Tarek Al-Wazir, Nancy Faeser und Boris Rhein stehen nebeneinander auf einer Bühne und lachen.

Medialer Showdown im Dreikampf um die hessische Staatskanzlei: Kurz vor der Landtagswahl trafen sich Ministerpräsident Rhein und seine Herausforderer Al-Wazir und Faeser beim Triell des hr zum Schlagabtausch. Bei einem Thema gingen die Pulsschläge richtig in die Höhe.

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Das hr-Triell in voller Länge: Hessen wählt - Dreikampf um die Staatskanzlei

hr-Moderatorinnen Ute Wellstein (links) und Kristin Gesang beim Triell der Bewerber ums Amt des hessischen Ministerpräsidenten
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Der Countdown läuft: Keine ganze Woche mehr bis zur Landtagswahl in Hessen. Erstmals haben neben dem Amtsinhaber gleich zwei andere Politiker Ambitionen auf das Amt des Ministerpräsidenten angemeldet. So kam es im Hessischen Rundfunk diesmal nicht zum Wahl-Duell, sondern zum Triell.

Es trafen in Frankfurt aufeinander: Regierungschef Boris Rhein (CDU), Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) als Vize-Regierungschef im schwarz-grünen Kabinett sowie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

Es geht gerade um viel. Rhein führt zwar deutlich in den Umfragen. Aber viele Wählerinnen und Wähler sind noch unentschlossen, die Koalitionsfrage ist offen.

Und so lief es:

1. Wie sie miteinander umgingen: "Wollen Sie sprechen oder ..."

In Wortwahl und Ton meist gemäßigt, aber ab und zu doch merklich gereizt und einmal richtig heftig: So ging der einstündige Dreikampf über die Bühne. Vor allem die nebeneinander postierten Rhein und Faeser lagen sich in den Haaren. Ob Migration oder Vereinsförderung - es gab ein Muster dieses Zweikampfes im Dreikampf.

Entweder: Die Bundesregierung macht viel und macht besser, was die CDU-geführte Vorgängerregierung oder das Land nicht geleistet haben (Faeser). Oder: Das Land macht viel, der Bund zu wenig (Rhein). Einmal fuhr Rhein Faeser an, die ihn unterbrach: "Wollen Sie sprechen, oder soll ich sprechen?"

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Der Dreikampf um die Staatskanzlei

hessenschau vom 02.10.2023
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Al-Wazir spielte dabei nicht mit, sondern eher die Schlichterrolle. Er verteidigte die Politik der Landesregierung, ohne den Bund anzugehen, wo seine Partei in der Ampel ebenfalls mitregiert. Bei der Redezeit lag der Grüne rasch hinter dem führenden Rhein und Faeser zurück. Auf den Moderationshinweis "Sie müssen noch Redezeit aufholen" antwortete er: "Oder die anderen kürzer reden."

2. Worüber sie heftig aneinander gerieten: "Das ist schmutzige Propaganda"

Beim scharf kritisierten SPD-Wahlvideo, das Faeser am Wochenende mit dem Ausdruck des Bedauerns als "nicht mein Stil" löschen ließ, ging mehr als ein Puls hoch. Es nimmt die Vorfälle im Thüringer Landtag und Kontakte einzelner Hessen-CDU-Politiker zu AfD und Neu-Rechten zum Anlass, die wiederholten Brandmauer-Bekenntnisse Rheins infrage zu stellen.

"Widerwärtiges Video", "ehrabschneidend", schimpfte Rhein. Er habe stets den unüberbrückbaren Graben zwischen Union und AfD betont. Auch Al-Wazir sprach von einem "kleinen schmutzigen Stück Propaganda". Er habe gedacht, "dass wir die Art Wahlkampf in Hessen überwunden haben".

Faser hielt dagegen: Rhein solle endlich sagen, was er davon hält, dass CDU-Bundeschef Friedrich Merz die Dinge in Thüringen laufen lasse, wo die CDU im Landtag mit der AfD einen Antrag durchbrachte. Rhein verlangte auch ein Bekenntnis: "Kannten Sie das Video, waren Sie irgendwie eingebunden?" Beantwortet wurde beides nicht.

3. Worüber sie sich amüsierten: Der Fake-Kultusminister

Heiterkeit war nicht angesagt. Immerhin waren die Kenntnisse Künstlicher Intelligenz über das Trio zum Lachen. Von der Redaktion nach Rhein befragt, machte ChatGPT ihn zum Kultusminister, der er nie war, und lobte ihn: Rhein habe G8 an Schulen eingeführt und Ganztagsschulen befördert.

Aus Faeser, die anders als Rhein nie Landesministerin war, machte die KI eine Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, die zudem immer noch im Landtag sitze.

4. Über welche Sachthemen sie stritten (I): Steigende Flüchtlingszahlen

Die Aufnahme von Flüchtlingen ohne Asylanspruch verringern, die Verteilung regeln, mehr Geld für Kommunen - bei den Zielen ist man sich nahe. Faeser, als zuständige Ministerin unter Druck, gab sich zuversichtlich: Ihren Erfolg, EU-weit verpflichtende Registrierungen an Außengrenzen durchgesetzt zu haben, "wird sehr viel für Hessen verändern".

Rhein entgegnete, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) die Kommunen hängen lasse: "Nur der Bund hat den Schlüssel zur Steuerung." Zum umstrittenen Merz-Befund, Geflüchtete nähmen Deutschen die Zahnarzttermine weg, meinte er: Das sei nicht sein Stil. Faeser: "Das ist in der Sache falsch."

"Ich hoffe, wir werden das nach der Wahl gemeinsam lösen", mahnte Al-Wazir zu Sachlichkeit. Die Merz-Aussage zur Zahnbehandlung nannte er "Fake News". Rheins Ankündigung, Hessen werde mit Zutun der Grünen der Ausweitung sicherer Herkunftsländer auf Georgien und Moldau zustimmen, widersprach er nicht. Die Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko wollen die Grünen anders als etwa CDU und FDP nicht auf dieser Liste haben. Entscheidend sind laut Al-Wazir ohnehin Rückführungsabkommen.

5. Über welche Sachthemen sie stritten (II): Wohnungsmangel und hohe Mieten

Die CDU schaue mehr auf die Vermieter, die SPD mehr auf die Mieter, befand Al-Wazir. Er hat er nach eigenen Angaben "beides im Blick". Faesers Kritik, in 25 Jahren CDU-Regierung sei die Zahl der Sozialwohnungen enorm gesunken, hielt er entgegen: Unter ihm sei der Trend umgekehrt worden.

Schwere Versäumnisse warf Faeser Schwarz-Grün auch auf anderen Gebieten vor: Sie will die Mietpreisbremse auf mehr Kommunen ausweiten. Der Leerstand des verkauften alten Polizeipräsidiums in Frankfurt zeige, wie nötig ein Gesetz gegen Spekulation und Zweckentfremdung sei.

Die Ausweitung des Wohngelds, die Förderung seriellen Bauens und sein Versprechen hoher Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer für den ersten Eigenheim-Kauf - das schob Regierungschef Rhein ins Schaufenster. Beim Steuerrabatt sieht sein Wohnungsbauminister Al-Wazir im Falle einer Fortsetzung von Schwarz-Grün offenbar Gesprächsbedarf: "Ich möchte nicht die erste Villa in Königstein fördern."

6. Über welche Sachthemen sie stritten (III): Die Situation an den Schulen

Auch hier fehlt die Einigkeit schon beim Befund. Laut Faeser fehlen viele Lehrer. Es sei "eines der größten Versäumnisse der Landesregierung", nicht mehr Lehramt-Studienplätze geschaffen zu haben. Die von ihr versprochenen neuen 12.500 Lehrerstellen will sie außerdem besetzen, indem Zeitverträge entfristet und Wartezeiten aufs Referendariat verkürzt würden.

Dass der Mangel so groß sei, bestritt Rhein. Beim Beschwerdetelefon der Schulämter seien darüber auch kaum Klagen eingegangen. Um mehr Personal zu gewinnen, habe das Land ja Studienkapazitäten und Grundschullehrer-Gehälter erhöht.

Auch hier begab sich Al-Wazir in die vermittelnde Rolle: "Es ist besser geworden. Aber wir müssen uns weiter anstrengen." Er gab zu bedenken, dass kurzfristig auch 30.000 geflüchtete Kinder aus der Ukraine versorgt werden mussten. Um Sprachprobleme in Grundschulen zu vermeiden, brauche es auch mehr Betreuungsplätze in Kitas.

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