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Kommunen treffen auf Herausforderungen und Widerstände beim Energiesparen

3er Kombo mit Sauna, Gaszähler und Rathaus Marburg

Auch die Kommunen in Hessen müssen Energie sparen. Doch wie sie dabei vorgehen, unterscheidet sich stark. Städte wie Marburg, Wetzlar und Offenbach gehen weiter als andere. Das trifft vor Ort auch auf Widerstände.

Mit Blick auf Herbst und Winter rast die Zeit, genauso wie die Strom- und Gaszähler in öffentlichen Gebäuden, von denen es in Hessen viele gibt: zum Beispiel Schulen, Verwaltungsgebäude oder Schwimmbäder. Nach Angaben der Deutschen Energie-Agentur (Dena) verursachen die rund 186.000 öffentlichen Gebäude in Deutschland jährlich etwa sechs Milliarden Euro Energiekosten.

Genaue hessenweite Zahlen gibt es zwar nicht, doch auch hier sind die Kosten vermutlich hoch und damit auch das Einsparpotential. Hinzu kommt: Ein Großteil der Gebäude hat energetischen Nachholbedarf. Insbesondere Schulgebäude sind oft in marodem Zustand, wie eine aktuelle hr-Recherche offenbart.

Sanierungsstau stellte auch eine stichprobenhafte Untersuchung der Deutschen Umwelthilfe und der Plattform "Frag den Staat" im vergangenen Jahr fest. Der energetische Zustand vieler öffentlicher Gebäude sei "verheerend", heißt es im "Klima-Gebäude-Check".

Kommunen haben Spielraum

Einige akute Energiesparmaßahmen in öffentlichen Gebäuden sind inzwischen bundesweit vorgeschrieben, etwa eine maximale Raumtemperatur von 19 Grad. Sie gilt zum Beispiel auch in Universitäten. Auch das Land Hessen hat ein eigenes Sparpaket erlassen.

Wie genau Städte und Gemeinden sparen wollen, dabei haben sie allerdings einen gewissen Spielraum und nutzen diesen offenbar auch. Die Lage in Hessen ist derzeit noch so uneinheitlich wie die aktuelle Wassertemperatur in den Schwimmbecken: mancherorts wohlige 30, woanders frische 24 Grad. Und während einige Städte schon ihre LED-Straßenlampen runterdimmen, haben andere noch Gaslaternen am Netz.

Städtetag: keine Schneekanonen und Eislaufbahnen

Der Hessische Städtetag hat bereits einen detaillierten Maßnahmenkatalog erarbeitet, der die bundesweiten Vorgaben teilweise sogar noch verschärft. Er umfasst beispielsweise genauere Empfehlungen zur Raumtemperatur und zur Wassertemperatur in Schwimmbädern, die laut Städtetag auf 24 Grad gesenkt werden soll.

Außerdem wird etwa zu Lüftungsanlagen und mobilen Luftfiltern geraten, den Betrieb - wenn pandemiebedingt möglich - zu reduzieren. Hinzu kommen Empfehlungen zu energieintensiven Freizeiteinrichtungen. Beispielsweise wird geraten, in diesem Winter auf Schneekanonen und Eislaufbahnen zu verzichten, genauso wie auf Rasenheizungen bei Fußballspielen unterhalb der 3. Liga.

All das seien Empfehlungen, keine Verpflichtungen. Gegebenenfalls müsse der Katalog auch noch nachjustiert werden. Aktuell sehen die Planungen in den hessischen Kommunen unterschiedlich aus:

Marburg: Wie spart man in denkmalgeschützten Gebäuden?

Im 500 Jahre alten Rathaus in Marburg gibt es größtenteils noch nicht einmal doppelverglaste Fenster, eine Außendämmung ist hier unmöglich. Der neue Klima-Dezernent Michael Kopatz hat trotzdem viel vor: 15 Prozent an Energie will die Stadt insgesamt einsparen.

Auf hr-Anfrage erklärt Kopatz: Man stehe in Marburg angesichts von vielen historischen Gebäuden vor besonderen Herausforderungen. Neben beschleunigten baulichen Maßnahmen wie dem Fenstertausch, will die Stadt also ihren Energieverbrauch ad hoc drosseln.

Marburg hat als eine der ersten Städte ein recht konkretes und ambitioniertes Sparkonzept auf den Weg gebracht und teilweise auch schon umgesetzt: Raumtemperatur senken, Duschen in Sporthallen kaltstellen, die Liste ist lang. Auch die Sauna im städtischen Schwimmbad ist schon jetzt bis auf Weiteres außer Betrieb.

Plötzlich die Lüftung im Gymnasium abgestellt

Doch manche Maßnahmen bergen auch Konfliktpotenzial, zum Beispiel beim Betrieb von Luftfiltern und Lüftungsanlagen. Verwirrung und Verunsicherung gab es beispielsweise am Marburger Philippinum, als vor einigen Wochen die Lüftungsanlagen in den Veranstaltungsräumen des Gymnasiums vom Strom genommen wurden.

Inzwischen ist die Anlage in der Aula nach Intervention der Schulleitung wieder angeschlossen worden. "Die Lüftung bleibt grundsätzlich aus, aber wir dürfen sie jetzt doch benutzen, wenn es bei größeren Veranstaltungen Bedarf gibt", heißt es dort. Auch Dezernent Kopatz bestätigt das auf hr-Anfrage. "Die Lüftungen werden nur da abgestellt, wo man stattdessen auch manuell mit Fenstern lüften kann."

Marktplatz in Marburg mit Blick aufs Rathaus

Frankfurt: Dezernate entscheiden selbstständig

In Frankfurt hat man bisher keinen "Masterplan Energiesparen" entworfen. Man wolle die Maßnahmen eigenverantwortlich den einzelnen Dezernaten überlassen, wie eine Sprecherin des Umweltdezernats auf hr-Anfrage erklärt. Dabei wolle man sich an den Vorgaben des Städtetags orientieren.

Vor wenigen Wochen hatte sich die Stadt Medienberichten zufolge noch etwas zurückhaltender gezeigt, etwa was kalte Duschen und niedrige Schwimmbad-Temperaturen angeht. Die Temperaturen könnten sich also auch bald in Frankfurt ändern.

Lahn-Dill-Kreis: Pläne für das "Worst-case-Szenario"

Der Lahn-Dill-Kreis hat derweil sogar schon einen Energienotfallplan beschlossen. Er schreibt kreisweite Sparmaßnahmen vor, beinhaltet aber auch vorsorgliche Pläne für ein "Worst-case-Szenario": das, was passieren soll, wenn bei frostigen Temperaturen die Heizungen in Schulen oder großflächig in Privatwohnungen ausfallen sollten.

Die Stadt Wetzlar will nun zum Beispiel sogenannte Wärmeinseln vorbereiten, also öffentliche Gebäude, die für Bürgerinnen und Bürger im Notfall als warme Aufenthaltsorte bereitgestellt werden könnten.

Offenbach: "Risiko, dass das Gas nicht reicht"

Von einem "sehr ernstzunehmenden Risiko, dass das Gas nicht reicht", spricht auch Offenbachs Oberbürgermeister Felix Schwenke (SPD). Derzeit könne das niemand mit Sicherheit vorhersehen. In Offenbach habe man sich deshalb schon Anfang des Sommers Gedanken gemacht und vergleichsweise schnell Maßnahmen auf den Weg gebracht.

"Es reicht nicht zu sagen, wir heizen die Büros im Rathaus nur noch auf 19 Grad", so Schwenke. "Das ist erheblich zu kurz gedacht." Auch in Offenbach habe es einige kritische Rückfragen gegeben in Bezug auf die Maßnahmen der Stadt, berichtet Schwenke. Natürlich sei kalt duschen nach dem Sport unangenehm. "Aber das ist das Einzige, was momentan verantwortlich ist."

Felix Schwenke

Bei all dem müssen Städte derzeit viele unterschiedliche Faktoren abwägen, erklärt der Oberbürgermeister: Im Schwimmbad habe man beispielsweise die Temperatur gesenkt, aber das Bad müsse grundsätzlich offen bleiben, allein schon um das vorgeschriebene Schulschwimmen weiter durchführen zu können. Auch bei der Straßenbeleuchtung könne man nur wenig anpassen, um keine Angsträume zu schaffen.

Schwenke betont: Bei allem, was die Kommunen tun können, müssten auch Privathaushalte mit einsparen. Und er plädiert dafür, dass Kommunen in Hessen eine Linie fahren und es nicht zu Ungleichheit je nach Wohnort komme. Das führe in einer europaweiten Energiekrise nicht zu Zustimmung in der Bevölkerung.

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