Jubel SV Darmstadt 98 Aufstieg

Hinter dem SV Darmstadt 98 liegt eines der erfolgreichsten Jahre der Vereinsgeschichte - mit dem Aufstieg in die Bundesliga im Sommer als Krönung. In der Fußball-Beletage lief dann aber nicht mehr alles rund.

Torsten Lieberknecht musste erst einmal weg. Alleine sein. Raus aus dem Trubel, der wenige Sekunden vorher über ihn hereingebrochen war. Runter die paar Stufen der Treppe, nach rechts, Tür auf, ab in die Kabine und dann den Emotionen freien Lauf lassen. Aufstieg. Mit dem SV Darmstadt 98. Lieberknecht und sein Team hatten es an diesem 19. Mai 2023 gegen 20.25 Uhr tatsächlich geschafft. "Ich wollte einfach für mich alleine sein und diesen Moment für mich haben", beschrieb der Lilien-Coach diesen Augenblick, auf den zuvor alle Darmstädter Anhänger hingefiebert hatten, hinterher. "Als ich in der Kabine war, habe ich eine kleine Freudenträne verdrückt."

An eben diesem 19. Mai hatten die 98er eine kleine Sensation perfekt gemacht mit dem insgesamt vierten Bundesliga-Aufstieg der Vereinsgeschichte. Nach dem 1:0 gegen Magdeburg brachen am Böllenfalltor alle Dämme, der Platz war innerhalb weniger Minuten gefüllt mit Lilien-Anhängern. Blau-weiße Freude, Umarmungen, Jubel-Schreie, ungläubige Blicke - so weit das Auge reichte. Es war geschafft.

"Das war der SV Hollywood"

Dass es so weit kommen würde, war schon im Januar die große Hoffnung bei den Südhessen. Als Tabellenführer kamen die Darmstädter aus der Winterpause, die Chance, etwas Großes zu erreichen, war spürbar. Und die Lilien, die schon in der Hinserie durch die Liga flogen, machten genau da weiter, wo sie in der Hinrunde aufgehört hatten: Sie gewannen einfach weiter. Sie gewannen so oft, dass schon am 31. Spieltag gegen St. Pauli der Aufstieg möglich war. Matchball Nummer eins. Und der wurde mit Anlauf vergeben.

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"Das war gefühlt zu groß und perfekt", beschrieb es Manager Carsten Wehlmann in der Rückschau. Eine große Choreo, Vorfreude an allen Ecken und Enden. "Das war der SV Hollywood, das sind wir eigentlich nicht", merkte auch Keeper Marcel Schuhen an. Und eben dieser SV Hollywood aus Darmstadt ging baden, 0:3, verdienterweise. Der zweite Matchball gegen Hannover eine Woche später wurde ebenso verspielt. Langsam ging die Angst um in Südhessen. Aber dann kam eben dieses Spiel gegen Magdeburg.

Ab in den "Kampf gegen Giganten"

"Als ich ins Stadion gefahren bin, hatte ich schon ein gutes Gefühl", berichtete Wehlmann. Das Gefühl war richtig. Mit dem knappen Sieg gegen formidabel aufspielende Magdeburger war der Aufstieg endgültig geschafft. Die Lilien waren zurück in der Bundesliga. Eine unglaubliche Saison war gekrönt. Dass am letzten Spieltag nach einem Ausflug der Mannschaft vorher an den Ballermann die Zweitliga-Meisterschaft noch verspielt wurde, konnte aus südhessischer Sicht leicht verschmerzt werden.

Nach ausgelassenen Feierlichkeiten stellte sich aber langsam die Frage: Wie will dieses Team in der Bundesliga bestehen? Den "Kampf gegen die anderen Giganten", wie es Lieberknecht im Sommer-Trainingslager in der Pfalz formulierte, gewinnen? Dass das nicht leicht würde, war jedem in Darmstadt klar. Dass der Start aber gleich so schwer werden würde, dann doch nicht jedem.

Zäher Start in der Bundesliga

Die Rückkehr-Saison begann zäh, die 98er wagten sich nicht wirklich aus der Deckung und fanden sich schnurstracks am Ende der Tabelle wieder. Spätestens nach der Niederlage in Stuttgart war klar: Es muss eine Kurskorrektur her. Fortan agierten die Lilien offensiver, erspielten sich so die ersten Siege gegen Bremen und in Augsburg. Der Knoten schien geplatzt, die Darmstädter in der Liga angekommen.

Nur: Im Anschluss folgte die einzige richtige Talfahrt des gesamten Kalenderjahres. Noch ein Sieg wollte den Lilien bis Ende Dezember nicht mehr gelingen, in neun Liga-Spielen kamen nur noch drei Punkte durch drei Remis hinzu. Die Konsequenz: der letzte Tabellenplatz zur Jahreswende. Von Platz eins in Liga zwei zum Jahresstart ging es also auf Rang 18 in der Bundesliga zum Jahresende.

Lilien in Schlagdistanz

Das Gute aber an diesem ersten Halbjahr in der Bundesliga: Die Lilien sind immer noch in Schlagdistanz. Von Relegationsrang 16 trennt die Darmstädter nur das Torverhältnis, dazu war der Punktgewinn zum Jahresabschluss bei der TSG Hoffenheim ein echter Mutmacher. "Das ist ein Kraftbringer für all das, was noch kommt", erklärte Lieberknecht. Abschreiben sollte diese Lilien definitiv niemand. Und packen die Darmstädter im Mai 2024 tatsächlich den Klassenerhalt, dürfte Torsten Lieberknecht eventuell noch einmal einen Moment in Ruhe brauchen. Ganz alleine.