Einsatzkräfte räumen abgebrochene Äste auf

Überflutete Straßen, entwurzelte Bäume und 15.000 Hektar beschädigte Ackerflächen: Eine Woche nach dem Unwetter wird in Hessen weiter aufgeräumt. Einen Tornado gab es nicht, aber ein anderes Gewitterphänomen.

Nach der schweren Unwetterlage am vergangenen Donnerstag laufen die Aufräumarbeiten weiter auf Hochtouren. Vor allem in Nordhessen und in Teilen des Main-Taunus-Kreises hatten Gewitter mit Sturm, Starkregen und Hagel Schäden verursacht. Feuerwehrleute und Hilfskräfte waren im Dauereinsatz. Fast 1.700 Mal mussten sie in Hessen ausrücken.

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Hessen nach dem Unwetter

hs 29.06.2023
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"Spur der Verwüstung" in Kassel

"Das starke Unwetter in der vergangenen Woche hat eine Spur der Verwüstung durch das Kasseler Stadtgebiet gezogen" erklärte etwa ein Sprecher der Stadt Kassel eine Woche danach. Bürgerinnen und Bürger können Sperrmüll aus überfluteten Kellern kostenlos abholen lassen.

Die städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien weiterhin dabei, die Schäden im öffentlichen Raum und an Gebäuden zu dokumentieren und möglichst schnell zu beseitigen, berichtete er. Dennoch werde vereinzelt weiterhin mit Einschränkungen zu rechnen sein, etwa in Kitas, Schulen, Sporthallen und -anlagen sowie auf Spielplätzen.

Reinigung der Gullys wird noch Monate dauern

"Im Bereich der Straßen haben die Mitarbeiter des Bauhofs viele kleinere, aber auch größere Schäden festgestellt, deren Behebung unterschiedlich lange Zeit beansprucht", sagte der Sprecher.

Die Reinigung der Straßenabläufe von eingespülten Blättern, Kies und Schlamm werde noch die nächsten Monate in Anspruch nehmen. "Die Stadt Kassel verfügt über rund 23.000 Straßenabläufe. Nahezu jeder Ablauf war in der Unwetternacht betroffen."

20 Millimeter Regen in fünf Minuten

Daten des städtischen Eigenbetriebs Kasselwasser zufolge sind am Donnerstag vergangener Woche in 30 Minuten bis zu 50 Millimeter Regen gefallen. "Das sogenannte 100-jährige Ereignis ist definiert mit 45 Millimetern in der Stunde", ordnete der Sprecher ein.

"Absolute Spitzenwerte von 20 Millimetern in fünf Minuten konnten abgelesen werden." In den überfluteten Straßen kamen vielen Autofahrern auch ihre Kennzeichen abhanden. Aktuell warteten noch 23 Stück im Kasseler Fundbüro auf ihre Halter, sagte der Sprecher.

Mehr als 50 Bäume in Hattersheim entwurzelt

Auch in Hattersheim (Main-Taunus) hatte das Unwetter gewütet, besonders im Stadtteil Okriftel. "Wir sind derzeit noch am Sammeln der Schäden. Über 50 markante, alte Bäume wurden entwurzelt beziehungsweise große Äste abgerissen. Wir schätzen derzeit, dass über 200 Bäume beschädigt wurden, mindestens 50 wurden gefällt", erläuterte Bürgermeister Klaus Schindling (CDU) den Stand der Aufräumarbeiten.

Aktuell gebe es noch mehrere gesperrte Bereiche, unter anderem das Okrifteler Wäldchen. "Ich bin sehr erleichtert, dass es keine Personenschäden zu beklagen gibt. Allerdings entstanden vielfältige Sachschäden an Gebäuden, Fahrzeugen, Wegen", sagte der Rathauschef.

Die Aufräumarbeiten würden sich mindestens noch über die nächste Woche erstrecken. Angaben zur Schadenshöhe könnten aktuell noch nicht gemacht werden.

Entwurzelter Baum in Hattersheim

Extrem starker Fallwind aus Gewitterzelle

Sowohl in Hattersheim als auch im nordhessischen Waldeck hatte zunächst der Verdacht bestanden, dass es sich bei den dortigen Stürmen um einen Tornado gehandelt haben könnte. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach geht allerdings inzwischen davon aus, dass die Schäden in erster Linie durch ein anderes, häufiger auftretendes Gewitterphänomen verursacht worden sind.

"Aufgrund des Schadensbildes und der synoptischen Gegebenheiten handelte es sich bei dem Ereignis letzte Woche mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um einen Tornado, sondern um einen sogenannten Downburst", teilte der DWD mit.

"Einerseits waren diese schon sehr gut im Dopplerradarbild zu erkennen, andererseits lagen an diesem Tag durch eine vorhandene trockene Grundschicht die Wolkenuntergrenzen oftmals zu hoch, um einen Tornado produzieren zu können", erklärte der DWD. "Dafür war die trockene Grundschicht für genau ebenjene Downbursts prädestiniert."

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Was ist ein Downburst?

Als Downburst wird laut DWD ein extrem starker Fallwind aus einer Gewitterzelle bezeichnet. "Dieser Fallwind prallt aus der Höhe auf den Boden auf und wird dann nach verschiedenen Seiten abgelenkt. Dies geht oft gleichzeitig mit sehr heftigem Niederschlag und/oder Hagel einher."

Die auftretenden Böen in einem solchen Downburst erreichten dabei Orkanstärke, oft im Bereich von 120 bis 140 Kilometer pro Stunde. Im Extremfall könnten aber sogar Geschwindigkeiten von 180 bis 200 Stundenkilometer erreicht werden.

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"Mais-Bestände haben Totalschaden erlitten"

Auch viele Bauern hat das Unwetter hart getroffen. Rund 350 landwirtschaftliche Betriebe in Hessen haben bislang Schäden auf insgesamt 15.000 Hektar gemeldet, wie die Bezirksdirektion Gießen der Versicherung "Vereinigte Hagel" am Mittwoch mitteilte. Das entspricht etwa 21.000 Fußballfeldern.

Betroffen seien mit 310 Betrieben vor allem Landwirte in Nordhessen, sagte der für Hessen und Thüringen zuständige Bezirksdirektor Jürgen Schuldig-Fritsch. Das Unwetter hatte dort besonders in Raum Kassel und im Kreis Waldeck-Frankenberg gewütet. Ein so schweres Schadensereignis habe es in der Region in den vergangenen Jahrzehnten nicht gegeben. "Sehr große Mais-Bestände haben einen Totalschaden erlitten."

Körner durch Hagel aus Ähren geschlagen

Der Hessische Bauernverband berichtet ebenfalls von regional starken Hagelschäden im Norden des Landes. "Im Mais wurden die Pflanzen teilweise direkt durch den Hagel zerschlagen", erläuterte eine Sprecherin. Es sei noch nicht klar, inwieweit sich die Bestände erholen könnten. "Mit Sicherheit sind jedoch einige Flächen auch zu stark zerstört, wodurch ein totaler Ertragsausfall folgt."

In Getreidebeständen sei es ebenfalls zu Hagelschäden gekommen. "Regional wurden zum Teil Körner durch den Hagel aus den Ähren ausgeschlagen. Hier ist auch mit erheblichen Ertragsschäden zu rechnen, wenn vielleicht auch in manchen Beständen nicht vollständig", sagte die Sprecherin.

Schaden auf Äckern bis zu sechs Millionen Euro

Beim Raps sei ebenfalls mit Ertragsausfällen zu rechnen. "Zumindest dort, wo Hagel stark vorkam. Es wurden Schoten durch den Hagel abgeschlagen, wodurch sie für die Ernte verloren sind."

Regional könnten Betriebe dem Verband zufolge teilweise mit 100 Prozent ihrer Ackerfläche betroffen sein. Es seien aber auch Betriebe nur mit einem Teil der Fläche betroffen.

Die Versicherung "Vereinigte Hagel" geht aktuell von 6.000 beschädigten Äckern landesweit aus, davon allein 5.000 in Nordhessen. Insgesamt rechnet die Versicherung laut Schuldig-Fritsch mit einem Schaden in Höhe von fünf bis sechs Millionen Euro.

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