrzehntelangen Planungs- und Bauzeit, Umplanungen und der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz des Projekts auf mehr als 2,7 Milliarden Euro gestiegen - und ein Ende nicht in Sicht. Der BdSt fordert nun, "Planungsverfahren endlich zu vereinfachen und zu beschleunigen". Und wenn schon im Vorfeld massive Probleme absehbar sind, müssen diese auch berücksichtigt werden.

Mainz-Kastel: Die 350.000-Euro-Röhre

Im Frühjahr wurde am Rheinufer im Wiesbadener Stadtteil Mainz-Kastel eine röhrenförmige Skulptur installiert. Ein "durchaus beeindruckendes Kunstwerk", lobt der BdSt einerseits. Das Objekt werde auch gut angenommen, schließlich bekräftige der Wiesbadener Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD), "dass das Kunstwerk die Menschen fasziniert und in ihren Bann zieht".

Die röhrenförmige Skulptur "Pixelröhre" am Rheinufer des Wiesbadener Stadtteils Kastel im Licht der herbstlichen Abendsonne.

Dennoch ist die über den Rhein ragende "Pixelröhre" für den BdSt "unnötig groß und teuer ausgefallen". Während des Baus seien die Kosten auf 350.000 Euro gestiegen. Zwar seien Kunst und öffentliche Begegnungsorte gerade auch in schweren Zeiten wichtig. "Doch wäre es nicht auch eine Nummer kleiner gegangen?"

Heringen: Hessens unnützeste Straße

Die Umgehungsstraße zum Müllheizkraftwerk in Heringen an der Werra (Hersfeld-Rotenburg) belegt im inoffiziellen Ranking von Hessens unnützen Straßen einen Spitzenplatz. Der BdSt bezeichnet sie ganz offiziell als "ein Musterbeispiel für Fehlplanungen!" Warum? Die 2014 fertiggestellte Straße kann seitdem nicht genutzt werden. Acht Jahre später ist die Straße, die dem BdSt zufolge die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mindestens zwei Millionen Euro gekostet hat, noch immer nicht freigegeben.

Gesperrte Straße zum Müllheizkraftwerk in Heringen (Hersfeld-Rotenburg)

Das Problem: Kalizüge vom nahen K+S-Werk blockieren oft den dazugehörigen Bahnübergang. Anders hätten sie beim Rangieren keinen Platz. Darauf zu warten, bis sie damit fertig sind, würde umgekehrt den Lastwagen im Anlieferverkehr für das Heizkraftwerk zu lange dauern. 2018 gab es Planungen, ein Gleis zu verlängern - doch gebaut wurde bis heute nicht. Die Straße liegt weiter brach. "Es bleibt nur zu hoffen, dass andere Kommunen aus diesem Desaster lernen", meint der BdSt.

Frankfurt: Die Betonwüste, die zur Oase werden soll

Schon zum dritten Mal findet der Paul-Arnsberg-Platz im Frankfurter Ostend Erwähnung im Schwarzbuch - beziehungsweise die bislang erfolglosen Versuche der Stadt, den Platz grüner und attraktiver zu machen. "Nun will man alte Fehler geraderücken und die Fläche klimagerecht umgestalten - wofür erneut 1,4 Millionen Euro fällig werden", schreibt der BdSt.

In Zeiten knapper Ressourcen wäre dem Verein ein nachhaltiges Handeln von Anfang an wichtig gewesen. "Der Bund der Steuerzahler hat dies frühzeitig gefordert und vor verschwenderischem Umgang mit Steuergeld gewarnt." Die Stadt Frankfurt teilte mit: "Die klimaangepasste Neugestaltung des Paul-Arnsberg-Platzes wird voraussichtlich 1,39 Millionen Euro kosten und soll aus dem städtischen Programm 'Begrünung von Straßen und Plätzen' finanziert werden."

Bischofsheim: Kunst am Bau

In Bischofsheim (Groß-Gerau) entsteht eine Kindertagesstätte, die von Frankfurter Künstlern verschönert wird. Die dafür benötigten Gelder sorgten in der Gemeindevertretung für Aufregung und beim BdSt für Kritik. Insgesamt 100.000 Euro sollen für drei Projekte ausgegeben werden.

"In Relation zu den Gesamtbaukosten von 5,9 Millionen Euro ist dies deutlich mehr als die ein Prozent, die das Land für Kunstwerke an seinen Neubauprojekten veranschlagt", schreibt der BdSt. Daher stelle sich die Frage, "ob das darüber hinausgehende Geld nicht besser in gute Bildung und Betreuung angelegt gewesen wäre".

Egelsbach: Kreisverkehr als Wendeschleife

In Egelsbach (Offenbach) wurde ein Kreisverkehr am Radschnellweg gebaut, der seitdem für Hohn und Spott bei den Einheimischen sorgt. "Zu eng und sinnlos", lautet eine der Kritiken in der Zeitung "Offenbach-Post" (OP) für den 125.000 Euro teuren Kreisverkehr, der unter anderem als Buswendeschleife dienen sollte. Die Kosten trugen zu 80 Prozent das Land und zu 20 Prozent die Gemeinde Egelsbach. Nur: Der Kreisel ist zu klein ausgefallen. Busse können ihn kaum befahren.

"Warum die Wendemöglichkeit für den Busverkehr nicht genügend berücksichtigt wurde, versuchen wir jetzt zu klären", sagte Bürgermeister Tobias Wilbrand (Grüne) der OP. Der Bereich soll noch einmal für 75.000 Euro umgebaut werden - angeblich ohne unnötige Mehrkosten für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

"Ob diese Rechnung aufgeht, ist noch unklar", kritisiert der BdSt. "Die von der Gemeinde als Ursache genannten Kommunikations- und Personalprobleme dürfen nicht dazu führen, dass ein Bauvorhaben falsch umgesetzt wird und unnötige Kosten für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler riskiert werden."

Kritik sorgt für Veränderung

Neben all der Kritik lobt der BdSt aber auch Projekte, die er in vorherigen Schwarzbüchern erwähnt hatte und die danach zum Besseren verändert worden seien. In diesem Jahr sind das vor allem die Stadt Hanau, die einen Spielwarenladen übernommen hatte, um dessen Aus zu verhindern. "Auch aufgrund der BdSt-Kritik hat Hanau schneller als geplant einen privaten Betreiber gefunden und wird nun doch nicht selbst zum Spielwarenhändler", heißt es nun.

Der Rheingau-Taunus-Kreis war kritisiert worden, weil er für seine Schulen für mehr als 900.000 Euro Laptops und Tablets angeschafft hatte - und mehr als 300 Geräte ein halbes Jahr lang ungenutzt in den Schulen liegen ließ. Nach der BdSt-Kritik sei Schadensbegrenzung betrieben worden. Daher nun das Fazit: "Aus Sicht des BdSt zeigt der Fall, dass das Budget für die unbestritten wichtige Schul-Digitalisierung nach dem tatsächlichen Bedarf und nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden sollte."

Für die Stadt Runkel (Limburg-Weilburg) gibt es Lob: Die Stadt konnte ein Gewerbegebiet nicht vermarkten - nun habe sie einen Teil des seit mehr als 20 Jahren brachliegenden Areals verkaufen können.

Weitere Informationen

Bund der Steuerzahler und Schwarzbuch

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) listet in seinem jährlich herausgegebenen Schwarzbuch die seiner Ansicht nach gravierendsten ihm bekannten Beispiele für die Verschwendung öffentlicher Mittel auf. Der Verein wurde 1949 von einem Finanzwissenschaftler, einem Steuerberater und einem Wirtschaftsjournalisten gegründet. Er ist laut Satzung überparteilich, unabhängig und gemeinnützig. Der Verein hatte nach eigenen Angaben 2018 etwa 230.000 Mitglieder. Er finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Der BdSt gilt als die größte Steuerzahlerorganisation der Welt.

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