Protestierende Menschen an der Uni Marburg

An hessischen Hochschulen haben wissenschaftliche Mitarbeitende und Studierende für bessere Bedingungen demonstriert. Das Hauptproblem des wissenschaftlichen Personals: befristete Arbeitsverträge. Ein großes Problem der Studierenden: drohende Armut.

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Demo an Hochschule Fulda

hs
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Es ist ein trauriger Jackpot: drei Jahre befristet angestellt, schon wieder. "Aber das ist immer noch viel besser als die Jahresverträge von vielen Kolleginnen und Kollegen", sagte Anil Shah, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Kassel, am Dienstag.

Spätestens seit der Protestbewegung #IchbinHanna ist wohl allgemein bekannt: Wer an der Uni arbeitet, kann keine großen Erwartungen an Jobsicherheit und Perspektiven stellen.

In Kassel habe nur jeder zehnte Wissenschaftler einen der wenigen begehrten Professoren-Posten, berichtete Politikwissenschaftler Shah. Der überwiegende Rest hangele sich von einer befristeten Stelle zur nächsten. Er selbst sei seit sechs Jahren Teil dieses Systems, im Juli laufe wieder ein Vertrag aus. "Als Vater von zwei Kindern ist diese ständige Sorge um den Job echt herausfordernd."

Gespräche zwischen Land und Gewerkschaften

Unter anderem deshalb gingen am Dienstag an mehreren hessischen Hochschulstandorten Uni-Angestellte und Studierende auf die Straße: Sie forderten sichere Arbeitsstellen für wissenschaftliche Mitarbeitende, bessere Bedingungen und Entlastung für administrative Kräfte, außerdem mehr finanzielle Unterstützung für Studierende.

Zei Männer mit Plakat

Anlass waren bei Tarifverhandlungen 2021 vereinbarte Gespräche zwischen Landesregierung und Gewerkschaften, die am Dienstag begannen. Dabei soll es unter anderem um die Befristungspraxis an hessischen Hochschulen gehen. Die Hochschulen hatten sich bereits im Rahmen des Hochschulpakts und eines "Kodex für gute Arbeit" dazu verpflichtet, mehr unbefristete Stellen schaffen zu wollen.

Aus Sicht der Gewerkschaften ist seitdem zu wenig passiert. "Trotz vieler warmer Worte hat sich an der skandalösen Befristungssituation in der Praxis nichts Grundlegendes geändert", kritisierte der Sprecher der ver.di-Landesfachkommission Hochschulen, Mathis Heinrich. Weiterhin seien über 80 Prozent des wissenschaftlichen und rund 20 Prozent des administrativ-technischen Personals auf Zeit angestellt.

"Absolut enttäuschend" nannte die stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen, Simone Claar, die Haltung des Ministeriums. Die Gewerkschaften fordern verbindlichere Vorgaben für die Hochschulen.

Ministerium zufrieden mit Entwicklung

Auf hr-Anfrage teilte das Ministerium mit: Angesichts der Tatsache, dass der Kodex erst vor einem Jahr unterzeichnet wurde und vor dem Hintergrund der anhaltenden Krisensituation seien die Fortschritte "sehr ermutigend". Die Zielzahlen für 2022 seien erreicht worden. "Hessen geht mit dem Kodex bewusst den Weg einer Selbstverpflichtung der Hochschulen." So könnten über Tarifverträge hinaus Regelungen getroffen werden.

Ziel des Kodex sei, dass die Dauerbeschäftigungsverhältnisse beim wissenschaftlichen und künstlerischen Personal an Hochschulen im Vergleich zum Bezugsjahr 2018 um 30 Prozent steigen.

Zudem hätten sich die Hochschulen auch im Hessischen Hochschulpakt verpflichtet, die Zahl der unbefristeten Beschäftigungsverhältnisse für wissenschaftliches, künstlerisches und wissenschaftsnahes Personal auszubauen. Konkrete Zielzahlen habe man individuell mit den Hochschulen festgelegt.

Viele Studierende an Armutsgrenze

Protestiert wurde an den hessischen Hochschulstandorten Fulda, Kassel, Frankfurt, Darmstadt, Gießen und Marburg. Dabei ging es aber nicht nur um die Arbeitsbedingungen für Uni-Personal, sondern auch um die derzeitigen Lebensbedingungen für Studierende.

Bei der Kundgebung in Fulda wiesen Studierende zum Beispiel mit Plakaten darauf hin, dass überproportional viele Studierende an der Armutsgrenze lebten, die Inflation und die gestiegenen Lebenshaltungskosten würden sie nun besonders hart treffen.

"Viele fühlen sich im Stich gelassen"

Die Studierenden forderten zum Beispiel mehr Entlastungen in der Energiekrise, eine Deckelung von Mieten und Mensapreisen und ein günstiges bundesweites Semesterticket. Außerdem sprachen sie sich dafür aus, dass die Hochschulen auch trotz gestiegener Energiekosten weiter geöffnet bleiben sollten.

Protest Uni Fulda

Alexander Wiegel, zweiter Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses in Fulda, sagte dem hr, dass viele Studierende sich derzeit im Stich gelassen fühlen. "Viele fühlen sich mit dieser 200 Euro Entlastungspauschale abgespeist, aber als einmalige Zahlung ist das nicht genug."

Wissenschaftliche Hilfskraft: "Existenzielle Frage"

Vor dem Hörsaalgebäude in Marburg nahmen etwa 100 Menschen an der Kundgebung teil, darunter auch die Studierende Anna Diegler, die parallel zum Studium auch wissenschaftliche Hilfskraft an der Uni ist. Auch hier gebe es dringenden Handlungsbedarf, kritisierte sie.

Ihr Lohn sei gerade mal auf Mindestlohnniveau, zudem bekomme sie jedes Semester einen neuen Vertrag und die Arbeit sei oft nicht in der dafür vorgesehenen Zeit zu schaffen. "Und wenn man kein BAföG bekommt, ist das eine ganz existenzielle Frage, die damit einhergeht."

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