Rechenzentren verbrauchen viel Strom und erzeugen große Mengen an Abwärme. Diese soll in Zukunft nicht mehr einfach verpuffen. Um damit Wohnungen heizen zu können, braucht es aber eine neue Infrastruktur.

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Herausforderungen bei Nutzung von Rechenzentren-Abwärme

Blick in einen Gang, der durch unzählige Server rechts und links gebildet wird. Alles ist in blaues, gedämpftes Licht getaucht und viele kleine Dioden leuchten.
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In Hessen entstehen infolge der Digitalisierung immer mehr Rechenzentren. Ohne sie wären kein Streaming, keine Video-Konferenz und kein Online-Shopping möglich. Doch sie verbrauchen eine Menge Energie und erzeugen viel Wärme. Die Energiebilanz ist negativ. Das soll sich nun ändern.

Die entstehende Wärme soll genutzt werden, um tausende Wohnungen zu beheizen. "Abwärme zu nutzen, ist sehr naheliegend, weil es einfach effizient ist. Ohne viel Aufwand kann man sie über Wärmepumpen auf ein höheres Temperaturniveau bringen und zum Heizen verwenden", erklärt Ulf Moslener von der Frankfurt School of Finance & Management.

Pläne zur Abwärmenutzung in Frankfurt

Die Stadtverwaltung von Frankfurt, einem Hotspot für Rechenzentren, hat bereits Pläne dieser Art.

  • Im Stadtteil Gallus soll ein Rechenzentrum etwa 1.300 Wohnungen in einem Neubaugebiet mitheizen.
  • In Griesheim sollen bis zum Jahr 2025 bis zu 1.000 Haushalte von der Abwärme dreier Rechenzentren profitieren können.
  • In einem weiteren Projekt könnte Abwärme aus dem Frankfurter Stadtteil Sossenheim in die Nachbarstadt Eschborn (Main-Taunus) fließen.

Das Projekt im Gallus wird den Angaben zufolge vom Rechenzentrumsbetreiber Telehouse Deutschland, dem Energieversorger Mainova und dem Immobilienentwickler Instone Real Estate getragen.

So gelangt die Wärme in die Wohnungen

"Im Rechenzentrum haben wir einen Kühlwasserkreislauf, der das durch die Server aufgewärmte Wasser mit etwa 30 Grad Celsius zurückführt. Über Wärmetauscher von Mainova wird die Wärme dann über bereits existierende Rohre in das Wohnquartier transportiert", erklärt der Geschäftsführer von Telehouse, Béla Waldhauser, auf hr-Anfrage.

Dort werde die Wärme in einer Heizzentrale mit zwei von Mainova installierten Großwärmepumpen auf etwa 60 bis 70 Grad erhitzt. Die hohe Temperatur mache das warme Wasser sowohl für Heizungen als auch für die Warmwasserversorgung nutzbar.

"Bisher existierten nur die Rohre, alles andere ist für das Projekt entstanden", so Waldhauser. Mindestens 60 Prozent des Wärmebedarfs des Wohnquartiers sollen aus der Abwärme des Telehouse-Rechenzentrums gedeckt werden.

Telehouse sei bereit, ihre Abwärme für die nächsten 15 Jahre kostenlos abzugeben, wenn sie dafür die technische Umsetzung nicht übernehmen müssten. "Als Rechenzentrumsbetreiber haben wir davon auch wenig Ahnung. Das sollen Profis wie Mainova übernehmen", betont Waldhauser.

Stadt auf Werbetour

Das Projekt in Frankfurt-Griesheim soll von dem Rechenzentrumsbetreiber Equinx und dem Immobilienunternehmen Vonovia umgesetzt werden. Beide Projekte seien vom städtischen Klimareferat mitangestoßen worden, berichtet die Stadtverwaltung.

Die Pläne für Sossenheim und Eschborn hat die Stadt nach Darstellung des Umwelt- und Klimadezernats einigen Wohnungsbaugesellschaften, Investoren sowie potenziellen Betreibern von Wärmenetzen vorgestellt. Nun werde geprüft, wie sie umgesetzt werden könnten, erklärt Susanne Schwierwater, Sprecherin von Dezernentin Rosemarie Heilig (Grüne).

Einzigartige Dichte an Rechenzentren

"Unser Interesse ist es, möglichst viel der bislang ungenutzt an die Umwelt abgegebenen Abwärme aus Rechenzentren zu nutzen", sagt Monika Brudler vom städtischen Klimareferat. In Frankfurt und Umgebung befinden sich rund 70 größere Rechenzentren, zahlreiche weitere sind in Planung. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es eine solche Dichte.

Für die Abwärmenutzung sei aber die Wirtschaftlichkeit eine zentrale Frage, gibt Brudler zu bedenken. Damit sie klimaneutral erfolgen könne, müssten die Betreiber zudem ihre Rechenzentren mit grünem Strom versorgen.

35.000 Wohnungen könnten profitieren

Die Angaben der Stadt, wie viele Wohnungen von der Abwärme profitieren könnten, sind für Stefan Lechner von der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) realistisch.

Weitere Informationen

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Bis zum Jahr 2025 könnten rechnerisch bundesweit 35.000 Wohnungen mit Hilfe von Rechenzentren beheizt, bis 2030 sogar der gesamte Wärmebedarf von Privathaushalten und Bürogebäuden in Frankfurt damit gedeckt werden, teilt das hessische Digitalministerium mit.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert die umfassende Nutzung der Abwärme, um die Klimabilanz der Rechenzentren "deutlich zu verbessern".

Kritik am geplanten Energieeffizienzgesetz

Das geplante Energieeffizienzgesetz der Bundesregierung sieht ebenfalls die Nutzung der Abwärme vor. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, etwa von der hessischen Digitalministerin Kristina Sinemus (CDU). Das Gesetzesvorhaben verfolge zwar ein berechtigtes Anliegen, sagt Sinemus. Sie befürchte jedoch hohe Belastungen für die Rechenzentren, da vielerorts noch die notwendigen Fernwärmenetze fehlten.

THM-Professor Lechner hingegen sieht in diesen Vorhaben einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Die Politik spreche die Branche direkt an, da sie bisher zu wenig unternommen habe, um die Abwärme effizient zu nutzen.

"Die Bewältigung dieses Themas ist dringend erforderlich. Die Margen in dieser Branche sind hoch, deshalb sehe ich eine Auflage, die den Klimaschutz verbessert, nicht problematisch", so Lechner. Zudem handele es sich vorerst um einen Entwurf. "Und wie so oft werden Entwürfe oft bis zum letzten Tag überarbeitet."

Vorschläge der Parteien zur Abwärmenutzung

Vor der Landtagswahl in Hessen haben die Parteien unterschiedliche Vorstellungen zur Nutzung der Abwärme und zur Förderung von Energieeffizienz in Rechenzentren. Die CDU setzt auf den Ausbau von Nah- und Fernwärmenetzen sowie auf verbesserte Rahmenbedingungen für die Nutzung von Industrie- und Produktionsabwärme, insbesondere von den Serverfarmen.

Die Grünen möchten Rechenzentren künftig nur noch dort genehmigen, wo sie ins Nah- und Fernwärmenetz eingebunden werden können. Ziel sei es, mindestens 30 Prozent der Abwärme zu nutzen. Ein unregulierter Bau von Rechenzentren gefährde Hessens Klimaziele.

Die SPD möchte den Anteil erneuerbarer Energien in der Wärmeversorgung bis 2030 verdoppeln und die Versorger dazu verpflichten, Dekarbonisierungspläne vorzulegen, um CO2-Emissionen zu reduzieren. Die Förderung von Konzepten zur Abwärmenutzung in Rechenzentren steht ebenfalls auf ihrer Agenda.

Die FDP sieht Serverfarmen als wichtige Treiber der Digitalisierung und Wirtschaft in Hessen und will den Netzausbau vorantreiben. Zudem sollen Rechenzentren ihre Abwärme in lokale Nahwärmenetze einspeisen, um zur Quartiersentwicklung beizutragen.

Die Linke fordert eine effiziente Heizanlagen-Offensive und setzt auf Kraft-Wärme-Kopplung, Abwärmenutzung und erneuerbare Energien für die Wärmeversorgung. Neue Rechenzentren sollen nur genehmigt werden, wenn ihre nachhaltige Abwärmenutzung gesichert ist.

Die AfD möchte die Energiewende beenden und sieht den verstärkten Einsatz von Wärmepumpen kritisch. Stattdessen sollen Kraftwerke liefern. Rechenzentren und Abwärme kommen im Wahlprogramm nicht vor.