Radom auf der Wasserkuppe

Der Wahlkampf wird coronabedingt auch im Kreis Fulda auf Plakaten und online ausgetragen. Bei CDU und FDP führt das zu einem kuriosen Streit um die Wurstspezialität „Schwartemagen“. Grüne und Linke fühlen sich im Aufwind.

So lebt man hier:

Auf Rhön reimt es sich nicht nur schön – die Mittelgebirgslandschaft ist tatsächlich einzigartig. Hier findet sich das einzige hessische Unesco-Biosphärenreservat, das die Natur unter einen besonderen Schutz stellt. Die 950 Meter hohe Wasserkuppe, Hessens höchster Berg, lockt jedes Jahr mehr als eine Million Touristen zum Skifahren oder Wandern.

Der Osthesse selbst gilt als bodenständig und zurückhaltend. Den Charakter der Menschen als konservativ zu beschreiben, greift jedoch zu kurz. Und auch die Zeiten, in denen Osthessen als rückständiges Zonenrandgebiet galt, sind lange vorbei. Inzwischen pendeln mehr Menschen zum Arbeiten in die Region ein, als aus.

Der Kreis hat traditionell die niedrigste Arbeitslosenquote in ganz Hessen. Das ist weniger auf die produzierende Industrie, als auf den Arbeitskräftemangel in Baugewerbe und Handwerk zurückzuführen. Entlang der Autobahnen 66 und 7 haben sich vor allem Logistikunternehmen angesiedelt. Als Wirtschaftsstandort mit einem üppigen Breitbandnetz hat sich Eichenzell einen Namen gemacht. Neuerdings punkten auch die "Gersfelder Metallwaren" als Zulieferer für Tesla.

Die Chancen und Herausforderungen der Region:

Die Landflucht macht sich im Kreis deutlich bemerkbar: In den Dörfern stehen viele Häuser und Geschäfte leer. Die Neubaugebiete am Ortsrand wachsen dagegen, weil viele junge Menschen nach dem Studium zur Familiengründung in ihre Heimat zurückkehren.

Mit dem Projekt "Landpartie" versuchen Kreisverwaltung, Klinikum und Arztpraxen, Medizinstudenten aufs Land zu locken. Der Ärztenachwuchs soll die Schönheiten der Region kennenlernen und zur Übernahme einer Praxis animiert werden.

Gegen den Mangel an Auszubildenden wurde mit dem „Pings“ in Fulda Deutschlands erstes betreutes Übernachtungscamp für auswärtige Auszubildende geschaffen. Politik, Industrie und Handelskammer, Kreishandwerkerschaft und Arbeitsagentur sind in der Region gut vernetzt. Das eröffnet auch modernen Start-ups gute Chancen.

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Das Topthema vor der Wahl:

Neben der Wirtschaft sind Verkehr, Umwelt und Energiepolitik die beherrschenden Themen in Osthessen. Große Wellen schlug das Vorhaben der Firma Tennet, die Starkstromtrasse "Suedlink" von den großen Windkraftanlagen an der Nordsee nach Baden-Württemberg durch Osthessen zu legen. Zahlreiche Bürgerinitiativen gründeten sich im Kampf gegen die "Monstertrasse", der Bundessprecher kam aus Fulda.

Da der Betreiber dann doch die Variante durch Thüringen wählte, blieb Osthessen außen vor. Trotzdem sorgt weiter die geplante "Fulda-Main-Leitung" von Ludwigsau-Mecklar (Hersfeld-Rotenburg) nach Bergrheinfeld in Bayern für massive Proteste in den betroffenen Gemeinden. Ein Trassenverlauf durch Osthessen scheint unumgänglich, da der Betreiber das bestehende Umspannwerk in Dipperz-Wisselsrod nutzen will.

Das beschäftigt die Menschen noch:

Die Autobahnverbindungen in der Region gelten mit dem Lückenschluss der A66 und der Eröffnung des Tunnels bei Neuhof vor einigen Jahren als abgeschlossen. Eine umstrittene Bundesstraße von Fulda durch die Rhön nach Südthüringen scheiterte an den hohen Kosten für einen möglichen Tunnelbau und am Widerstand der Bürgerinnen und Bürger, die sich erfolgreich gegen die Trassenführung durch das Biosphärenreservat Rhön zur Wehr setzten.

Noch in der Abstimmung befindet sich dagegen der Ausbau der überlasteten Bahnstrecke von Hanau nach Würzburg oder Fulda. Auch hier kämpft eine Bürgerinitiative gegen die zu erwartenden Belastungen für die Umwelt.

Stiller geworden ist es derzeit um das Dauerthema Windkraft. Die Betreiber bekommen in der Region immer wieder starken Gegenwind. Tatsächlich umgesetzt werden konnte in den letzten Jahren nur eine Anlage in Hofbieber-Traisbach.

So ist die politische Ausgangslage im Kreis:

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Bei der Kommunalwahl 2016 verlor die CDU erstmals ihre absolute Mehrheit im Kreisparlament – eine Zäsur in der Geschichte des katholisch-konservativen Kreises. Mit nur noch 46,6 Prozent der Stimmen waren die Christdemokraten auf eine Koalition mit der Christlichen Wählereinheit (CWE) angewiesen, die ihren Anteil mit 6,4 Prozent halten konnte. Die CWE hatte sich vor 50 Jahren von der CDU abgespalten und liegt in Sachfragen meist mit ihr auf einer Linie.

Grund für den Stimmverlust der CDU war das Erstarken der AfD, die im Kreis über 14 Prozent der Stimmen holte und in vielen Gemeinden zweistellige Ergebnisse einfuhr. Damit bekam die CDU auch auf Kreisebene die Quittung für die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. In Hosenfeld und Neuhof, wo AfD-Gallionsfigur Martin Hohmann viele Jahre lang Bürgermeister war, kam die Partei sogar auf 22 Prozent.

SPD und Grüne verloren 2016 ebenfalls Stimmen. Die aktuelle Klimadiskussion rund um "Fridays for Future" äußert sich aktuell aber in einem starken Zulauf für die Grünen – in Petersberg und Hünfeld wurden neue Ortsverbände gegründet.

Die FDP bekam mit 5,5 Prozent bei der letzten Kommunalwahl mehr Stimmen als 2011. Auch die Linken befinden sich im schwachen Aufwind. 2016 konnten sie um knapp ein Prozent auf 2,8 Prozent zulegen.

Hier wird es besonders spannend:

2016 war man noch gespannt darauf, wie stark die AfD im Kreis Fulda werden würde. Deren Erfolg dürfte sich dieses Mal nicht wiederholen. Zum einen ist das überregionale Thema "Flüchtlinge" gegenüber der Corona-Pandemie in den Hintergrund gerückt. Zum anderen kann die AfD inhaltlich trotz ihrer äußerst aktiven Pressearbeit im Kreis kaum Punkte sammeln.

Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Allianz aus Corona-Leugnern, Querdenkern und Impfgegnern der AfD wider Erwarten auch in Fulda Zulauf beschert. Interessant dürfte auch die Frage sein, wie viel Zulauf die Grünen im Sog ihres bundesweiten Aufschwungs im Kreis Fulda bekommen.

Hier ist der Wahlkampf besonders kurios:

Auf riesigen Plakaten an Straßenkreuzungen betreibt die FDP selbstironisch Wahlwerbung mit dem Slogan, dass Fulda mehr könne als nur "schwarz, spießig und Schwaddemagen". Die CDU konterte prompt und ebenfalls in Anspielung an die osthessische Wurstspezialität mit dem YouTube-Video "Wir sind Schwartemagen - Entdecke den Spießer in Dir".

Diese Entscheidungen stehen noch an:

Zeitgleich mit der Kommunalwahl entscheiden die Wählerinnen und Wähler in vier Gemeinden über ihre Bürgermeister. Der Wahlkampf dürfte aber unspektakulär werden, da hier nur Amtsinhaber ohne Gegenkandidaten antreten. Timo Zentgraf (unabhängig) kandidiert erneut in Künzell, Klaus-Dieter Vogler (unabhängig) in Dipperz, Steffen Korell (CDU) in Gersfeld und Marion Frohnapfel (CDU) in Nüsttal.